9. Evidenzstellentreffen der (Verwaltungs)Gerichte

Vorträge und Diskussion zur Abgrenzung Rechtsprechung/Justizverwaltung, zur Formulierung des Spruches im VStG, Veröffentlichungspflicht, Neuigkeiten im RIS und Anonymisierungstools

Evidenzstellentreffen 2022-05
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Evidenzstellentreffens 2022

Das Treffen am 12. Mai 2022 war nicht nur deswegen besonders, weil es nach 2 Jahren Covid-bedingter Pause endlich wieder stattfand, sondern weil wir diesmal beim Verfassungsgerichtshof zu Gast sein durften. Im schönen Beratungssaal konnten wir außerdem genügend Abstand halten. Der Generalsekretär, DDr. Stefan Leo Frank, eröffnete die Tagung.

Neben den Höchstgerichten (VfGH, VwGH und OGH) waren alle Landesverwaltungsgerichte, das Verwaltungsgericht Wien sowie das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesfinanzgericht und die Datenschutzbehörde vertreten. Wie immer stand der Erfahrungsaustausch im Mittelpunkt des Evidenzstellentreffens.

Am Vormittag beschäftigten wir uns mit den Rechtsfolgen von VwGH-Erkenntnissen der letzten zwei Jahre. Das Erkenntnis Ra 2019/04/0106 vom 09.08.2021, zur Anonymisierung und Abgrenzung Rechtsprechung/Justizverwaltung bewirkte beispielsweise, dass manche Landesverwaltungsgerichte ihre Organisationsgesetze betreffend Evidenzstelle/Veröffentlichungen änderten. Der § 44a VStG (zur Formulierung des Spruches, Angabe der Fundstelle der verletzten Verwaltungsvorschrift) war ebenso Gegenstand von VwGH-Erkenntnissen (VwGH 19.4.2022, Ra 2022/02/0024; 18.03.2022, Ra 2020/02/0268) und das Verwaltungsgericht Wien hat kürzlich einen Antrag auf Veröffentlichung aller Entscheidungen zurückgewiesen  (VGW-171/091/16056/2021 vom 05.04.2022). Impulsreferate zu diesem Themenblock hielten Dr. Eva Lackner-Wagner, LVwG Salzburg, Mag. Norbert Mandl, LVwG Steiermark und MMMag. Michael Uhrmacher, VwG Wien.

Kurz vor der Mittagspause kam Präsident DDr. Christoph Grabenwarter in den Saal. Zu diesem Zeitpunkt war gerade die Folie zum § 44a VStG zu sehen. Natürlich fand er dazu eine passende Einleitung zu seiner Begrüßungsrede. Ein weiterer Höhepunkt war die Führung durch die Ausstellung im alten Beratungszimmer „Der Verfassungsgerichtshof und Hans Kelsen“ mit Dr. Josef Pauser, dem Leiter der Bibliothek und Kommunikation.

Am Nachmittag gab es, wie auch schon bei den letzten Treffen einen „RIS-Schwerpunkt“. Mag. Daniel Binder, Richter im Evidenzbüro des OGH, berichtete zu Neues bei RIS-Justiz. Das Ziel sind inhaltliche und technische Verbesserungen sowie Empfehlungen für die Rechtssatzbildung. Dazu gehören die Erweiterung der Suchfunktionen (nach bestimmten Zeiträumen oder nach Entscheidungen von verstärkten Senaten), die Sortierung der Suchergebnisse und ein Upload von Entscheidungen über den elektronischen Akt. Neu hinzu kommt eine bundesweite interne Entscheidungssammlung neben RIS-Justiz. Mangels Supportpersonal zum Anonymisieren kommt hier ein automatisches Anonymisierungsprogramm, das in den vergangenen Jahren entwickelt wurde, zum Einsatz.

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die Verwaltungsgerichte aus historischen oder anderen Gründen unterschiedliche Strukturen und daher teilweise unterschiedliche Organisationsgesetze haben. Auch die IT-Servicierung ist unterschiedlich, sodass insbesondere die Veröffentlichung von Entscheidungen aus technischen und ökonomischen Gründen nicht oder nur teilweise im RIS erfolgt, sondern bei manchen Landesverwaltungsgerichten auf deren Websites und beim Bundesfinanzgericht in der Finanzdokumentation des BMF.

Dr. Angela Stöger-Frank, BFG, präsentierte i.V. von Dr. Helmut Weichsel, BMDW, dessen Folien zu inhaltlichen Erweiterungen im RIS (z.B. Gemeindeverordnungen, Kundmachungen, Erlässe und Ministerratsprotokolle). Zum Schluss zeigte sie ebenso ein automatisches Anonymisierungstool (A-Tool) anhand eines Videos her, das bei Gerichten in der Schweiz eingesetzt wird. Es läuft unter "Word" und wird auf das jeweilige Gericht angepasst. Denn jedes Gericht (z.B. Straf- oder Verwaltungsgericht) hat, abgesehen von Namen und Adressen, weitere spezifische Daten zu anonymisieren. Erfreulich ist, dass nun die automatischen Tools zum Anonymisieren bereits erprobt sind und bei Gerichten verwendet werden. In der Vergangenheit waren sie noch sehr fehlerhaft. Oft wurden meist zu viele Namen (zB Autorennamen in Literaturzitaten) anonymisiert und der Text dadurch unverständlich.

Eine Erkenntnis bleibt nach dem Treffen, mit den immer weniger zur Verfügung stehenden Ressourcen, ist es für die Evidenzstellen schwierig, der Forderung nach einer vollständigen Entscheidungsdokumentation nachzukommen.

Für 2023 ist wieder ein Treffen geplant. Gastgeber ist das Landesverwaltungsgericht Tirol.

Prof. Dr. Angela Stöger-Frank
Organisatorin des Treffens