BFG-Newsletter 2021/04

Familienbeihilfenanspruch für ein Folgestudienjahr bei Erreichen der ECTS-Punkte-Grenze im Vorjahr

  • § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 26 Abs. 1 FLAG 1967, § 33 Abs. 3 EStG 1988
  • BFG vom 17.08.2021, RV/3100811/2019 (teilweise Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Der Familienbeihilfenanspruch für ein Folgejahr ist im Wege einer ex-ante-Betrachtung auf Basis des bisherigen Studienerfolges zu prüfen (vgl ua VwGH 30.6.2016, Ro 2015/16/0033). Bei Vorliegen eines ausreichenden Studienerfolges im Nachweiszeitraum besteht - bei Vorliegen aller anderen Anspruchsvoraussetzungen und dem Fehlen von Ausschlussgründen - ein Anspruch auf Familienbeihilfe im Folgejahr, es sei denn, die Berufsausbildung würde vorzeitig endgültig abgebrochen (oder überhaupt nie begonnen) worden sein.

Vorliegen einer Berufsausbildung bei Besuch einer auf acht Semester angelegten Maturaausbildung (AHS-Oberstufe) und Abschluss nach zehn Semestern

  • § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967
  • BFG vom 20.08.2021, RV/3100224/2020 (Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Im Falle einer umfassenden Ausbildung zur Ablegung der Reifeprüfung tritt die quantitative Komponente gegenüber der qualitativen in den Hintergrund. Bei einer geschlossenen Ausbildung mit dem Ziel, die Reifeprüfung vollständig abzulegen, äußert sich das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um einen erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung im regelmäßigen Besuch der vorgegebenen Unterrichtsfächer sowie in der Ablegung der erforderlichen Prüfungen bzw. der Antritte zu diesen.

Rückwirkung eines Antrags auf Erhöhungsbetrag bei später festgestelltem früheren Behinderungseintritt

  • § 8 Abs. 5 FLAG 1967, § 10 Abs. 1 FLAG 1967, § 13 FLAG 1967, § 11 FLAG 1967, § 8 Abs. 4 FLAG 1967, § 10 Abs. 3 FLAG 1967
  • BFG vom 19.11.2021, RV/7102408/2021 (teilweise Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Wird der Erhöhungsbetrag rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Feststellung des Eintritts der erheblichen Behinderung durch das Sozialministeriumservice gestellt und der Erhöhungsbetrag vom Finanzamt ab diesem Zeitpunkt ausbezahlt, führt ein mit einer späteren Bescheinigung festgestellter früherer Behinderungseintritt dazu, dass der ursprüngliche Antrag insoweit wieder unerledigt ist.

Neuerlicher Antrag auf Familienbeihilfe für einen Polizeischüler

  • § 10 FLAG 1967, § 13 FLAG 1967, § 92 BAO
  • BFG vom 10.11.2021, RV/7102544/2021 (Abweisung, Revision nicht zugelassen)

Eine geänderte rechtliche Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts bei unveränderten Rechtsvorschriften ändert nichts am Vorliegen einer entschiedenen Sache. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (vgl. VwGH 26.3.2021, Ra 2020/06/0119). Geändert hat sich nach dem Erkenntniss VwGH 4.11.2020, Ra 2020/16/0039 die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts zu Polizeischülern, wobei zwar in Entsprechung dieses Erkenntnisses das Vorliegen einer Berufsausbildung und keiner Berufsausübung grundsätzlich bejaht wird, aber die Frage, ob für die Zeit der gesamten zweijährigen Polizeigrundausbildung oder nur für Teile dieser Grundausbildung Familienbeihilfe zusteht, und die Frage, ob das vom Polizeiaspiranten während der Grundausbildung erzielte Einkommen eine Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis i.S.v. § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist, vom Bundesfinanzgericht unterschiedlich beantwortet wird (vgl. dazu BFG 2.2.2021, RV/7104446/2020, Revision zu Ro 2021/16/0003 beim VwGH anhängig).

Haushaltszugehörigkeit bzw. überwiegende Unterhaltskostentragung

  • § 3 FLAG 1967, Art. 126 Austrittsabkommen Großbritannien und Nordirland, Art. 32 Abs. 1 Buchstabe d Art. 126 Austrittsabkommen Großbritannien und Nordirland, § 53 FLAG 1967, Art. 67 VO 883/2004, § 5 Abs. 3 FLAG 1967
  • BFG vom 15.10.2021, RV/7101900/2021 (Zurückverweisung, Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Die Gleichstellung des Vereinigten Königreichs mit Mitgliedstaaten der EU (Übergangszeitraum) endete gemäß Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft („Brexit-Abkommen“) mit 31.12.2020. Bis Ende 2020 war die Bf daher österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Art. 32 Abs. 1 Buchst. d des Austrittsabkommens sieht die Weitergewährung von Familienleistungen, auf die zum 31.12.2020 ein Anspruch bestanden hat, vor.

Rechtssatz 2: Sofern am 31.12.2020 ein Anspruch auf Familienleistungen in Österreich bestand, ist Art. 67 VO 883/2004 gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. d des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, solange diese Voraussetzungen erfüllt sind, weiterhin anzuwenden, sodass auf die Dauer der Anwendbarkeit dieser Regelung § 5 Abs. 3 FLAG 1967 auf einen allfälligen ständigen Aufenthalt im Vereinigten Königreich nicht anzuwenden ist.

Die Aufnahmerichtlinie verpflichtet nicht zur Gewährung von Familienleistungen an Asylwerber

  • § 3 Abs. 3 FLAG 1967, Art. 3 VO 883/2004, § 26 FLAG 1967, § 33 EStG 1988, Art. 1 VO 883/2004, Art. 70 VO 883/2004, RL 2011/95/EU, § 2 FLAG 1967, § 3 FLAG 1967, Art. 17 Abs. 5 RL 2013/33/EU, Art. 29 RL 2011/95/EU
  • BFG vom 08.10.2021, RV/7106286/2016 (Abweisung, Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 4: Unter der Gewährleistung des „angemessenen Lebensstandard“ i.S.v. RL 2013/33/EU ist, wie sich aus Art. 17 Abs. 5 RL 2013/33/EU ergibt, jener Lebensstandard zu verstehen, den die Mitgliedstaaten ihren eigenen Staatsangehörigen im Wege der sozialen und medizinischen Fürsorge, also der Sozialhilfe, sicherstellen. Andere staatliche Leistungen fallen nicht darunter.

Rechtssatz 5: Wenn unionsrechtlich nach RL 2011/95/EU die Gewährung von Familienleistungen an Personen, denen internationaler Schutz zu gewähren ist (Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte), nicht geboten ist, kann sich unionsrechtlich aus der RL 2013/33/EU für Personen, die internationalen Schutz suchen, bei denen aber noch nicht feststeht, ob ihnen internationaler Schutz zu gewähren ist (Asylwerber), nicht ein höheres Leistungsniveau als für bereits anerkannte Flüchtlinge ergeben. Ebenso wie anerkannten Flüchtlingen steht Asylwerbern unionsrechtlich kein Anspruch auf Familienleistungen zu.

Zusatztext: Das österreichische Recht gewährt über die unionsrechtliche Verpflichtung hinaus anerkannten Flüchtlingen ab der Anerkennung und unter bestimmten Voraussetzungen auch subsidiär Schutzberechtigen Familienleistungen. Das bedeutet allerdings nicht, dass nach der geltenden Rechtslage auch Asylwerbern vor Entscheidung über deren Status Familienleistungen zu gewähren sind.

Keine ernsthaft betriebene Berufsausbildung, wenn in sämtlichen Gegenständen nicht beurteilt

  • § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967
  • BFG vom 01.10.2021, RV/7101104/2021 (Abweisung, Revision nicht zugelassen)

Wird ein Schüler eines Abendgymnasiums in sämtlichen Gegenständen eines Semesters nicht beurteilt, kann nicht von einer ernsthaft betriebenen Berufsausbildung ausgegangen werden.

Bachelor- und daran anschließendes Masterstudium Humanmedizin an der Johannes Kepler Universität Linz kein langes Studium iSd § 2 Abs. 1 lit. j sublit bb FLAG 1967

  • § 2 Abs. 1 lit. j sublit. bb FLAG 1967
  • BFG vom 29.09.2021, RV/5101248/2019 (Abweisung, Revision zugelassen)

Das Masterstudium an einer Universität stellt gegenüber einem vorangegangenen Bachelorstudium ein eigenständiges Studium und eine eigene (weiterführende) Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar (VwGH 29.09.2011, 2011/16/0086).

Zusatztext: Hier: die Studienrichtung Humanmedizin an der Johannes Kepler Universität Linz

Einkommensteuer

Grenzgängereigenschaft einer Spitalsärztin mit Nachtdiensten

  • Art. 15 Abs. 6 DBA D (E, V)
  • BFG vom 06.09.2021, RV/3100178/2019 (teilweise Stattgabe, Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Die Grenzgängereigenschaft iSd Art. 15 Abs 6 DBA Deutschland geht verloren, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin während des Kalenderjahres an mehr als 45 Arbeitstagen nicht an den Wohnsitz zurückkehrt. Sind Bereitschaftsdienste in Form von Nachtdiensten zu leisten, so erstreckt sich in diesen Fällen der „Arbeitstag“ über das Tagesende hinaus. Durch die Leistung eines solchen Bereitschaftsdienstes entsteht dann kein für die Grenzgängereigenschaft schädlicher Nichtrückkehrtag, wenn nach dem Ende des Bereitschaftsdienstes der Dienst beendet ist und der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin an den Wohnort zurückkehrt. Nur wenn sich an den Bereitschaftsdienst wiederum ein weiterer Dienst anschließt, liegt eine beruflich bedingte Nichtrückkehr nach dem Ende des Arbeitstages vor.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 347

Entschädigung für Leitungsrechte bei Schottervorkommen

  • § 21 EStG 1988, § 124b Z 334 EStG 1988, § 107 Abs. 11 EStG 1988
  • BFG vom 16.08.2021, RV/7100230/2016 (Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Gemäß § 107 Abs. 11 Satz 2 EStG 1988 i. V. m. § 124b Z 334 EStG 1988 und § 107 Abs. 4 EStG 1988 sind Einkünfte gemäß § 21, § 22, § 23, § 27, § 28 oder § 29 Z 3 EStG 1988 in Zusammenhang mit dem einem Infrastrukturbetreiber eingeräumten Recht, Grund und Boden zur Errichtung und zum Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen im öffentlichen Interesse zu nutzen, in allen noch nicht rechtskräftig veranlagten Fällen in der Weise zu versteuern, dass diese mit 33% des für die Rechtseinräumung bezahlten Entgelts ohne Umsatzsteuer anzusetzen sind, es sei denn der Steuerpflichtige weist eine andere Höhe nach.

Zusatztext: Der Steuerpflichtige kann in jeder Lage des offenen Verfahrens auf die Pauschalregelung umstellen.

Einkommensteuer: Familienbonus Plus ist mit der nach dem Tarif gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 errechneten Steuer begrenzt

  • § 33 Abs. 3a Z 1 lit. a EStG 1988, § 33 Abs. 3a Z 3 lit. a EStG 1988, § 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988, § 33 Abs. 2 Z 1 EStG 1988
  • BFG vom 10.09.2021, RV/7101901/2021 (Abweisung, Revision nicht zugelassen)

Der Familienbonus Plus ist als „erster“ Absetzbetrag von der nach Tarif gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 errechneten Steuer abzuziehen (s. auch ErlRV 190 BlgNR XXVI. GP, 8). Er ist nicht negativsteuerfähig, die Wirkung ist daher mit der Höhe der Tarifsteuer begrenzt (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2021, § 33 Rz 45).

Rückerstattung der Abzugssteuer nach § 99 Abs. 1 Z. 5 EStG auf den in der Gestellungsvergütung enthaltenen Gewinn- und Gemeinkostenanteil des ausländischen Arbeitskräftegestellers

  • § 99 Abs. 1 Z 5 EStG 1988
  • BFG vom 20.09.2021, RV/7101150/2021 (Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Im Rahmen des Rückerstattungsverfahrens ist die fiktive Steuer nach den allgemeinen Grundsätzen einer ESt-Veranlagung von den im Inland steuerpflichtigen nichtselbständigen Einkünfte der Leiharbeiter zu ermitteln, wobei auch kausale Werbungskosten mit einzubeziehen sind. Als solche kommen insbesondere Kosten für Familienheimfahren bis zur Höhe des großen Pendlerpauschales und Beträge der gesetzlichen Sozialversicherung in Betracht. Die Rückerstattung der Abzugsteuer darf nur insoweit gewährt werden, als mit der verbleibenden, restlichen Abzugssteuer die fiktiv ermittelte veranlagte Einkommensteuer der Leiharbeitnehmer noch sichergestellt (abgedeckt) ist (VwGH 23.04.2021, Ra 2020/13/0089).

Hauptwohnsitzbefreiung bei der Immobilienertragsteuer

  • § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988, § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988, § 26 BAO
  • BFG vom 28.09.2021, RV/7101281/2017 (Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Hat ein Steuerpflichtiger im zu beurteilenden Zeitraum mehr als einen Wohnsitz iSd § 26 BAO, ist Hauptwohnsitz iSd § 30 Abs. 2 EStG 1988 jener Wohnsitz, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Dabei ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum jeweiligen Wohnsitz den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei idR eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln (BFG 1.8.2019, RV/1100104/2019, mit Verweis auf VwGH 25.7.2013, 2011/15/0193; VwGH 15.9.2016, Ra 2016/15/0057; VwGH 17.10.2017, Ra 2016/15/0008).

Bei teilweiser Veräußerung eines Mitunternehmeranteils (Zurückbehaltung des Sonderbetriebsvermögens) ist § 24 EStG nicht anwendbar

  • § 37 Abs. 5 EStG 1988, § 24 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, § 37 Abs. 1 EStG 1988
  • BFG vom 24.11.2021, RV/5101414/2020 (Abweisung, Revision zugelassen)

Beachte: Revision zugelassen und angekündigt.

Der Gewinn aus der Veräußerung eines prozentuellen Anteils an einer Mitunternehmerschaft gilt nicht als Veräußerungsgewinn gem. § 24 EStG wenn nicht ein bestimmter Mitunternehmeranteil - bestehend aus Gesellschaftsanteil und allfällig vorhandenes Sonderbetriebsvermögen - veräußert wird. Bei Vorhandensein eines Sonderbetriebsvermögens muss auch dieses aliquot zum Gesellschaftsanteil mitveräußert werden.
Der Mitunternehmeranteil besteht hier zwingend aus Gesellschaftsanteil UND Sonderbetriebsvermögen.
Die Veräußerung eines Betriebes bzw. Teilbetriebes ist nicht vergleichbar mit der Veräußerung eines Mitunternehmeranteiles.

Finanzstrafsachen

Abgabenhinterziehung, Scheinrechnungen, Antrag auf bedingte Strafe, Erlöschen des Strafverfolgungsanspruches der Finanzstrafbehörde gemäß § 263 Abs. 2 StPO?

  • § 26 Abs. 1 FinStrG, § 33 Abs. 1 FinStrG, § 263 Abs. 2 StPO
  • BFG vom 07.09.2021, RV/7300002/2019 (teilweise Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit einer bedingten Nachsicht nur dort vorgesehen hat, wo zufolge des Gewichtes der Straftat die Zuständigkeit der [ordentlichen] Gerichte eingreift und mit der Verurteilung ein schwerer Tadel und einschneidende Folgen verbunden sind, so hat er damit nicht unsachlich gehandelt (VfGH 5.3.1984, B 86/80). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 26 Abs. 1 FinStrG ist - solcherart verfassungsrechtlich unbedenklich – eine bedingte Strafnachsicht nur in gerichtlichen, nicht jedoch im finanzbehördlichen Finanzstrafverfahren vorgesehen.

Rechtssatz 2: Einwände in Richtung eines Erlöschens des Verfolgungsrechtes von in die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde fallenden Abgabenhinterziehungen mangels ausdrücklicher Antragstellung und Beschlussfassung im strafgerichtlichen Krida-Verfahren können nur für eine gerichtlich strafbare Tat Auswirkung haben, da die Strafprozessordnung gemäß § 1 Abs. 1 StPO das Verfahren zur Aufklärung von Straftaten, über die Verfolgung verdächtiger Personen und über damit zusammenhängende Entscheidungen regelt. Straftat im Sinne dieses Gesetzes ist jede nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung. Eine Ausdehnung einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft auf finanzstrafbehördlich zu beurteilendes strafbares Verhalten ist nicht vorgesehen.

Keine Wiederaufnahme eines Finanzstrafverfahrens aus dem Titel einer nachträglichen Änderung des dem strafbestimmenden Wertbetrages zugrunde gelegten Abgabenbetrages nach § 165 Abs.1 lit.d FinStrG, wenn lediglich von der Abgabenfestsetzung wegen Uneinbringlichkeit gemäß § 206 Abs.1 lit.b BAO Abstand genommen worden war

  • § 4 BAO, § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG
  • BFG vom 05.10.2021, RV/5300025/2019 (Abweisung, Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 2: Der Wiederaufnahmsgrund des § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG ist nicht durch den Umstand eingeschränkt, dass das Abgabenverfahren, in welchem der als Abgabenanspruch erkannte Abgabenbetrag nachträglich geändert wird, nicht einen Abgabenanspruch gegen den Finanzstraftäter selbst, sondern einen solchen gegen eine dritte Person (z.B. gegen die juristische Person, als deren Wahrnehmender der steuerlichen Interessen der Finanzstraftäter aufgetreten ist, oder gegen einen Gesellschafter) zum Gegenstand hat.

Rechtssatz 3: Wie es im Abgabenverfahren zu einer nachträglichen Änderung der Bemessungsgrundlagen bezüglich des Abgabenanspruches kommt, ist für das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes nach § 165 Abs. 1 lit. d FinStrG unerheblich (Rzeszut in Tannert/Kotschnigg/Twardosz, FinStrG § 165 Rz 41). Damit aber tatsächlich von einer derartigen Änderung der Bemessungsgrundlage für den Abgabenanspruch gesprochen werden kann, muss es hierbei auch zu einer bescheidmäßigen Änderung des festgesetzten Abgabenbetrages deswegen kommen, weil der Abgabenanspruch mit diesem Bescheid in einer anderen Höhe ermittelt wird. Eine Änderung des Zahlungsanspruches aus anderen Gründen, etwa infolge einer Nachsicht, einer Aussetzung der Einbringung, einer Abschreibung der fälligen Abgabenschuld wegen Uneinbringlichkeit, aber auch wegen einer bloßen Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung nach § 206 Abs. 1 lit. b BAO ist irrelevant.

Steuerberater als Bestimmungstäter eines von ihm vertretenen Abgabepflichtigen, Zusatzstrafe zu vorangegangener Bestrafung

  • § 11 FinStrG, § 33 Abs. 1 FinStrG
  • BFG vom 05.10.2021, RV/7300063/2020 (teilweise Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Rechtssatz 1: Einen anderen zur Tat bestimmt, wer dafür (objektiv zurechenbar) ursächlich wird, dass sich dieser andere zu ihrer Ausführung entschließt (§ 11, 2. Alt FinStrG). Dies kann auf unterschiedlichste Art und Weise erfolgen, etwa durch Drohen, Befehlen, Anordnen, aber auch durch bloßes Anheimstellen, Bitten udgl (VwGH 19.2.1987, 85/16/0083 [R 11/29]; VwGH 27.1.2012, 2010/02/0185 [R 11/3]). Jedes Mittel, das einen Handlungsentschluss eines anderen auslösen kann, ist somit als Bestimmungshandlung denkbar.

Rechtssatz 2: Einen anderen dazu bestimmen besagt, dass dies nur vorsätzlich geschehen kann (Kienapfel/Höpfel/Kert, AT 1 5, E 4 Rz 2; Köck in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, FinStrG, Band 1, 5. Aufl. (2018), § 11, Kommentar zu § 11 [Rz 12]; Öner/Schütz in Leukauf/Steininger 4, § 12 Rz 34; Winkler in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 11 Rz 46; Seiler in Praxiskommentar StGB, § 12 Rz 16; aA Triffterer, AT 2, 413; Fabrizy in WK 2, § 12 Rz 61 ff; Schmoller, ÖJZ 1983, 386 und tendenziell auch Burgstaller, RZ 1975, 29 f).

Rechtssatz 3: Der Vorsatz muss sich bei einer Bestimmung als Tatbeitrag auf die Vollendung einer strafbaren Handlung beziehen, wobei bedingter Vorsatz ausreicht. Die Straftat selbst muss sich der Bestimmungstäter nur der Art nach und in groben Umrissen vorgestellt haben (Köck in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, FinStrG, Band 1, 5. Aufl. (2018), § 11, Kommentar zu § 11 [Rz 12].

Belangter Verband im Rückfall; Ausmessung der Verbandsgeldbuße

  • § 1 Abs. 2 FinStrG, § 23 Abs. 2 und 3 FinStrG, § 2 Abs. 1 Z 1 VbVG, § 28a Abs. 2 Satz 2 FinStrG, § 23 Abs. 1 FinStrG, § 28a Abs. 2 Satz 1 FinStrG, § 3 Abs. 1 und 2 VbVG, § 41 FinStrG
  • BFG vom 15.09.2021, RV/5300007/2020 (teilweise Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

1. Gemäß § 28a Abs. 2 Satz 2 FinStrG ist die Verbandsgeldbuße nach der für das Finanzvergehen, für das der Verband verantwortlich ist, angedrohten Geldstrafe zu bemessen. Im Übrigen gelten die Bestimmungen „dieses Abschnittes“ (also desjenigen des FinStrG, in welchem die Regelung des § 28a FinStrG mit BGBl I 2005/161 eingefügt worden ist: die §§ 1 bis 52 FinStrG), soweit sie nicht ausschließlich auf natürliche Personen anwendbar sind. Auch eine Rückfallsqualifikation des belangten Verbandes nach § 41 FinStrG kommt damit in Betracht, wenn die im FinStrG formulierten Voraussetzungen beim Verband vorlägen. Insoweit ist gleichsam eine Täterschaft des Verbandes zu fingieren (vgl. Lehmkuhl/Zeder in Höpfel/Ratz, WK2 VbVG § 12 Rz 3).
2. Gemäß § 23 Abs. 2 und 3 FinStrG sind solcherart bei der Ausmessung der Geldbuße die Erschwerungs- und Milderungsgründe, unter anderem demonstrativ aufgezählt in § 5 Abs. 2 und 3 VbVG, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und zusätzlich die persönlichen Verhältnisse (etwa, ob gegebenenfalls eine dem Gemeinwohl dienende Vermögenswidmung vorgelegen wäre) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des belangten Verbandes zu berücksichtigen. Es gelten die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß. Eine nicht zur tatsächlichen Erhöhung des Strafmaßes erforderliche Rückfallsqualifikation des Verbandes ist zumindest ein Erschwerungsgrund.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 346

Umsatzsteuer

Fahrten mit Stretchlimousinen unterliegen als Personenbeförderung dem begünstigten Steuersatz nach § 10 Abs. 2 Z 6 UStG

  • § 10 Abs. 2 Z 6 UStG 1994
  • BFG vom 28.06.2021, RV/2101145/2019 (Stattgabe, Revision zugelassen)

Ein Beförderungsvertrag liegt vor, wenn zwischen dem Auftraggeber und dem Beförderungsunternehmer eine Einigung über die Beförderung von Personen (oder Gütern) von einem bestimmten Ort zu einem anderen bestimmten Ort erzielt wird. Bei einem Beförderungsvertrag erhält der Auftraggeber kein unmittelbares Verfügungsrecht über den Fahrer und das Fahrzeug. An der Beurteilung als Beförderungsleistung ändert sich dadurch nichts, dass der Leistung ein Vergnügungselement innewohnt (VwGH vom 26.1.2006, 2002/15/0069).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 356

Vorsteuerabzug bei fehlender UID-Nummer des Empfängers in Rechnungen und bei strittiger Eignung der Bezeichnung der erbrachten Leistungen eines Subunternehmers in Eingangsrechnungen

  • § 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1994
  • BFG vom 04.11.2021, RV/7102553/2020 (teilweise Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Die Angabe der UID-Nummer des Leistungsempfängers ist als unwesentlicher Rechnungsbestandteil anzusehen. Das Fehlen der UID-Nummer des Steuerpflichtigen auf Eingangsrechnungen ist daher ein lediglich formeller Mangel, der für sich allein im Sinne der ständigen, neueren Rechtsprechung des EuGH nicht zur Versagung des Vorsteuerabzuges führt. Laut EuGH 22.12.2010, C-438/09, Dankowski, RNr. 30 schadet die fehlende UID-Nummer nicht, wenn die Identifizierung sichergestellt ist. Im Sinne von EuGH 15.9.2016, C-516/14, Barlis 06, Rnr. 43 f., steht ein derartiger Mangel dem Vorsteuerabzug nicht entgegen, wenn die Steuerverwaltung über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob das Recht auf Vorsteuerabzug zusteht. Dabei darf sich die Steuerverwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken.

Rechtssatz 2: Auch wenn der EuGH teilweise von der Steuerbehörde oder der Steuerverwaltung als beurteilendem und entscheidendem Organ spricht, ist das BFG nicht auf den Wissensstand des Finanzamtes zum Zeitpunkt seiner Entscheidung eingeschränkt. Auch das, was im Verfahren vor dem BFG hervorkommt, ist zur Beurteilung der Vorsteuerberechtigung aus Eingangsrechnungen heranzuziehen. Das BFG hat nach der innerstaatlichen Organisation, welche für EU und EuGH nicht relevant ist, volle Kognitionsbefugnis.

Wenn der Lieferer bei einem B2C Geschäft sämtliche Einfuhrabgaben übernimmt und den Empfänger schadlos hält, gilt er als Einführender zum freien Verkehr

  • § 3 Abs. 9 UStG 1994, Art. 3 Abs. 3 UStG 1994, § 21 BAO
  • BFG vom 08.09.2021, RV/2100071/2020 (Abweisung, Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Der Lieferer und die von ihm beauftragte Post handeln nicht für Rechnung der Empfänger, wenn die zollrechtliche Abwicklung unabhängig von der Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer durch die Übernahme aller etwaig anfallenden Steuern und sonstiger Kosten durch den Lieferer unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für die Empfänger wirtschaftliche Auswirkungen haben konnte (siehe BFH Urteil vom 29.01.2015, V R 5/14 und BFH Urteil vom 16.06.2021, XI R 17/13). Eine Bevollmächtigung des Lieferers zur Vornahme der Einfuhr für den Empfänger ist infolge der Übernahme der Einfuhrabgaben durch den Lieferer wirkungslos. Die Einfuhr in den freien Verkehr erfolgt danach durch den Lieferer selbst, weshalb Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 zur Anwendung kommt.

Umsätze von privaten Anbietern einer allgemeinbildenden Bildungsleistung für Kinder und Jugendliche sind nach Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL) steuerfrei

  • § 6 Abs. 1 Z 11 UStG 1994, § 1 UStBLV
  • BFG vom 12.08.2021, RV/5100801/2020 (Stattgabe, Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Die Bf. erbringt als private Anbieterin mit ihrer Sprachschule eine allgemeinbildende Bildungsleistung für Kinder und Jugendliche. Die Abgabebehörde hat die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG wegen der fehlenden Zertifizierung nach § 1 Z 9 UStBLV (Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung) verwehrt. Mangels Vorliegens einer Zertifizierungsmöglichkeit von Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche konnte die Bf. eine Zertifizierung nicht vorlegen. Die Einschränkung der Befreiung des Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL auf den Katalog des § 1 UStBLV stellt eine unionsrechtswidrige Bedingung dar. Es ist am Verordnungsgeber gelegen, in der Umsatzsteuer-Bildungsleistungsverordnung (UStBLV) eine Zertifizierungsmöglichkeit von privaten Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche zu schaffen bzw. diese Verordnung rechtlich so auszugestalten, um im Rahmen der Umsetzung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine solche Befreiung der Bf. objektiv zu gewähren. Die Bf. ist daher berechtigt, sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 lit. i MwStSystRL zu berufen um damit die direkte Anwendung der Befreiung zu erreichen.

Anmerkungen: Abweichend UStR 2000 Rz 877 iVm 876

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 351

Kein Vorsteuerabzug für untergeordnet (privat) genutzten Gebäudeteil ab 1.1.2011

  • § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994, Art. 168a RL 2009/162/EU
  • BFG vom 06.09.2021, RV/3100632/2020 (Abweisung, Revision zugelassen)

Folgerechtssatz (wie RV/3100010/2014-RS1)

Mit der Umsetzung der Richtlinie 2009/162/EU (§ 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994) darf bei Ausgaben im Zusammenhang mit gemischt genutzten Gebäuden nur mehr jene Vorsteuer abgezogen werden, die auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke des Steuerpflichtigen entfällt, womit sich ab 1.1.2011 nach der MwStSyst-RL zwingend der Vorsteuerausschluss für alle, dh. auch für geringfügige nicht unternehmerisch genutzten Gebäudeteile ergibt.

Der Leistungsort für die reine Montage von Fassadenplatten an einem österreichischen Gebäude liegt nach § 3a Abs. 9 UStG 1994 in Österreich

  • § 3a UStG 1994, § 3a Abs. 9 UStG 1994
  • BFG vom 01.02.2021, RV/2101147/2020 (Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Beauftragt ein deutscher Hersteller von Fassadenplatten ein österreichisches Unternehmen mit dem Auswechseln schadhafter Fassadenplatten an einem Einfamilienhaus in Österreich im Rahmen der Gewährleistung, dann liegt der Leistungsort der Montage gemäß § 3a Abs. 9 UStG 1994 in Österreich.

Verfahrensrecht

Höhe der Einkünfte aus der Veräußerung privater Grundstücke

  • § 300 Abs. 1 lit. a BAO, § 300 Abs. 1 lit. b BAO
  • BFG vom 23.09.2021, RV/7102574/2016 (Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Die in §§ 6, 16 BFGG normierten Grundsätze der Einfachheit, Raschheit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, die vom Bundesfinanzgericht zu beachten sind, sollten in einer Gesamtbetrachtung für ein abgekürztes Verfahren nach § 300 BAO sprechen (vgl. etwa Fischerlehner, Abgabenverfahren2, § 300 BAO Anm 5), selbst wenn damit mehrere Buchungsvorgänge am Finanzamt verbunden sein sollten.

Fehlende Mailverständigung hindert nicht die wirksame Zustellung in die DataBox

  • § 5b Abs. 2 FOnV 2006, § 98 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 28.09.2021, RV/7102314/2021 (Zurückweisung, Revision zugelassen)

Entscheidend für die Zustellung ist alleine der Zeitpunkt, in dem die Daten in der DataBox einlangen. Die zusätzliche Verständigung des Empfängers per E-Mail ist eine reine Serviceleistung, an die keine Rechtsfolge geknüpft ist. Daher berührt das Ausbleiben einer Mitteilung auch an eine gültige E-Mailadresse des FinanzOnline-Teilnehmers nicht die Wirksamkeit einer Zustellung in die DataBox.

Auswirkungen der Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides ohne Vorliegen einer objektiven Ungewissheit auf den Beginn der Verjährungsfrist der abgeleiteten Abgabe

  • § 208 Abs. 1 lit. a BAO
  • BFG vom 06.10.2021, RV/7100035/2019 (Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Eine vorläufige Erlassung eines Feststellungsbescheides ohne Vorliegen einer objektiven Ungewissheit bewirkt, dass die Verjährungsfrist für die abgeleitete Abgabe mit Ablauf des Jahres der Erlassung vorgenannten Feststellungsbescheides in Gang gesetzt wird (VwGH v. 21.10.2020, Ra 2019/15/0153).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 368

Beendigung einer GesbR nach dem GesbR-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 83/2014

  • § 1175 Abs. 1 ABGB, §§ 1216a ff ABGB, § 19 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 27.10.2021, RV/3100339/2018 (Abweisung, Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Im Fall der Auflösung sehen die §§ 1216a ff ABGB in der ab dem 1. Jänner 2015 geltenden Fassung des GesbR-Reformgesetzes, BGBl. I Nr. 83/2014, eine Liquidation der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor. Daraus ergibt sich, dass die GesbR ihre Parteifähigkeit bzw. ihre Eignung als tauglicher Bescheidadressat in Abgabenverfahren nicht mehr - wie zuvor (vgl. etwa VwGH 25.11.2002, 2002/14/0133; VwGH 24.9.2003, 98/13/0211; VwGH 30.9.2015, Ra 2014/15/0024) - bereits mit dem Zeitpunkt ihrer Auflösung, sondern erst mit (Voll-)Beendigung der Liquidation verliert. Dazu gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die vollständige Abwicklung sämtlicher Steuerverfahren.

Ein Sicherstellungsauftrag muss eine schlüssige Sachverhaltsdarstellung beinhalten

  • § 232 BAO, § 22 BAO, § 23 Abs. 1 BAO, § 22 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 08.10.2021, RV/2100282/2020 (Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Ein Sachverhalt, der sich kumulativ auf das Vorliegen von Scheinrechnungen und Missbrauch stützt, ist nicht schlüssig (siehe VwGH 27.09.1995, 96/13/0095). Danach ist eine im Abgabenbescheid kumulativ vorgenommene Beurteilung als Scheingeschäft und Gestaltungsmissbrauch methodisch verfehlt, weil ein und derselbe Sachverhalt tatsächlich nicht der Bestimmung des § 22 BAO und jener des § 23 Abs. 1 BAO gleichzeitig unterstellt werden kann.

Rechtssatz 2: Nach der Rechtsprechung ist ein Sicherstellungsauftrag zwar kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, er muss dennoch in Ansehung der Verwirklichung des Tatbestandes, an den die Abgabepflicht geknüpft wird, eine schlüssige Begründung enthalten, warum die Abgabenbehörde den Tatbestand als verwirklicht ansieht.

Keine Festsetzung mit Null gem. § 201 BAO für DB Beiträge, die nicht zu entrichten gewesen wären, wegen fehlender Abänderungsmöglichkeit von gesetzlich festgelegten Fristen durch ein Stillhalteabkommen mit dem BMF

  • § 41 FLAG 1967, § 201 BAO
  • BFG vom 03.11.2021, RV/7101441/2019 (Abweisung, Revision nicht zugelassen)

Gesetzlich festgesetzte Fristen können gem. § 110 Abs. 1 BAO, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden, auch nicht durch ein mit dem amtierenden Bundesminister für Finanzen abgeschlossenes Stillhalteabkommen (VwGH vom 02.10.2019, Ra 2019/13/0078).

Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung, Mitteilung der Änderung der bisherigen Abgabestelle unterlassen

  • § 8 Abs. 1 ZustG, § 8 Abs. 2 ZustG
  • BFG vom 30.11.2021, RV/7400148/2021 (Zurückweisung, Revision nicht zugelassen)

Nach § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Andernfalls trägt sie die Gefahr, dass die Behörde diese Änderung nicht erkennen und die Zustellung an der bisherigen Abgabestelle bewirkt werden kann, gleichgültig, wo sich die Partei tatsächlich aufgehalten hat und welche Abgabestelle für sie zu diesem Zeitpunkt sonst in Betracht gekommen wäre. Diese Rechtsprechung betrifft jene Fälle, in denen die Behörde von der Änderung bzw. Aufgabe der Abgabestelle keine Kenntnis erlangt und sich daher zu Nachforschungen über die Abgabestelle des Empfängers iSd § 8 Abs. 2 ZustG von vornherein nicht veranlasst sehen kann. In diesem Fall ist eine Zustellung nach § 8 Abs. 2 ZustG durch Hinterlegung im Akt ohne vorangegangenem Zustellversuch nicht erforderlich.

Landes- und Gemeindeabgaben, Verwaltungsstrafangelegenheiten

Ausgleichsabgabe nach dem Wiener Garagengesetz 2008

  • § 48 Abs. 1 WGarG 2008, § 54 WGarG 2008, § 4 Abs. 1 BAO, § 55 WGarG 2008,
  • BFG vom 18.11.2021, RV/7400149/2020 (Abweisung, Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Das Verwaltungsgericht hat im Allgemeinen seiner Entscheidung grundsätzlich die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen. Allerdings ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Abgabenanspruch entstanden ist, von jener Sach- und Rechtslage auszugehen, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegeben war.

Rechtssatz 2: Gemäß § 55 WGarG 2008 ist die Abgabenbehörde an eine (auch noch nicht rechtskräftige) Feststellung der Baubehörde, um wie viel die Zahl der vorgesehenen Stellplätze hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibt, gebunden. Es ist im Verfahren betreffend den Ausgleichsabgabebescheid nicht zu prüfen, ob eine Stellplatzverpflichtung besteht. Diese Prüfung ist im Bauverfahren vorzunehmen.

Rechtssatz 3: Für die Vorschreibung der Ausgleichsabgabe für nichtgeschaffene Stellplätze hat hinsichtlich der Frage der Stellplatzverpflichtung die Rechtslage, wie sie im Zeitpunkt der Baubewilligung bestanden hat, zur Anwendung zu kommen.