BFG-Newsletter 2023/04

Einkommensteuer

Pauschale AgB für behindertes Kind – Höhe des gegenzurechnenden Pflegegeldes bei Anspruchsübergang auf den Kostenträger

  • § 34 Abs. 6 EStG 1988, § 1 BPGG, § 13 Abs. 1 BPGG, § 8 Abs. 4 FLAG 1967, § 13 BPGG, § 5 Außergewöhnliche Belastungen, § 34 EStG 1988
  • BFG vom 09.11.2023, RV/7100136/2023 (Abweisung; Revision zugelassen)

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Gemäß § 13 Abs. 1 BPGG geht der Anspruch auf Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegungskosten, höchstens jedoch bis zu 80% auf den jeweiligen Kostenträger über, wenn die pflegebedürftige Person auf Kosten oder unter Kostenbeteiligung eines Landes, einer Gemeinde oder eines Sozialhilfeträgers in einem Pflege-, Wohn‑, Alten- oder Erziehungsheim stationär gepflegt wird.
Ist der Anspruch auf Pflegegeld auf den jeweiligen Kostenträger übergegangen, kann nicht das gesamte Pflegegeld, sondern nur der tatsächlich verbleibende Betrag als pflegebedingte Geldleistung gegengerechnet werden.

Keine Berücksichtigung von Aufwendungen für eine – innerstaatlich verbotene – Leihmutterschaft als außergewöhnliche Belastungen

  • § 2 FMedG, § 3 FMedG, § 34 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, § 34 Abs. 3 EStG 1988
  • BFG vom 14.11.2023, RV/7100692/2021 (Abweisung; Revision zugelassen)

In Übereinstimmung mit dem zur – sachverhaltskongruenten – Thematik: „Berücksichtigung der in Konnex mit einer Leihmutterschaft stehenden Kosten eines männlichen (Ehe)Paares als außergewöhnliche Belastungen“ ergangenen Urteil des BFH vom 10.08.2023, VI R 29/31, vertritt das BFG die Auffassung, dass derartige Kosten nicht das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit erfüllen, da einerseits der Entschluss der Erfüllung des Kinderwunsches per Leihmutterschaft freiwillig erfolgt, andererseits diese „Methode“ der medizinisch unterstützten Fortpflanzung gegen die innerstaatliche Rechtsordnung, sprich die §§ 2 und 3 des FMedG verstößt.

Vermietung von Wohnungen durch eine GmbH an die Kinder ihres Gesellschafter-Geschäftsführers

  • § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988
  • BFG vom 19.09.2023, RV/7100629/2020 (Stattgabe bzw. Gegenstandsloserklärung; Revision nicht zugelassen)

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine - wenngleich fremdübliche - Vermietung an eine unterhaltsberechtigte Person als Unterhaltsleistung zu qualifizieren und daher steuerlich nicht anzuerkennen (VwGH 28.10.2004, 2001/15/0028; 30.3.2006, 2002/15/0141; 23.5.2007, 2003/13/0120), da die Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen und den Unterhalt seiner Familienangehörigen, die bereits durch die tarifbedingte Steuerfreiheit des Existenzminimums Berücksichtigung finden, nicht nochmals als Betriebs­ausgaben/Werbungskosten abgezogen werden können (§ 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988). Diese Rechtsprechung ist auf den Fall, dass die Vermietung nicht durch den Unterhaltspflichtigen erfolgt, sondern durch eine Kapital­gesellschaft, an der der Unterhaltspflichtige beteiligt ist, nicht übertragbar, da eine Kapitalgesellschaft keine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen hat (demzufolge findet sich in § 12 KStG 1988 [„Nichtabzugs­fähige Aufwendungen und Ausgaben“] keine dem § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 entsprechende Bestimmung) und das Tarifsystem des Körperschaftsteuerrechts auch kein Existenzminimum kennt.

1. Zufluss von Rehabilitationsgeld, das rechtswidrig nicht an die Erwachsenenvertreterin ausbezahlt wurde.
2. Zeitpunkt des Zuflusses von Rehabilitationsgeld.

  • § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988, § 23 Abs. 2 BAO, § 23 Abs. 3 BAO, § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988
  • BFG vom 19.09.2023, RV/7101078/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Der Abgabentatbestand des § 2 Abs 3 Z 4 iVm § 25 Abs 1 Z 1 lit c EStG 1988 ist auch dann verwirklicht, wenn die Zahlungen des Rehabilitationsgeldes nicht in den Verfügungsbereich der Erwachsenen­vertreterin, sondern in den Verfügungsbereich der Steuerpflichtigen selbst, die – wie sich aus dem Sachverhalt ergibt – auch tatsächlich über die Geldmittel verfügt hat, gelangt ist.

Rechtssatz 2: Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dem im vorliegenden Fall anzuwendenden Gesetzeswortlaut mit Erkenntnis vom 19.12.2018, Ro 2017/15/0025 die Ansicht verworfen, wonach Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld unter die Nachzahlung von Pensionen gem. § 19 Abs 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 einzustufen wären. Rehabilitationsgeld iSd § 143a ASVG ist unter § 25 Abs 1 Z 1 lit c EStG 1988 (Bezüge aus einer gesetzlichen Kranken oder Unfallvorsorge) und nicht unter dem § 25 Abs 1 Z 3 lit a EStG 1988 (Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung) zu subsumieren.
Aufgrund der Einordnung des Rehabilitationsgeldes unter § 25 Abs 1 Z 1 lit c EStG kommt hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben die Grundregel in § 19 Abs 1 EStG 1988 zur Anwendung, wonach Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.
Zusatztext: Gilt für beim BFG vor Änderung des § 19 Abs 1 Z 2 EStG 1988 durch BGBl. I 134/2021 anhängige Verfahren.

Gutschrift von Lohnsteuer aufgrund der Berechnung des Sachbezuges für Natural­wohnungen für pensionierte Bundesheerangehörige

  • § 2 Abs. 1 Sachbezugswerteverordnung
  • BFG vom 17.11.2023, RV/7100847/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Bei Vermietung einer Naturalwohnung an einen Beamten im Ruhestand ist kein Sachbezug anzusetzen, wenn dieser Kostenersätze leistet, die über das Ergebnis der Berechnung der Bemessungsgrundlage gemäß der § 2 Sachbezugswerteverordnung hinausgehen.

Geldwerter Vorteil; unentgeltlich überlassene Arbeitskleidung; keine Uniform; bürgerliche Kleidung

  • § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988
  • BFG vom 21.11.2023, RV/7101500/2019 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Arbeitskleidung bürgerlichen Charakters, die Mitarbeitern unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, ist nicht mit einer Unternehmensuniform iSd § 26 Z 1 EStG 1988 gleichzusetzen. Sie stellt auch dann einen Vorteil aus dem Dienstverhältnis iSd § 25 Abs. 1 Z 1 lit a EStG 1988 dar, wenn die Kleidung nicht privat getragen werden darf.

Hinweis: bei der mündlichen Verhandlung dieses Falles in Wien nahmen Studierende teil

Finanzstrafrecht

Abgabenerhöhung gem § 29 Abs 6 FinStrG bei bereits vorbereiteter Selbstanzeige, die aber erst nach Ankündigung einer Prüfung erstattet wurde

  • § 29 Abs. 6 FinStrG
  • BFG vom 01.12.2023, RV/2100533/2023 (Abweisung; Revision zugelassen)

Der Zeitpunkt der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme ist die zeitliche Grenze, zu der eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr ohne eine Abgabenerhöhung denkbar ist. Dem Gesetz­geber kann nicht die Absicht unterstellt werden, dass er mit der Novellierung des § 29 Abs 6 FinStrG eine Unschärfe dahingehend schaffen wollte, dass es für die Festsetzung einer Abgabenerhöhung darauf ankommt, ob der Selbstanzeiger nicht schon unabhängig von einer allfälligen Prüfungsmaßnahme an einer Selbstanzeige arbeitete, deren Erstattung - aus welchen Gründen auch immer - erst nach der Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme erfolgen konnte. Das Wort „anlässlich“ des § 29 Abs 6 FinStrG ist daher in einer engen Sichtweise so zu interpretieren, dass nur Selbstanzeigen, die vor einer Ankündigung einer abgabenbehördlichen Prüfungsmaßnahme erstattet werden, strafbefreiende Wirkung ohne die Festsetzung und Entrichtung einer Abgabenerhöhung entfalten können.

1. Finanzvergehen nach dem WiEReG und Finanzordnungswidrigkeiten gemäß § 49 Abs. 1 lit a FinStrG;
2. Antrag auf Spruchsenat nicht schon im Einspruch gegen die Strafverfügung gestellt, Aufhebung der Entscheidung wegen Unzuständigkeit des Spruchsenates: Keine Heilung gemäß § 64 Abs. 2 FinStrG, da die Unzuständigkeit nicht in der mündlichen Verhandlung festgestellt wurde.

  • § 58 Abs. 2 lit. b FinStrG, § 64 Abs. 2 FinStrG
  • BFG vom 12.10.2023, RV/7300028/2023 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Die Beschuldigten haben gemäß § 58 Abs. 2 lit. b FinStrG das Recht, die Fällung des Erkenntnisses durch einen Spruchsenat (hier: in ihrem Einspruch gegen die Strafverfügung) zu beantragen. Wenn jedoch in keinem der eingebrachten Einsprüche dieser Antrag gestellt wird, obliegt die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses nach wie vor einer Einzelbeamtin, einem Einzelbeamten der Finanzstrafbehörde.

Rechtssatz 2: § 64 Abs. 2 FinStrG regelt nur den Fall, „dass sich im Zuge der mündlichen Verhandlung ergibt, dass die im § 58 Abs. 2 umschriebenen Voraussetzungen für seine Entscheidungsbefugnis nicht gegeben sind.“
Einerseits ist im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat die Frage der fehlenden Zuständig­keit, dass infolge des verspäteten Antrages auf Fällung des Erkenntnisses durch einen Spruchsenat nach wie vor die Einzelbeamtin/der Einzelbeamte zuständig wäre, nie Thema gewesen, andererseits ist die Unzu­ständigkeit vom Bundesfinanzgericht vor der mündlichen Verhandlung festgestellt worden, sodass eine Heilung nach § 64 Abs. 2 FinStrG nach dem Gesetzeswortlaut hier nicht möglich ist.

1. Einfuhr von Ukulelen/Gitarren ohne erforderliche CITES-Einfuhrbescheinigung wegen artengeschützten Hölzern, die in den Griffbrettern der Musikinstrumente verarbeitet sind. Zwischenzeitig ist die CITES-Bestimmung geändert.
2. Frage des Günstigkeitsvergleiches betrifft nur Strafbestimmungen, nicht auch Bestimmungen außerhalb des Strafrechts.
3. Ordentliche Revision zur Frage des gemeinen Wertes zugelassen.

  • § 4 Abs. 2 FinStrG, § 8 Abs. 1 ArtHG 2009
  • BFG vom 13.09.2023, RV/1300001/2023 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Obersten Gerichtshofes als auch des Verwaltungs­gerichtshofes stellt § 4 Abs. 2 FinStrG nur auf die Änderung strafrechtlicher Vorschriften ab (vgl. VwGH 20.12.2001, 2001/16/0529, mwN; VwGH 26.01.2023, Ra 2021/01/0026) und kommt daher bei Gesetzes­änderungen im außerstrafrechtlichen Bereich der Abgabenfestsetzung nicht zum Tragen.

Rechtssatz 2: Die sogenannte Günstigkeitsregel des § 4 Abs. 2 FinStrG betrifft immer nur die Frage geänderter strafgesetzlicher Vorschriften, die jedoch nicht Platz greift, wenn sich die der Tat zugrundeliegenden abgabenrechtlichen Normen ändern. Die Frage der CITES-Voraussetzungen ist ungeachtet späterer Rechtsänderungen immer nach Maßgabe der zur Tatzeit geltenden Vorschriften zu beurteilen und vermag eine nachträgliche außerstrafrechtliche Gesetzesänderung einer bereits eingetretenen Strafbarkeit keinen Abbruch zu tun (ähnlich VwGH 14.10.1999, 96/16/0109; VwGH 29.04.1998, 98/16/0106).

Rechtssatz 3: Täter des Finanzvergehens ist derjenige, der entsprechende Handlungen für die Verwirklichung der Tat vornimmt, unabhängig davon, ab er handelsrechtlicher oder gewerberechtlicher Geschäftsführer einer GmbH ist. Wer nach Gesellschaftsrecht oder Steuerrecht eine GmbH nach außen vertreten darf, ist für die Frage, wer Täter eines Finanzvergehens ist, ohne Relevanz.

Rechtssatz 4: Unter dem gemeinen Wert im Sinne des § 19 Abs. 3 FinStrG zur Ermittlung eines Wertersatzes für verfallsbedrohte Gegenstände ist der Preis zu verstehen, welchen die Finanzstrafbehörde als neue Eigentümerin der Gegenstände bei einer Veräußerung für diese in den von ihr erreichbaren Marktbereichen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (eigene Versteigerung, Freihandverkauf, Verkauf an einen gewerblichen Händler, Veräußerung im Internet etc.) erzielen hätte können, wären die verfallsbedrohten Gegenstände unverzüglich nach der Tat beschlagnahmt und verwertet worden. 
Eine Übernahme der Begrifflichkeit des gemeinen Wertes aus dem Abgabenrecht iSd § 10 Abs. 2 BewG, wie er von der herrschenden Rspr dort derzeit verstanden wird, ist nicht möglich, da der Ansatz eines Händler­verkaufspreises als Ausgleich für die Entreicherung der Finanzstrafbehörde infolge eines unterbleibenden Verfalls nicht nur diesen Umstand ausgleicht, sondern die Behörde darüber hinaus im Vergleich zur Variante eines möglichen Verfalls bereichert.

Widerruf des Strafaufschubes, gemeinnützige Leistungen nicht vereinbarungsgemäß erbracht, sonstiger Bescheid nach dem FinStrG, Formvorschriften für Bescheide nach der BAO

  • § 56 Abs. 2 FinStrG, § 96 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 24.08.2023, RV/7300055/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Zu den Formvorschriften für sonstige Bescheide nach dem Finanzstrafgesetz wird im § 56 FinStrG auf die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung verwiesen. Im Gegensatz zu § 137 FinStrG, der die gesetzlichen Formvorgaben für Erkenntnisse enthält, ist es somit bei sonstigen Bescheiden, die amtssigniert sind, nicht erforderlich, dass ein Mitglied eines Teams der Finanzstrafbehörde, das diesen Bescheid signiert hat, namentlich genannt wird.

Jahrelange Hinterziehung von Einkommensteuer, zwischenzeitige Verjährung, Unterschied zwischen mündlich verkündeter und schriftlich mitgeteilter Ersatzfreiheitsstrafe, keine Erhöhung der Zusatzstrafe mangels Beschwerde des Amtsbeauftragten, behauptete mündlich erstattete Selbstanzeige bei der Polizei

  • § 137 FinStrG
  • BFG vom 14.09.2023, RV/3300004/2021 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Im Beschwerdefall wurde in der Niederschrift über die von der belangten Behörde durch­geführten mündlichen Verhandlungen der Spruch des angefochtenen Bescheides stichwortartig wieder­gegeben. Diese Verkündung des Bescheides - und nicht die Zustellung seiner schriftlichen Ausfertigung - ist damit […] von entscheidender Bedeutung (VwGH 06.03.1997, 95/09/0250; VwGH 19.12.2002, 2002/16/0149).

Rechtssatz 2: Ein Bescheid ist bereits mit seiner mündlichen Verkündung rechtlich existent geworden (Hinweis E 27. April 1995, 95/17/0007; E 26. September 1996, 95/09/0228; E 6. März 1997, 95/09/0250; VwGH 18.11.1998, 98/03/0207). Dabei ist für die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein mündlicher Bescheid erlassen wurde, nicht die schriftliche Bescheidausfertigung, sondern jene Urkunde entscheidend, die über den Bescheidinhalt und die Tatsache der Verkündung angefertigt wurde (vgl. VwGH 18. November 1998, 98/03/0207).

Beschlagnahme bei Gefahr im Verzug von medizinischen und diätischen Produkten innerhalb der Reisefreimenge, die allerdings zum gewerblichen Gebrauch bzw. Verkauf bestimmt waren

  • § 98 Abs. 3 FinStrG, § 89 Abs. 2 FinStrG
  • BFG vom 28.08.2023, RM/7300004/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Erste unvorbereitete Aussagen kommen der Wahrheit näher als im Zuge eines Verfahrens geänderte Verteidigungslinien (vgl. etwa die bei Tannert, FinStrG, E 71 zu § 98 FinStrG, zitierte VwGH-Rechtsprechung; VwGH 28.06.2012, 2010/16/0286).

Rechtssatz 2: Eine "Gefahr im Verzug"-Situation liegt vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde aus irgendeinem Grund gefährdet erscheint, wobei schon die geringste Gefahr zur Beschlagnahme ohne schriftlichen Auftrag ausreicht, weil der Sicherungszweck im Vordergrund steht. Eine solche Gefahrensituation liegt jedenfalls vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde verzögert würde und dadurch gefährdet wäre (z.B. VwGH 25.1.1990, 89/16/0163).

Gebühren und Verkehrsteuern

Erbübereinkommen und Rechtsgeschäftsgebühr

  • § 15 Abs. 3 GebG
  • BFG vom 03.08.2023, RV/5100468/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revisionen (Amtsrevisionen) beim VwGH anhängig zu Zl. Ra 2023/16/0121, 0123, 0124.

Werden mehrere Rechtsgeschäfte in einem Erbübereinkommen vereinbart, so ist im Regelfall ein einheitlicher Vertrag anzunehmen. Kommt es aufgrund des Erbübereinkommens zu Grundstückserwerben von Todes wegen, so fällt dieses Rechtsgeschäft unter das Grunderwerbsteuergesetz, weshalb die Befreiungs­bestimmung des § 15 Abs. 3 GebG anwendbar ist.

Eingabengebühr für eine Bescheidbeschwerde eines Journalisten in seiner eigenen Datenschutzangelegenheit: 1. Privatinteresse - 2. keine Befreiung nach § 69 Abs. 6 DSG oder Art 57 Abs. 3 DSGVO

  • § 2 Abs. 1 VwG-EGebV, § 1 Abs. 3 VwG-EGebV, Art. 57 VO 2016/679, § 14 TP 6 Abs. 1 GebG
  • BFG vom 0 4.09.2023, RV/7101466/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Die Bescheidbeschwerde eines Journalisten in seiner eigenen Datenschutzangelegenheit liegt in seinem Privatinteresse und unterliegt daher der Eingabengebühr nach § 14 TP 6 GebG iVm § 1 BuLVwG-EGebV.
Die an ein Verfahren vor der Datenschutzbehörde (Beschwerde nach § 24 DSG) anschließende Bescheid­beschwerde des Beschwerdeführers an das Bundesverwaltungsgericht (Beschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG) ist weder nach § 69 Abs. 6 DSG noch nach Art 57 Abs. 3 DSGVO von der Eingabengebühr befreit.

Ehevertrag als Vergleich i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957

  • § 14 Abs. 1 BewG 1955
  • BFG vom 13.09.2023, RV/7103181/2020 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Nach ständiger Rechtsprechung sind Vereinbarungen zwischen zukünftigen Ehegatten, welche deren Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse im Fall der Scheidung regeln, als Vergleiche i.S.d. § 33 TP 20 GebG 1957 gebührenpflichtig (vgl. VwGH 25.11.1999, 99/16/0021; 28.9.2000, 2000/16/0332; 29.7.2004, 2003/16/0117). Daran hat sich durch die Entscheidung VwGH 11.9.2018, Ra 2016/16/0110, in der ein Erb- und Pflichtteilsverzicht als gebührenfrei qualifiziert wurde, weil durch ihn lediglich Rechte und Pflichten, über deren Art und Ausmaß kein Streit geherrscht hat, abweichend vom dispositiven Recht geregelt wurden, nichts geändert. Anders als die vermögensrechtlichen Folgen einer Ehescheidung sind das gesetzliche Erbrecht und der gesetzliche Anspruch auf den Pflichtteil nämlich direkt aus dem Gesetz ableitbar und somit dem Grunde nach nicht zweifelhaft.

Rechtssatz 2: Haben die (zukünftigen) Ehegatten für den Fall der Scheidung eine Unterhaltsregelung in Form einer Generalabfindung getroffen, deren Höhe von der Dauer der Ehe im Zeitpunkt der Scheidung abhängt, und die in monatlichen Teilbeträgen zu leisten ist, handelt es sich nicht um eine Leistung von unbestimmter Dauer i.S.d. § 15 Abs. 2 BewG 1955, sondern um eine – in Raten zu begleichende – Kapitalforderung i.S.d. § 14 BewG 1955.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Palensky in BFGjournal 2023, 345

Als Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG zu qualifizierende Scheidungsfolgenvereinbarung mit der GrESt unterliegenden Liegenschaftsübertragungen ist nach § 15 Abs. 3 GebG gebührenbefreit

  • § 15 Abs. 3 GebG
  • BFG vom 09.10.2023, RV/7103934/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Auch wenn zwischen Ehegatten verwirklichte grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgänge stets als unentgeltlich gelten und als Bemessungsgrundlage der GrESt nicht die – allfällige – Gegenleistung, sondern immer der Grundstückswert anzusetzen ist, so ist für die Gebührenbefreiung nach § 15 Abs. 3 GebG weiterhin entscheidend, ob die Liegenschaftsübertragung nach dem Parteiwillen Teil einer einheitlichen Regelung mit verschiedenen Leistungspflichten ist.
Gerade bei einer gebührenrechtlich als Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG zu beurteilenden Scheidungsfolgen­vereinbarung, bei der es definitionsgemäß darauf ankommt, dass beide Vertragsparteien wechselseitig unter beiderseitigem Nachgeben einverständlich eine neue Festlegung streitiger oder zweifelhafter Rechte vor­nehmen, liegt es auf der Hand, dass die Vertragsparteien eine einheitliche Regelung anstreben und die jeweils übernommenen Leistungen (positiver Natur aber auch allfällige Verzichte) in einem Kausalitätsverhältnis stehen. Wird nach dem Urkundeninhalt eine umfassende Regelung über die Folgen der beabsichtigten Ehescheidung vorgenommen (sowohl die vermögensrechtlichen Folgen als auch der Unterhalt werden geregelt) und sollen damit alle wechselseitigen Ansprüche aus der Ehe abgegolten werden, ist die Liegenschaftsübertragung Teil eines „Gesamtpaketes“ und spricht dies dagegen, nur einen Teil der Verein­barung als unter das Grunderwerbsteuergesetz fallend zu beurteilen.

Betriebsübergabe gemäß § 3 Abs. 1 Z 2a GrEStG 1987 idgF

  • § 3 Abs. 1 Z 2a GrEStG 1987
  • BFG vom 15.11.2023, RV/7101595/2022 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Vom Gesetz ist nicht gefordert, dass der Übergeber eines landwirtschaftlichen Betriebes unmittelbar vor der Übergabe Einkünfte aus L+F im Sinne des EStG erzielen muss, damit die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 2a GrEStG 1987 idgF zur Anwendung kommen kann.

Die Befreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs 4 Z 1 GebG ist auch auf Bestandsverträge zwischen Bestandgeber und Betreibergesellschaft von Beherbergungsunternehmen als Bestandnehmerin anwendbar

  • § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG
  • BFG vom 29.11.2023, RV/7104160/2019 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Mit BGBl I Nr. 147/2017 sind sämtliche Verträge über die Miete von Wohnräumen gebühren­befreit. Der Gesetzgeber hat somit die bis zum 11. November 2017 bestehende Unterscheidung zwischen kurzfristigen (bis zu drei Monaten, § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG idF vor BGBl I Nr. 147/2017) und darüber hinaus gehenden Wohnraummietverträgen aufgegeben.
Im Lichte der historischen Interpretation geht das Bundesfinanzgericht somit davon aus, dass auch zu Beherbergungszwecken (bis zu drei Monaten) vermietete Räumlichkeiten schon bisher gebührenrechtlich als Wohnraum zu qualifizieren und somit gebührenbefreit waren und Verträge über die Miete von solchen auch nach der durch die Novelle BGBl I Nr. 147/2017 erweiterten Befreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG weiterhin gebührenbefreit bleiben.

Rechtssatz 2: Ebenso wie bei der mit BGBl I Nr. 147/2017 erfolgten Erweiterung der Befreiung auf sämtliche Mietverträge über Wohnraum das Ziel darin bestand, die Überwälzung der Nebenkosten eines Bestands­vertrages wie etwa auch die Rechtsgeschäftsgebühr auf den Mieter oder Nutzungsberechtigten zu vermeiden, war auch bereits bei der seinerzeitigen Befreiung in § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 idF vor BGBl I Nr. 147/2017 das Ziel, eine Belastung ua des Fremdenverkehrs durch Überwälzung der Rechtsgeschäftsgebühren aus (kurzfristigen) Bestandverträgen (vgl ErlRV 338 BlgNr 14. GP, S. 11) zu vermeiden.

Rechtssatz 3: Eine Unterscheidung zwischen Wohnzwecken und Beherbergungsräumlichkeiten ist der gebührenrechtlichen Befreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG fremd.

Konteneinschau

Abgabenbehördliche Konteneinschau: Bewilligung zu Unrecht

  • § 9 Abs. 2 Z 3 KontRegG, § 8 Abs. 1 Z 1 u. 2 KontRegG, § 8 Abs. 1 Z 2 KontRegG, § 9 Abs. 2 KontRegG, § 8 Abs. 1 KontRegG
  • BFG vom 13.10.2023, KR/2100003/2023 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Ist der Begründung des Auskunftsverlangens nicht zu entnehmen, welche Gründe für die Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen (nach dessen Äußerung) vorliegen, ist das Auskunfts­verlangen (und damit dessen Bewilligung) mangels "begründeter Zweifel" im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 1 KontRegG unzulässig.

Rechtssatz 2: Es ist nicht Aufgabe des Bundesfinanzgerichts, im Verfahren zur Bewilligung der abgaben­behördlichen Konteneinschau in den gemäß § 9 Abs. 2 KontRegG (oder darüberhinausgehend) vorgelegten Unterlagen Gründe für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen zu suchen; diese sind von der Abgabenbehörde zu nennen.

Rechtssatz 3: Die Bewilligung eines Auskunftsverlangens ist weiters auch unzulässig, wenn dessen Begründung nicht zu entnehmen ist, aus welchen Gründen zu erwarten ist, dass die Auskunft zu dem Konto geeignet ist, die Zweifel aufzuklären.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Rauscher in BFGjournal 2023, 348

Abgabenbehördliche Konteneinschau: Zurückweisung des Rekurses

  • § 2 KontRegG, § 8 Abs. 4 KontRegG, § 38 Abs. 1 BWG, § 9 Abs. 4 KontRegG, § 8 Abs. 1 KontRegG, § 9 Abs. 2 KontRegG
  • BFG vom 13.10.2023, KR/2100005/2023 (Zurückweisung; Revision zugelassen)

Durch das Bankgeheimnis geschützt ist der Kontoinhaber als Kunde mit Geschäftsverbindung zum Kredit­institut, nicht hingegen der Zeichnungsberechtigte (vgl. auch die Unterscheidung zwischen "Kunde" und Zeichnungsberechtigtem als "vertretungsbefugte Person" in § 2 KontRegG). Da durch die Bewilligung des Auskunftsverlangens nicht in die Rechtssphäre des (bloß zeichnungsberechtigten) Abgabepflichtigen eingegriffen wurde, gilt der Bewilligungsbeschluss als dem Abgabepflichtigen nur nachrichtlich zugestellt, weshalb sein Rekurs mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 11.04.1991, 90/06/0199, und VwGH 09.04.1992, 88/06/0190).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Rauscher in BFGjournal 2023, 348

Abgabenbehördliche Konteneinschau: Bewilligung zu Unrecht

  • § 8 Abs. 1 Z 1 KontRegG, § 9 Abs. 2 Z 3 KontRegG, § 8 Abs. 1 Z 2 KontRegG, § 8 Abs. 1 KontRegG
  • BFG vom 13.10.2023, KR/2100007/2023 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Wird das Konto/Depot des Abgabepflichtigen in der Begründung des Auskunftsverlangens – abgesehen von dem Umstand, dass es Gegenstand eines Auskunftsverlangens ist - nicht erwähnt und ist damit weder ein Bezug zu einem Sachverhalt zu erkennen noch wird begründet, warum die Auskunft zu diesem Konto/Depot geeignet ist, Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen aufzuklären, wurde die Konten­einschau zu Unrecht bewilligt.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Rauscher in BFGjournal 2023, 348

Körperschaftsteuer

Mittelbare einheitliche Leitung iSd § 9 Abs 7 KStG durch Stifter einer Privatstiftung iZm der Firmenwertabschreibung (Konzerntatbestand)

  • § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988, § 9 Abs. 7 KStG 1988, § 12 Abs. 1 Z 9 KStG 1988
  • BFG vom 03.10.2023, RV/7101397/2023 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Im Beschwerdefall wirken zwei Stifter, die auch selbstständig vertretungsbefugten Stiftungsvorstände der am Transaktionsvorgang maßgebend als Gesellschafterinnen beteiligten eigentümerlosen Privatstiftungen sind, sowohl auf Erwerber- als auch auf Verkäuferseite, wiederkehrend zusammen und üben ihren Einfluss mittelbar nach Maßgabe der vorbehaltenen Rechte durch die eigentümerlosen Privatstiftungen als Gesellschafterinnen in koordinierter Weise zumindest auf die wichtigsten Fragen der Unternehmenspolitik aus. Obwohl es sich bei Stiftungen um eigentümerlose juristische Personen handelt und Stiftern keine Gesellschafterstellung zukommt, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts das gegenständliche Vorliegen eines Konzerns iSd § 9 Abs 7 erster Anwendungsfall KStG 1988 (Konzerntatbestand) zu bejahen. Nach Arnold können sich nämlich Stifter sehr wohl Gestaltungsrechte vorbehalten, die ihnen eine zumindest gesellschafterähnliche Stellung vermitteln (vgl auch Arnold in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap. 5. Die „Beteiligung“ an einer Privatstiftung).

Nachversteuerung gemäß § 10 Abs. 5 EStG 1988 bei Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils, wenn die Wertpapiere, für die der investitionsbedingte Gewinn­freibetrag beansprucht wurde, zurückbehalten werden

  • § 10 Abs. 5 Z 1 EStG 1988
  • BFG vom 14.09.2023, RV/5100056/2023 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 5 EStG 1988 führt ein Ausscheiden der Wertpapiere aus dem Betriebsvermögen infolge Zurückbehaltung bei Veräußerung des gesamten Mitunternehmensanteils, für die ein investitionsbedingter Gewinnfreibetrag geltend gemacht wurde, vor Ablauf der Behaltefrist zu einer Nachversteuerung, der den Veräußerungsgewinn erhöht.

Zurechnung des Ergebnisses eines Gruppenmitgliedes, an der auch die Beteiligten der Beteiligungsgemeinschaft beteiligt sind

  • § 9 Abs. 6 Z 3 KStG 1988, § 9 Abs. 4 KStG 1988
  • BFG vom 07.09.2023, RV/5100003/2020 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Die in § 9 Abs. 6 Z 3 KStG 1988 vorgesehene Ergebnisaufteilung für die Beteiligten der Beteiligungs­gemeinschaft gilt nur für jene Beteiligungskörperschaft, die unmittelbar bzw. mittelbar über eine Personen­gesellschaft von den Beteiligten der Beteiligungsgemeinschaft selbst gehalten wird.
Auf unter dieser Beteiligungskörperschaft gelegene Gruppenmitglieder ist die gewöhnliche Regelung über die Ergebniszurechnung nach § 9 Abs. 4 TS 1 und TS 3 KStG 1988 anzuwenden.

Kraftfahrzeugsteuer

Keine Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer vor dem 1. April des Folgejahres

  • § 6 Abs. 4 KfzStG, § 201 BAO
  • BFG vom 13.09.2023, RV/7100566/2020 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Für Kfz-Steuerpflichtige gilt eine Bekanntgabeverpflichtung nur im Wege der Jahreserklärung (§ 6 Abs. 4 KfzStG 1992). Eine Festsetzung gem. § 201 BAO ist deshalb erst dann zulässig, wenn die Jahres­erklärungsfrist (31. März des Folgejahres) ungenützt verstrichen ist.

Normverbrauchsabgabe

NoVA-Festsetzung für die Lieferung mehrerer Fahrzeuge innerhalb eines Monates – in einem einzigen Bescheid

  • § 7 Abs. 1 Z 1 NoVAG 1991
  • BFG vom 25.09.2023, RV/7103360/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Die Normverbrauchsabgabe ist eine Monatsabgabe, weshalb die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für die Lieferung mehrerer Fahrzeuge innerhalb eines Monates in einem einzigen Bescheid – und nicht in für jedes Fahrzeug separaten Bescheiden – zu erfolgen hat.

NoVA: Vergütung für "Miet-, Taxi- und Gästewagen" setzt konzessionierte Gewerbe nach dem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz voraus

  • § 3 Z 3 NoVAG 1991, § 3 Abs. 1 GelverkG
  • BFG vom 17.10.2023, RV/2100151/2023 (Abweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Der Befreiungsbestimmung des § 3 Z 3 NoVAG 1991 unterliegt nicht jegliche Personen­beförderung durch Betriebe. Mit den Begriffen "Miet-, Taxi- und Gästewagen" stellt diese Bestimmung auf die Gewerbe nach dem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 ab.

Rechtssatz 2: Die (begrifflich an die Gewerbe des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996 anknüpfende) NoVA-Befreiungsbestimmung für "Miet-, Taxi- und Gästewagen" setzt das Vorhandensein von Konzessionen für die ausgeübten Gewerbe voraus.

Umsatzsteuer

Heranziehung einer Gesamtschuldnerin für Umsatzsteuer aus Bauleistungen nach § 19 (1a) UStG 1994 iVm § 6 (2) BAO

  • § 6 Abs. 2 BAO, § 19 Abs. 1a UStG 1994
  • BFG vom 10.08.2023, RV/7101720/2021 (Abänderung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Eine bei Bauaufträgen nach außen auftretende Miteigentumsgemeinschaft einer Liegenschaft ist aufgrund ihrer Unternehmereigenschaft Leistungsempfängerin, auf die bei Vorliegen der weiteren Voraus­setzungen des § 19 (1a) UStG 1994 die Umsatzsteuerschuld aus den Bauleistungen übergeht.
Auf die Unternehmereigenschaft der Miteigentümer kommt es für die Heranziehung zur Gesamtschuld in einem solchen Fall nicht an.

Rechtssatz 2: Weist die Miteigentumsgemeinschaft einer Liegenschaft zu Unrecht darauf hin, dass sie mit der Erbringung einer Bauleistung beauftragt wurde, liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, die Gemeinschaft, einzelne oder alle Miteigentümer als Gesamtschuldner für die Umsatzsteuer aus dieser Bauleistung heran­zuziehen.

Rechtssatz 3: Eine Gesamtschuld für Umsatzsteuer aus Bauleistungen entsteht nach Maßgabe des § 19 (1a) und (2) UStG 1994 in Höhe der zu Unrecht als Steuerschuld des Leistungsempfängers abgerechneten Umsatzsteuer.
Mit der Heranziehung eines Gesamtschuldners mittels Abgabenbescheid wird der Abgabenzahlungsanspruch gegenüber dem Bescheidadressaten realisiert (§ 6 (2) BAO).

Rechtssatz 4: Die Heranziehung von Gesamtschuldnern zur Umsatzsteuer nach § 19 (1a) UStG 1994 ist eine Maßnahme der Abgabenfestsetzung.
Als Abgabenbescheid muss das Leistungsgebot den Bestimmungen der §§ 93, 96 und 198f BAO entsprechen.

Rechtssatz 5: Die Heranziehung eines Gesamtschuldners nach § 19 (1a) UStG 1994 ist mit der zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme aushaftenden USt-Schuld aus dem betreffenden Umsatz begrenzt.
Das BFG hat bei der Überprüfung eines nach § 6 (2) BAO ergangenen Leistungsgebotes von der Sachlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung auszugehen und eine (teilweise) Tilgung dieser Umsatzsteuer nach Ergehen des angefochtenen Bescheides zu berücksichtigen.

Rechtssatz 6: In Hinblick auf die mit der Normierung eines Gesamtschuldverhältnisses in § 19 (1a) UStG 1994 verfolgten Ziele (Erweiterung der Einbringungsmöglichkeiten; Eindämmung der Gefährdung des Steuer­aufkommens in der Baubranche) ist das Erfordernis eines unrichtigen Hinweises des Leistungsempfängers auf seine Beauftragung mit der Bauleistung im Sinne seiner Mitveranlassung an der unrichtigen Anwendung des Reverse-Charge-Systems zu interpretieren.
Deren Vorliegen ist in Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus dem Gesamtbild der Verhältnisse zu ergründen.

Rechtssatz 7: Die nachträgliche Berichtigung einer zu Unrecht mit Übergang der Steuerschuld nach § 19 (1a) UStG 1994 ausgestellten Rechnung des leistenden Unternehmers hat auf die Heranziehung des Leistungs­empfängers als Gesamtschuldner keine Auswirkung.

Umsatzsteuerliche Behandlung von symbolischen Tierpatenschaften, aufgrund derer den Tierpaten diverse Vorteile gewährt werden

  • § 184 BAO, § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, § 4 Abs. 1 UStG 1994
  • BFG vom 08.11.2023, RV/6100039/2023 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Beträge, die zwar gemeinsam mit einem Leistungsentgelt entrichtet werden, jedoch nicht der Leistungs­abgeltung dienen, sondern etwa Spendencharakter tragen, werden nicht wegen der äußerlichen Verbindung mit Leistungsentgelten iSd § 4 UStG 1994 ebenfalls zu solchen (vgl Ruppe/Achatz, UStG 5. Auflage § 1 Rz 210). Zahlungen, die zum Teil Leistungsentgelt und zum Teil Spende sind, sind daher für Zwecke der Umsatzsteuer entsprechend aufzuteilen. Mangels einer diesbezüglichen Vereinbarung hat die Aufteilung im Wege der Schätzung (§ 184 BAO) in Anlehnung an die beim betreffenden Unternehmer allenfalls üblichen, ansonsten verkehrsüblichen Entgelte zu erfolgen (vgl hiezu das zum Wiener Anzeigenabgabegesetz 1983, LGBl Nr 22, ergangene Erkenntnis des VwGH vom 23.4.1993, 91/17/0145, mwN).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Borns/Mittendorfer in BFGjournal 2023, 369

1. Rechtmäßige Anwendung der Differenzbesteuerung im Gemeinschaftsgebiet führt zu keiner Erwerbsbesteuerung (Art 24 UStG 1994)
2. Versagung des Vorsteuerabzugs nur aus materiellen Gründen und nicht allein wegen Verletzung der Formvorschriften

  • Art. 24 Abs. 2 UStG 1994, § 24 Abs. 1 UStG 1994
  • BFG vom 19.09.2023, RV/7100525/2019 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Ist die Anwendung der Differenzbesteuerung im Gemeinschaftsgebiet gem. § 25a Abs. 2 Nr. 1 dUStG für den Verkauf von selbst aus dem Drittland importierten Silbermünzen nach nationalem Recht als rechtmäßig zu beurteilen, unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb für das beschwerdeführende Unternehmen gem. Art. 24 Abs. 2 UStG 1994 nicht der Umsatzsteuer.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Tumpel in BFGjournal 2023, 384

1. Vermietung und Verpachtung - Liebhaberei oder Einkunftsquelle?
2. Keine Werbungskosten und keine Vorsteuern für die von der Bf. privat genutzte Wohnung.

  • § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994, § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988, § 28 Abs. 1 Z 1 EStG 1988
  • BFG vom 28.07.2023, RV/4100471/2019 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Der Anordnung des § 12 Abs. 2 lit. a UStG 1994 iVm § 20 Abs. 1 Z 1 und 2 EStG 1988 zufolge sind in Bezug auf ein Gebäude, bei welchem einzelne Bereiche überwiegend Wohnzwecken des Unter­nehmers gewidmet sind, die Umsatzsteuern, welche auf eben diese Räume entfallen, vom Vorsteuer­ausschluss erfasst.

Rechtssatz 2: Bei außerbetrieblichen Einkünften (Vermietung und Verpachtung) ist einkommensteuerrechtlich zwingend eine Aufteilung nach den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen vorzunehmen (vgl. VwGH vom 22.05.2013, 2010/13/0067).

Unecht umsatzsteuerbefreiter Handelsvertreter: Ansatz des Vorsteuerpauschales zusätzlich zum Betriebsausgabenpauschale nicht vom Wortlaut der HandelsvertreterVO gedeckt

  • § 14 UStG 1994, § 4 Abs. 3 EStG 1988, § 17 EStG 1988
  • BFG vom 30.06.2023, RV/5100725/2022 (Abweisung; Revision zugelassen)

Ist die Tätigkeit eines Handelsvertreters unecht umsatzsteuerbefreit, so lässt der Wortlaut der HandelsvertreterVO den Ansatz eines Vorsteuerpauschales zusätzlich zum Betriebsausgabenpauschale nicht zu.

Anwendbarkeit der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte bei mangelhafter Rechnung

  • Art. 3 Abs. 8 UStG 1994
  • BFG vom 07.12.2023, RV/6100547/2015 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH 08.12.2022, C-247/21, Luxury Trust Automobil GmbH) stellt das nachträgliche Erfüllen einer für die Steuerschuldverlagerung auf den Empfänger einer Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung keine Korrektur dar. Vielmehr handelt es sich um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann. Eine rückwirkende Sanierung von Dreiecks­geschäften scheidet demnach aus.

Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte ab Ausstellung einer korrekten Rechnung

  • Art. 25 UStG 1994
  • BFG vom 07.12.2023, RV/6101039/2015 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Gemäß der Rechtsprechung des EuGH in der Rs Luxury Trust Automobil GmbH (EuGH 08.12.2022, C-247/21) kann von einer Berichtigung der Rechnung nicht die Rede sein, wenn eine Voraus­setzung für die Anwendung der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung wie die nach Art. 226 Nr. 11a der Mehrwertsteuerrichtlinie erforderliche Angabe ("Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers") fehlt.

Rechtssatz 2: Die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte ist an die Erfüllung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft. Es kann allerdings auch in Fällen wie dem gegen­ständlichen, in denen eine Tatbestandsvoraussetzung erst nach Ausführung der fraglichen Lieferungen erfüllt wird, etwa durch nachträgliche Ausstellung einer korrekten Rechnung iSd Art. 25 UStG 1994, zur ex nunc Anwendbarkeit dieser Vereinfachungsregel kommen.

Verfahrensrecht

Herabsetzung von Säumniszuschlägen nach Aufhebung der Stammabgabenbescheide

  • § 217 Abs. 8 BAO
  • BFG vom 05.09.2023, RV/5100382/2018 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Die Einbringung einer außerordentlichen Revision durch die belangte Behörde ändert nichts an der Wirksamkeit dieses Erkenntnisses, sodass die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge des § 217 Abs. 8 BAO eingetreten ist.

Keine Festsetzung von NoVA nach § 201 BAO sondern Abweisung eines NoVA-Vergütungsantrages mangels Erfüllung der Voraussetzungen

  • § 201 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 30.08.2023, RV/5100467/2023 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Ein Antrag auf Vergütung der NoVA ist abzuweisen, wenn das Finanzamt der Ansicht ist, dass die Voraus­setzungen für die Vergütung nicht vorliegen. Eine Null-Festsetzung (Festsetzungsbescheid iSd § 11 NoVAG 1991 iVm § 201 BAO) geht nach dem Erkenntnis des VwGH vom 29.09.2011, 2011/16/0128, ins Leere.

Nichtigkeit von Erledigungen, die an eine bereits vollbeendete atypisch stille Gesellschaft adressiert sind

  • § 299 BAO, § 191 Abs. 5 BAO
  • BFG vom 18.10.2023, RV/5100679/2023 (Einstellung; Revision nicht zugelassen)

Die in § 191 Abs. 5 BAO normierte Teilwirksamkeit eines Feststellungsbescheides gilt nicht, wenn sich die Nichtigkeit als Feststellungsbescheid beabsichtigter Schriftstücke aus der Adressierung an eine bereits beendete Gemeinschaft ergibt (Ritz, BAO7, § 191 Tz 14). Eine solche Teilwirksamkeit kann daher auch nicht für einen Bescheid gemäß § 299 BAO gelten.

Aussetzungszinsen: Vorlageantrag bewirkt keine Rechtswidrigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen für die Dauer des Zahlungsaufschubs bis zur Beschwerdevor­entscheidung

  • § 212a Abs. 9 BAO, § 212a Abs. 1 BAO, § 212a Abs. 5 BAO
  • BFG vom 13.09.2023, RV/2100463/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Da die Aussetzungszinsen mittelbar von der Erledigung der Beschwerden gegen die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide abhängen, kann der Beschwerdeführer für die Dauer des die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide betreffenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auch die Aussetzung der Einhebung dieser Aussetzungszinsen beantragen (ohne gegen die Aussetzungszinsen­bescheide selbst Beschwerden einzubringen).

Anspruchszinsen: Akzessorietät von Anspruchszinsenbescheiden – durch Vorlageantrag bleibt Beschwerdevorentscheidung im Rechtsbestand

  • § 205 BAO
  • BFG vom 21.09.2023, RV/2100458/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtzeitige und zulässige Vorlageanträge führen dazu, dass die Bescheidbeschwerde wieder als unerledigt gilt. Die Beschwerdevorentscheidung bleibt jedoch bis zur abschließenden Erledigung (zB durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes) im Rechtsbestand (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 264, Rz 3).
Nach der Bundesabgabenordnung tritt, anders als in § 64a AVG, mit der Vorlage der Beschwerde die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft. Zinsenrelevante Nachforderungen oder Gutschriften können sich vor allem – jeweils bezogen auf die Einkommensteuer - aus Beschwerdevorentscheidungen gem. § 262 BAO ergeben (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 205 Rz 8).

Erledigung im Mehrparteienverfahren gemäß § 97 Abs. 1 lit.a. BAO nur demgegenüber wirksam und formell rechtskräftig, dem gegenüber sie zugestellt wurde

  • § 97 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 22.09.2023, RV/7101796/2023 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Gemäß § 97 BAO Abs. 1 lit. a BAO werden Erledigungen (Erkenntnis, Bescheid) erst dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind – bei Zustellungen im Mehrparteienverfahren bedeutet das, dass sie jeder Partei zugestellt worden sein müssen.
Keine Einschränkung dazu ist die Aussage des VwGH vom 17.10.2018, Ra 2015/13/0058, dass es für die Wirksamkeit eines Erkenntnisses genüge, wenn dieses nur einer Verfahrenspartei eines Mehrparteien­verfahrens (der belangten Behörde) zugestellt werde, da dies eine präzisierende Aussage zur Frage der Legitimation der anderen Verfahrenspartei (des Beschwerdeführers) zur Erhebung einer Revision iSd § 26 Abs. 2 VwGG und keine Einschränkung zur Wirksamkeit einer zugestellten Erledigung iSd § 97 Abs. 1 lit. a BAO war.

Wirksamkeit eines Anbringens (hier: Rückzahlungsantrag) durch eine nicht (voll) handlungsfähige Person

  • § 79 BAO
  • BFG vom 15.09.2023, RV/5100799/2020 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Prozesshandlungen eines nicht Prozessfähigen sind unwirksam. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Form diese Handlung erfolgt ist (zB. mit FinanzOnline).

Rechtssatz 2: Das Finanzamt hätte erkennen müssen, dass FinanzOnline zur Stellung von Anbringen durch eine nicht handlungsfähige Person genutzt wird, zumal die mangelnde Handlungsfähigkeit durch die Mitteilung des damaligen Sachwalters bekannt war. Vom Sachwalter konnte nicht verlangt werden, zusätzlich zur Bekanntgabe seiner Sachwalterschaft auch noch die Sperrung eines FinanzOnline-Zuganges durch die besachwaltete Person zu veranlassen. Auch die Herausgabe der FinanzOnline-Zugangsdaten durch die besachwaltete Person an den Sachwalter ist weder gesetzlich vorgesehen noch realistisch durchsetzbar. Es wäre schon die Aufgabe der Finanzverwaltung gewesen zu verhindern, dass eine im Umgang mit Behörden nicht handlungsfähige Person den FinanzOnline-Zugang für Anbringen nutzt.

Verfahrensrechtliche Voraussetzungen iZm einem Lohnsteuerhaftungsverfahren nach § 82 EStG

  • § 82 EStG 1988, § 86 Abs. 2 EStG 1988, § 201 Abs. 2 Z 3 BAO
  • BFG vom 02.10.2023, RV/3101173/2015 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht es einer meritorischen Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes nicht entgegen, wenn die Namen der Arbeitnehmer, welche die strittigen Lohn­zahlungen erhalten haben, in den Bescheiden nicht angeführt werden, sofern die Haftungsinanspruchnahme für ausschließlich namentlich bekannte Arbeitnehmer erfolgte (VwGH 12.06.2019, Ro 2017/13/0016). Wurden dem Arbeitgeber jene Arbeitnehmer, für welche er haftbar gemacht wurde, nicht namentlich bekannt gegeben und war für ihn auch nicht ermittelbar, welche konkreten unrichtig versteuerten Vorteile aus dem Dienst­verhältnis jene (ihm nicht bekannten) Arbeitnehmer bezogen haben und ist darüber hinaus aufgrund der unklaren Angaben in der Bescheidbegründung nicht eindeutig erkennbar, welche Arbeitnehmer bzw welche Gruppe von Arbeitnehmern in die Berechnung des Lohnsteuerhaftungsbetrages miteinbezogen wurden, so ist der Haftungsbescheid im Falle seiner Anfechtung vom Bundesfinanzgericht ersatzlos aufzuheben.

Rechtssatz 2: Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme ist auf Festsetzungen gem § 201 Abs 2 Z 3 zweiter Fall BAO anwendbar (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 201 Tz 22). In einem Lohnsteuerhaftungsverfahren nach § 82 EStG iVm § 201 Abs 2 Z 3 zweiter Fall BAO ist es daher unerlässlich, dass die Abgabenbehörde einen klaren und schlüssigen Wiederaufnahmegrund bezeichnet. Geht aus diesem Wiederaufnahmegrund nicht deutlich oder zumindest nachvollziehbar hervor, welche bestimmten Arbeit­nehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern strittige Lohnzahlungen erhalten haben, so ist der Wieder­aufnahmegrund von der Abgabenbehörde gerade nicht entsprechend benannt worden. Dem Bundes­finanzgericht bleibt in einem solchen Fall eine Entscheidung in der Sache verwehrt.

Unzulässige Ausdehnung der Beschwerde auf Wiederaufnahmebescheide im Mängel­behebungsverfahren bei eindeutig nur gegen die Sachbescheide gerichteter Beschwerde

  • § 85 Abs. 2 BAO, § 250 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 25.10.2023, RV/3100361/2023 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Werden in einem Schriftsatz zur Mängelbehebung zusätzliche Bescheide als angefochten bezeichnet, obwohl kein Mangel der Bescheidbezeichnung vorlag, wurde gegen diese Bescheide erst mit diesem Schreiben Beschwerde erhoben und nicht schon mit dem ursprünglichen Beschwerdeschreiben. Wurde ein Mängel­behebungsauftrag erlassen, obwohl kein Mangel vorlag, kann die "Behebung" des angeblichen Mangels nicht gemäß § 85 Abs. 2 letzter Satz BAO zurückwirken.

Wiederaufnahme im Zuge einer Betriebsprüfung, nachdem zuvor bereits eine Nachschau stattgefunden hat

  • § 148 Abs. 3 BAO, § 303 Abs. 1 lit. b BAO, § 147 BAO
  • BFG vom 24.10.2023, RV/3100376/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Findet eine Außenprüfung für einen Zeitraum statt, für den bereits zuvor eine Nachschau stattgefunden hat, so stellt dies keine unzulässige Wiederholungsprüfung im Sinne des § 148 Abs. 3 BAO dar, da diese Bestimmung rein formell darauf abstellt, ob für dieselbe Abgabenart und denselben Zeitraum bereits zuvor ein Prüfungsauftrag erteilt wurde (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/16/0303).

Rechtssatz 2: Bei der Wiederaufnahme von Amts wegen aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel kommt es auf den Kenntnisstand der abgabenfestsetzenden Stelle zum Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides an, weshalb es der Wiederaufnahme grundsätzlich auch nicht entgegenstünde, wenn ein Prüforgan im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis gehabt hätte (vgl. VwGH 24.6.2009, 2007/15/0045; 27.2.2014, 2011/15/0106).

Rechtssatz 3: Die Tatsache, dass eine frühere abgabenbehördliche Prüfung ein bestimmtes Vorgehen des Abgabepflichtigen unbeanstandet ließ, hindert die Abgabenbehörde nicht daran, dasselbe Vorgehen für spätere Zeiträume als rechtswidrig zu beurteilen (VwGH 10.10.1996, 95/15/0208; 19.11.1998, 98/15/0150). Vielmehr ist die Abgabenbehörde sogar verpflichtet, von einer unrichtigen Tatsachenwürdigung oder Rechtsansicht abzugehen, sobald sie ihr Fehlverhalten erkennt.

Nichtbescheide, weil eine KG infolge Auflösung ("dissolution" einer britischen Ltd.) ihrer einzigen Komplementärin nicht mehr existierte

  • § 142 UGB, § 19 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 10.11.2023, RV/7101954/2022 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Die Löschung und Auflösung ("dissolution") einer "private limited company" nach dem Recht des Vereinigten Königreichs wirkt konstitutiv und beendet deren Rechtsfähigkeit. Hat eine inländische Personengesellschaft neben einer solchen Limited nur einen weiteren Gesellschafter, wird dieser mit der "dissolution" der Limited zum Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Hell in BFGjournal 2023, 394

Zurückweisung eines Begehrens auf Festsetzung von Umsatzsteuerzinsen für Zeiträume vor Inkraft-Treten des § 205c BAO

  • § 279 Abs. 1 BAO, § 85a BAO
  • BFG vom 06.12.2023, RV/5100613/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Die Änderungsbefugnis („nach jeder Richtung“) ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (zB VwGH 27.9.2012, 2010/16/0032; 25.4.2013, 2012/15/0161; 17.12.2020, Ra 2020/16/0137; 1.2.2021, Ra 2018/16/0121). Eine Uminterpretation des Spruches des angefochtenen Bescheides in eine Abweisung ginge über die Sachentscheidungskompetenz des Gerichts hinaus (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 11 mit Hinweis auf VwGH 29.5.2006, 2005/17/0242) und kommt somit nicht in Betracht.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Fischerlehner in BFGjournal 2023, 392

Hinweis: bei der mündlichen Verhandlung dieses Falles in Linz nahmen Studierende teil

Persönliche und sachliche Unbilligkeit

  • § 236 BAO
  • BFG vom 17.10.2023, RV/5100970/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

§ 3 Z 2 lit. b der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 verallgemeinert die zu Rechtsauskünften der zuständigen Abgabenbehörde bestehende, auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhende herrschende Auffassung (vgl. zB VwGH 22.4.2004, 2000/15/0196), weil ein Vertrauen auf im Amtsblatt der österreichischen Finanz­verwaltung (AÖF) veröffentlichte Rechtsauslegungen des Bundesministeriums für Finanzen gleichermaßen schutzwürdig erscheint. Rechtsauslegungen des Bundesministeriums für Finanzen fallen unabhängig davon unter § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005, ob sie als Richtlinien bezeichnet werden. Entscheidend ist, dass sie im AÖF veröffentlicht sind. Nicht unter § 3 Z 2 lit. b der Verordnung (BGBl. II Nr. 435/2005) fallen somit beispielsweise lediglich in Fachzeitschriften abgedruckte Einzelerledigungen, Pressemitteilungen, Stellungnahmen gegenüber dem Rechnungshof oder der Volksanwaltschaft, parlamentarische Anfrage­beantwortungen, nur im Internet (auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen) veröffentliche Informationen sowie Broschüren.
Soweit sich die beschwerdeführende Partei auf eine nur an die Finanzverwaltung gerichtete interne Information stützt, kann keine Vertrauensschutzverletzung iSd § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 vorliegen.

Zoll und Außenwirtschaft

Konsenslose Anschüttungen mit Bodenaushubmaterial und sonstigem Material außerhalb vom Ortsbereich; Feststellungsverfahren

  • § 10 ALSaG
  • BFG vom 11.09.2023, RV/7200079/2017 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Das in § 10 vorgesehene Feststellungsverfahren bezweckt die bescheidmäßige Klärung und damit die rechtswirksame Feststellung von Tatbestandsvoraussetzungen der Abgabe nach dem Altlastensanierungs­gesetz. Ein solcher Feststellungsbescheid entfaltet Bindungswirkung für das Zollamt Österreich im Rahmen der Erhebung des Altlastenbeitrages.

Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung mangels Vorliegens einer rechtswirksam eingebrachten Bescheidbeschwerde

  • § 243 BAO, § 85 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 08.08.2023, RV/7200102/2021 (Aufhebung; Revision nicht zugelassen)

Eine mittels E-Mail beim Zollamt eingebrachte „Beschwerde“ stellt keine rechtswirksam ergangene Bescheid­beschwerde gem. § 243 BAO dar. Ein solches Anbringen gilt vielmehr als nicht eingebracht. 
Nimmt das Zollamt eine derartige Eingabe dennoch in Behandlung und entscheidet trotz fehlender Bescheidbeschwerde darüber mit Beschwerdevorentscheidung, hat das Bundesfinanzgericht nach erfolgter Vorlage (§ 265 BAO) die Beschwerdevorentscheidung (ersatzlos) aufzuheben.

Festsetzung des Altlastenbeitrages nach einer unzulässigen Verfüllung

  • § 2 Abs. 4 ALSaG
  • BFG vom 07.09.2023, RV/7200056/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0169.

Beitragsschuldnerin gem. § 4 Z 3 ALSaG (in der im Beschwerdefall geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 40/2008) ist jene Person, die die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasst hat. Verwendet der von dieser Person beauftragte Unternehmer auf dem von der Auftraggeberin bestimmten Grundstück zur Verfüllung Baurest­massen mit einem auffallend hohen Störanteil, kann die Auftraggeberin die Heranziehung als Abgaben­schuldnerin nicht mit dem Argument abwenden, sie verfüge über keinerlei Fachkompetenz im Abfallrecht.

Einreihung eines Schalungssystems in die Kombinierte Nomenklatur

  • Art. 33 UZK
  • BFG vom 10.10.2023, RV/7200048/2022 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht

Schalungssysteme für Betonguss, die die Eigenschaften von Formen aufweisen sind auch dann in die Position 8480 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen, wenn sie zusätzlich mit Laufstegen, Arbeitsbühnen und Geländer ausgestattet sind.

Einreihung eines Nahrungsergänzungsmittels mit dem Wirkstoff Silymarin in die Position 2106 der KN

  • Art. 33 UZK
  • BFG vom 12.10.2023, RV/7200055/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Wenn bei der Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels im Ausmaß der empfohlenen Tagesdosierung eine derartig niedrige Menge des Wirkstoffs Silymarin aufgenommen wird, dass dadurch die für die Zuordnung zur Position 3004 der KN einreihungsmaßgebliche therapeutische oder prophylaktische Wirkung nicht erreicht wird, kommt eine Einreihung dieses Erzeugnisses als Arzneiware iSd eben angeführten Tarifposition nicht in Betracht.

Import-One-Stop-Shop

  • § 6 Abs. 4 Z 9 UStG 1994, § 25b UStG 1994
  • BFG vom 31.10.2023, RV/7200053/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Zur Inanspruchnahme der Steuerfreiheit gem. § 6 Abs. 4 Z 9 UStG bedarf es zwingend der Angabe der betreffenden gültigen Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer in der Einfuhrzollanmeldung. Nach Überlassung der eingeführten Waren ist eine nachträgliche Berücksichtigung dieser Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zum Zweck der nachträglichen Gewährung der Steuerfreiheit nicht möglich.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Schober in BFGjournal 2023, 380