10. Evidenzstellentreffen der (Verwaltungs)Gerichte 2023

Publikationspflichten – Anonymisierungstools – RIS-Justiz

Evidenzstellentreffen 2023
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Evidenzstellentreffens 2023

Im Mittelpunkt des diesjährigen Evidenzstellentreffens standen Vorträge, Diskussionen und der Erfahrungsaustausch zu Veröffentlichungspflichten unter der Perspektive „Informationsfreiheit Neu“, zur Entscheidungsanonymisierung mit KI-gestützten Anonymisierungstools und zur Weiterentwicklung der Judikaturdokumentationen im RIS.

Das Treffen fand diesmal in Innsbruck auf Einladung des Vizepräsidenten Dr. Albin Larcher, LVwG Tirol, statt. Trotz der längeren Anreise waren neben den Höchstgerichten (VfGH, VwGH und OGH) alle Landesverwaltungsgerichte, das Verwaltungsgericht Wien sowie das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesfinanzgericht und die Datenschutzbehörde gekommen.

Veröffentlichungspflichten - Informationszugangsrechte

Den Eröffnungsvortrag hielt Univ.-Prof. Dr. Thomas Müller, LL.M. von der Universität Innsbruck. Passend zum derzeit im Parlament liegenden Entwurf zum Bundesgesetz über den Zugang zu Informationen (Informationsfreiheitsgesetz – IFG), referierte er zu „Veröffentlichungspflichten im Modellvergleich“. Er analysierte die Veröffentlichung von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen und den Anspruch und die Grenzen einer Veröffentlichungspflicht. Bei Leitentscheidungen besteht jedenfalls Veröffentlichungspflicht; Einschränkungen sind nur bei bestimmten legitimen öffentlichen/privaten Interessen gegeben (Öffentlichkeitsprinzip).

KI-gestützte Anonymisierungstools

Mit der Anonymisierung von Entscheidungen beschäftigten wir uns schon mehrmals. (zuletzt beim Treffen 2022 am VfGH). Neue KI-gestützte Anonymisierungstools versprechen, den Aufwand zu reduzieren und die Qualität zu verbessern. In zwei Video-Konferenzen konnten wir das Justiz-Tool und das A-Tool näher kennen lernen und im Anschluss die Vor- und Nachteile der beiden Tools aufzeigen und vergleichen. Das Justiz-Tool ist für die Entscheidungsanonymisierung in der österreichischen Justiz im Einsatz. Mag. David Steinbauer, MSc (WU), Programmleiter JustizOnline / Projektleiter von digital fast forward präsentierte, im Auftrag des BMJ, den Anonymisierungsvorgang vom „annotierten“ zum „anonymisierten“ Dokument und erklärte die verwendete Technologie aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz. Erwähnenswert ist, dass die anonymisierten Entscheidungen ohne Nachbearbeitung in eine interne Dokumentation gestellt werden. Nur Entscheidungen des OLG und OGH werden im RIS veröffentlicht. Eine übersichtliche und benutzergeführte Überarbeitung der anonymisierten Daten für eine Qualitätskontrolle fehlt bislang.

Das A-Tool präsentierte Bojan Konic, MSc ETH Zürich Computer Science, der Geschäftsführer von Balo.ai. Diese Anonymisierungslösung ist bereits bei Schweizer Gerichten in mehreren Kantonen im Einsatz. Es analysiert ebenso mit Hilfe künstlicher Intelligenz den Text, markiert Worte und Wortgruppen und listet diese übersichtlich nach Kategorien (Personen, Organisationen, Ortschaften, Nummern etc.) auf. Diese Vorschläge können mit „Schieberegler“ angenommen werden oder nicht. Welche Begriffe/Daten anonymisiert werden sollen, wird auf das jeweilige Gericht angepasst. Dabei sind die Datensicherheit und der Datenschutz gewährleistet. Denn die Entscheidungen bleiben in der gesicherten Gerichtsumgebung. Es wird keine Cloud verwendet. Neben Gerichtsentscheidungen können auch andere Texte, z.B. Gutachten, anonymisiert werden.

RIS-Justiz

Zum Abschluss der Tagung beschäftigten wir uns mit dem Rechtsinformationssystem (RIS). Dr. Helmut Weichsel, BMF, Abt. V/B/6 - E-Government Bund/Verwaltung, berichtete zu neuen Inhalten, die hauptsächlich von den Bezirken, Gemeinden und Ländern kommen, darunter Verordnungen, Kundmachungen und Erlässe. Die „Judikatur Justiz“ bietet neue Metadaten, wie zB „Entscheidungsart“ (Zurückweisung, verstärkter Senat), „Fachgebiet“ (Arbeitsrecht, Unionsrecht, etc.) und „Rechtsgebiet“ (Zivilrecht, Strafrecht). Eine aussagekräftigere Trefferliste mit Titel/Schlagworten, wie z.B. in der Finanzdokumentation (Findok), wurde anschließend diskutiert. Weiteres wurde angeregt, Normenliste, Schlagworte, Fachgebiet und Index zu vereinheitlichen.

Für weiteren Gesprächs- und Diskussionsstoff bei den nächsten Evidenzstellentreffen ist damit gesorgt. Unter den Evidenzstellen erfolgt allerdings auch während des Jahres ein regelmäßiger Austausch. Beispielsweise leiten sie untereinander wichtige Informationen, Artikel und Entscheidungen rund um das Thema Evidenzierung weiter. Spannend bleibt außerdem die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen, wenn das IFG tatsächlich beschlossen wird.

Organisation der Tagung:
Vizepräsident Dr. Albin Larcher des LVwG Tirol, Carina Pfausler, Evidenzstelle des LVwG Tirol und
Prof. Dr. Angela Stöger-Frank, Evidenzstelle des BFG