BFG-Newsletter 2021/03

Inhaltsverzeichnis

Beihilfen / FLAG
Einkommensteuer
Finanzstrafsachen
Kapitalertragsteuer
Körperschaftsteuer
Umgründungssteuer
Umsatzsteuer
Verfahrensrecht
Landes- und Gemeindeabgaben, Verwaltungsstrafangelegenheiten
Konteneinschau
Zoll

Beihilfen / FLAG

Durch Gerichtssachverständigen bestätigte krankheitsbedingte Studienbehinderung

  • § 115 BAO, § 2 Abs. 1 lit. b Satz 4 FLAG 1967, § 2a BAO, §§ 177 bis 181 BAO, §§ 166 f BAO, § 183 BAO, § 270 BAO, § 26 Abs. 1 FLAG 1967, § 10 FLAG 1967, § 17 Abs. 2 Z 2 StudFG, § 10 Abs. 1 FLAG 1967, § 8 Abs. 4 FLAG 1967, § 8 Abs. 6 FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, § 271 ABGB, § 278 BAO, § 177 BAO
  • BFG vom 19.05.2021, RV/7100153/2020 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Für die Berechtigung der Annahme, dass eine Berufsausbildung vorliegt, stellt das FLAG 1967 insofern eine gesetzliche Beweisregel auf, als für Studierende nach dem ersten Studienjahr die Ablegung bestimmter Prüfungen nachzuweisen ist.
Zusatztext: Auch bei Erreichung des geforderten Studienerfolgs im ersten Studienjahr ist für den Familien­beihilfebezug im zweiten Studienjahr Voraussetzung, dass weiterhin ernsthaft studiert wird.

Rechtssatz 4: Das Bundesfinanzgericht ist zufolge seiner amtswegigen Ermittlungspflicht nach §§ 2a, 115 BAO verpflichtet, begründeten Bedenken in Bezug auf das mögliche Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit nachzugehen, auch wenn die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – ohne entsprechende ärztliche Fachkunde – dies für nicht gegeben erachten.

Rechtssatz 5: Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, ist vom Bundes­finanzgericht von Amts wegen vorzugsweise ein für Gutachten der erforderlichen Art öffentlich bestellter Sachverständigen beizuziehen.
Zusatztext: Hier: Beiziehung eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen zur Beurteilung der Frage, ob ein Kind zu bestimmten Zeiträumen für jeweils zumindest drei Monate im Semester krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen ist, ein Studium ernsthaft und zielstrebig zu betreiben.

Berufsausbildung, Rückforderung

  • § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 33 Abs. 3 EStG 1988, § 10 Abs. 2 FLAG 1967, § 26 Abs. 1 FLAG 1967
  • BFG vom 07.06.2021, RV/6100031/2019 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Die angeführten, von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG wurden durch den Besuch des Kurses "AG 25 - KarriereChanceLehre" beim AMS nicht erfüllt, weil dessen Inhalt nicht das Erreichen eines konkreten Berufszieles war (wie dies z.B. auf eine Lehre zutrifft) und weil in dessen Rahmen keine Prüfungen (zur Evaluierung des Ausbildungserfolges) abzulegen waren.

Die Maßnahme des AMS „AG 25 - KarriereChanceLehre" ist für junge Erwachsene von 19 bis 24 Jahren konzipiert, die ihre Kompetenzen identifizieren und ihre berufliche Karriere gestalten wollen. Ziel des Kurses ist die Abklärung der Kompetenzen, Erstellung der Perspektivenplanung und Vermittlung in eine weiter­führende Qualifizierung bzw. in ein Arbeitsverhältnis.

Verlängerter Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 2 lit. f FLAG

  • § 2 Abs. 1 lit. b Satz 11 FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. f FLAG 1967, § 6 Abs. 3 FLAG 1967, § 6 Abs. 5 FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. b Satz 2 FLAG 1967
  • BFG vom 23.06.2021, RV/7101215/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Befindet sich ein Antragswerber, welcher vor Vollendung des 24. Lebensjahres den Präsenzdienst geleistet hat, im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres via Aufnahme als ordentlicher Hörer an einer Universität sowie der Absolvierung positiver Prüfungen in Berufsausbildung, so wird - ungeachtet des inner­halb des ersten Studienjahres erfolgten Abbruches des Studiums - der Verlängerungstatbestand nach § 6 Abs. 2 lit. f FLAG 1967 verwirklicht, mit der Folge, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe für eine weitere Berufsausbildung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres erhalten bleibt.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 269

Bezug von Familienbeihilfe durch den Antragsteller oder durch das Kind?

  • § 86a BAO, § 1 FOnV 2006, § 2 FOnV 2006, § 3 FOnV 2006, § 5 FOnV 2006, § 26 Abs. 1 FLAG 1967, § 85 BAO, § 10 FLAG 1967
  • BFG vom 15.08.2021, RV/7104918/2020 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Stellt jemand im Wege von FinanzOnline als Teilnehmer von FinanzOnline im eigenen Namen einen Antrag auf Familienbeihilfe für ein Kind, dessen Pflegevater er laut Antrag ist, ist das Kind laut Antrag beim Pflegevater haushaltszugehörig und trägt dieser laut Antrag die überwiegenden Unterhaltskosten, wird dem Pflegevater daraufhin Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag vom Finanzamt ausbezahlt und widerspricht der „Pflegevater“ Mitteilungen des Finanzamts, die ihn als Antragsteller und Beihilfebezieher ausweisen, nicht, war der Pflegevater Bezieher der Beihilfe, auch wenn der Pflegevater zugleich Sachwalter bzw. Erwachsenenvertreter des Kindes ist und die Beihilfe auf ein auf das Kind lautendes Bankkonto ausbezahlt wird.

Mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit mangels Nachweis nicht erwiesen

  • § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Art. 7 Abs. 1 B-VG, § 8 Abs. 5 und 6 FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967
  • BFG vom 23.07.2021, RV/7100557/2019 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Welche Fassung des § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 (§ 6 Abs 2 lit d FLAG 1967) und damit welche Frist für den Einzelfall maßgeblich ist, ist eine Rechtsfrage, die von der Beihilfenbehörde zu beantworten ist. Die Sachverständigengutachten iSd § 8 Abs 5 und Abs 6 FLAG 1967 haben zum Gegenstand, ob nach medizinischem Fachwissen erwiesen werden kann, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit vor dem von der Beihilfenbehörde anhand der im konkreten Einzelfall maßgeblichen Fassung des § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 (§ 6 Abs 2 lit d FLAG 1967) zu bestimmenden Zeitpunkt verloren gegangen ist oder nicht. Es obliegt somit der Beihilfenbehörde, dem BASB den maßgeblichen Zeitpunkt anlässlich der Gutachtensanforderung mitzuteilen. Nach keiner Fassung des § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 kam es auf die Vollendung des 18. Lebensjahres an.

Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages vom anspruchs­berechtigten Vater bei Direktauszahlung gemäß § 14 FLAG 1967 an das Kind

  • § 14 Abs. 1 und 2 FLAG 1967
  • BFG vom 27.08.2021, RV/5100792/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Den gesetzlichen Bestimmungen des § 14 FLAG 1967 in Verbindung mit der erklärten Absicht des Gesetz­gebers ist zu entnehmen, dass dem Kind durch die eingeführte Direktzahlungsmöglichkeit kein eigener, auch nicht vom Anspruchsberechtigten abgeleiteter, Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe eingeräumt werden sollte (vgl. BFG 10.07.2017, RV/7103242/2017). Die gesetzlichen Regelungen sind so zu verstehen, dass der Zustimmungserklärung nach § 14 Abs. 2 FLAG 1967 die Funktion ähnlich einer Zahlungsanweisung zukommt, während der Anspruch nach wie vor vom dazu Berechtigten geltend zu machen ist (vgl. nochmals BFG 10.07.2017, RV/7103242/2017).

Einkommensteuer

Bilanz- und Fehlerberichtigung mit dem Ansatz von Zuschlägen im Wege der Berichtigung eines Feststellungsbescheides

  • § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988
  • BFG vom 10.05.2021, RV/1100016/2019 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Eine von der Abgabenbehörde berichtigte Bilanz ist neuerlich zu berichtigen, wenn sich diese als unrichtig erweist.

Rechtssatz 2: Eine Fehlerberichtigung durch den Ansatz von Zu- oder Abschlägen kann nicht schon im Feststellungsbescheid, sondern erst auf der Ebene der Gesellschafter im ersten nicht verjährten Veran­lagungsjahr erfolgen.

Abweisung eines Antrages auf Veranlagung (unbeschränkte Steuerpflicht), wenn keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht und eine Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig nicht in Betracht kommt

  • § 26 BAO, § 1 Abs. 4 EStG 1988, § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, § 1 EStG 1988
  • BFG vom 19.05.2021, RV/3100621/2019 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Ein Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer (§ 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988) ist abzuweisen, wenn weder unbeschränkte Steuerpflicht gegeben ist noch eine Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG 1988) in Betracht kommt.

Beurteilung des Grades der Behinderung bei Zöliakie und (anderen) geringfügigen Funktionsstörungen

  • Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010; § 35 EStG 1988
  • BFG vom 30.06.2021, RV/3100191/2021 (Abänderung; Revision nicht zugelassen)

Werden vom medizinischen Gutachter neben einem Grad der Behinderung von 20 % aufgrund einer Zöliakie auch weitere Funktionseinschränkungen von jeweils 10 % festgestellt, führt dies nicht zwingend dazu, dass der für die Geltendmachung von außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt notwendige Gesamtgrad von 25 % erreicht wird.

Aufgrund der großen Entfernung außergewöhnlich hohe Aufwendungen für die Abholung und das Zurückbringen des Kindes, um das Kontaktrecht auszuüben

  • § 34 EStG 1988
  • BFG vom 04.08.2021, RV/7104316/2020 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Wenn die Ausübung der Kontaktrechte des Kindesvaters zu seinem, bei der Kindesmutter lebenden unehelichen Kind außergewöhnlich hohe Fahrtaufwendungen zur Abholung und zum Zurückbringen des Kindes verursacht, so stellen sie eine außergewöhnliche Belastung dar. Denn diese Aufwendungen erwachsen dem Kindesvater aus sittlichen Gründen zwangsläufig.

Zusatztext: Hier lag keine einvernehmliche Scheidung vor, sodass die Erkenntnisse VwGH 18.2.1999, 98/15/0036 und VwGH 23.2.2010, 2008/15/0104, welche infolge der Freiwilligkeit einer einvernehmlichen Scheidung die Zwangsläufigkeit verneinen, hier nicht einschlägig sind.

Pendlerpauschale bei Verdacht des Finanzamtes auf Fahrgemeinschaft

  • § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988
  • BFG vom 29.03.2021, RV/7104590/2020 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Fährt ein Arbeitnehmer an einem Teil der Tage allein mit dem Kraftfahrzeug zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und am anderen Teil der Tage im Rahmen einer Fahrgemeinschaft, so steht ihm das Pendler­pauschale im voller Höhe zu.
Zusatztext: Kein Werkverkehr!

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 250

Tragung von Sozialversicherungsbeiträgen des wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers durch die Gesellschaft ohne ernsthafte Vereinbarung

  • § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988
  • BFG vom 21.06.2021, RV/3100490/2019 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Von der Gesellschaft (vorerst) getragene Sozialversicherungsbeiträge des wesentlich beteiligten Gesellschafter- Geschäftsführers sind trotz Verbuchung auf dem Verrechnungskonto Teil der Bemessungs­grundlage für DB und DZ, wenn keine ernsthafte Vereinbarung besteht, dass die Sozialversicherungsbeiträge letztendlich vom Gesellschafter-Geschäftsführer getragen werden.

Alleinverdienerabsetzbetrag bei kinderlosen Paaren

  • Art. 7 B-VG, § 33 Abs. 4 EStG 1988
  • BFG vom 09.08.2021, RV/7100516/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 3: Dass Unterhaltsaufwendungen gegenüber dem Ehepartner steuerlich unbeachtlich bleiben können, entspricht der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfGH 10. Juni 1992, B 1257/91; VfGH 12. Dezember 2019, G 290/91). Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, dass keine (rechtliche) Dispositionsmöglichkeit des Mannes hinsichtlich eines Arbeitsverhältnisses der Frau gegeben sei, ist er darauf hinzuweisen, dass dies auf beide Ehepartner gleichermaßen zutrifft. Faktisch werden jedoch Dispositionen und Entscheidungen das gemeinsame Zusammenleben betreffend in einer Ehegemeinschaft regelmäßig in Abstimmung getroffen. So legt auch der Verfassungsgerichthof im Erkenntnis vom 10. Juni 1992, B 1257/91 dar, dass die Frage, ob zwischen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch besteht oder nicht, (anders als beim Kindesunterhalt) von mannigfaltigen Umständen abhängt, die weitgehend der Disposition der Ehepartner unterliegen und insofern als Sache privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos anzusehen sind. Im Erkenntnis vom 12. Dezember 1992, B 145/92 hat der Verfassungsgerichtshof – darauf Bezug nehmend – betont, dass der Gesetzgeber nicht verhalten ist, die als Folge privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos auftretende Unterhaltspflicht von Ehegatten ähnlich der Unterhaltspflicht für Kinder zu berücksichtigen. Er darf dabei jedoch die steuerliche Begünstigung des Alleinverdienerabsetzbetrages auch an andere sachliche Kriterien knüpfen (siehe VfGH 29. September 2011, G 27/11).

Dienstgeberbeitrag für wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer

  • § 22 Z 2 TS 2 EStG 1988, § 47 Abs. 2 EStG 1988, § 41 Abs. 1 FLAG 1967
  • BFG vom 17.08.2021, RV/7100343/2017 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Übt der zu mehr als 25% ("wesentlich") beteiligte Gesellschafter einer Rechtsanwalts-GmbH für mehrere Jahre die Geschäftsführung und die operative (anwaltliche) Tätigkeit der Gesellschaft aus, ist er in deren betrieb­lichen Organismus eingegliedert. Die Vergütung, die er dafür erhält, fällt unter § 22 Z. 2 TS 2 EStG 1988 und unterliegt damit dem Dienstgeberbeitrag i.S.d. § 41 FLAG 1967.

Finanzstrafsachen

Abweisung von Beschwerden gegen Bescheide der Finanzstrafbehörde, mit welchen Beschwerden gegen deren Informationsschreiben über die Konkretisierung der Verdachts­lage gegen einen Beschuldigten (nach einer Unzuständigkeitsentscheidung einer Staats­anwaltschaft) samt allgemeiner Rechtsbelehrung und Aufforderung zur Rechtfertigung als unzulässig zurückgewiesen worden sind

  • § 55 FinStrG, § 57 Abs. 3 Satz 3 FinStrG, § 115 FinStrG, § 14 Abs. 3 FinStrG, § 116 FinStrG, § 124 Abs. 1 Satz 4 FinStrG, § 57 Abs. 3 Satz 1 und 3 FinStrG, § 82 Abs. 1 Satz 3 FinStrG, § 83 Abs. 1 FinStrG, § 152 Abs. 1 Satz 2 FinStrG, § 156 Abs. 1 FinStrG, § 54 Abs. 5 FinStrG, § 33 Abs. 1 FinStrG, § 33 Abs. 2 lit. b FinStrG, § 202 Abs. 1 FinStrG, § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG, § 57 Abs. 6 Satz 1 FinStrG
  • BFG vom 28.06.2021, RV/5300003/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: § 202 Abs. 1 FinStrG bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren – wohl unter Hinweis auf diese Norm – insoweit einzustellen hat, als eine Zuständigkeit der Gerichte im Haupt­verfahren nicht gegeben wäre. Damit wissen die Verfahrensparteien, wie gefordert (vgl. bereits VwGH 29.9.2004, 2002/13/0222), dass lediglich eine verfahrensrechtliche Entscheidung gefallen ist, nicht jedoch eine Entscheidung in der Sache selbst: Der Betroffene weiß, dass sich nur eine staatliche Stelle (hier: die Staats­anwaltschaft bzw. das Schöffengericht) für unzuständig erklärt hat und das Finanzstrafverfahren vor der Finanzstrafbehörde fortgesetzt werden wird (vgl. z.B. BFG 8.3.2016, RV/5300003/2014). Eine weitere Festlegung auf eine bestimmte Art einer finanzstrafrechtlichen Würdigung des gegenständlichen Lebens­sachverhaltes im Rahmen der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit besteht nicht (vgl. Schmitt/Judmaier in Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, FinStrG II5, § 202 Rz 1).

Rechtssatz 2: Ein reaktionsloses Zuwarten der Finanzstrafbehörde auf eine spätere Rechtskraft von Bescheiden in einem korrespondierenden Steuerverfahren kommt zumal ob der unterschiedlichen Beweis­führung (in einem Steuerverfahren ist von mehreren möglichen Geschehensvarianten die wahrscheinlichste der Entscheidung zugrunde zu legen, in einem Finanzstrafverfahren ist gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes der Nachweis in objektiver und auch subjektiver Hinsicht zu führen, dass der Finanzstraftäter die ihm zum Vorwurf gemachten Taten auch tatsächlich begangen hat) und der unter­schiedlichen Bindungen (eine Bindung der Finanzstrafbehörde an Entscheidungen in korrespondierenden Steuerverfahren besteht nicht, vgl. den bereits durch BGBl 1996/421 mit Wirkung ab dem 21.8.1996 erfolgten Wegfall des damaligen § 55 FinStrG, wonach vor Durchführung der mündlichen Verhandlung des Spruch­senates oder einer Hauptverhandlung vor dem Schöffensenat eine rechtskräftige endgültige Abgabenfest­setzung vorzuliegen hatte; wohl aber besteht eine Bindung der Abgabenbehörde an schuldsprechende Entscheidungen der Finanzstrafbehörde) nicht in Betracht.

Rechtssatz 3: Informationsschreiben der Finanzstrafbehörde an einen Beschuldigten zur Mitteilung einer konkretisierten und aktualisierten Verdachtslage samt Begründung derselben, sowie einer allgemein gehaltenen Belehrung über die Rechte eines Beschuldigten und einer Aufforderung zur Rechtfertigung in einem bereits anhängigen verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren stellen keine Verfügung über eine (neuerliche) Einleitung eines Finanzstrafverfahrens dar, auch wenn sie als solche tituliert werden.
Derartige als Verständigungen über „Einleitungen“ deklarierte Schreiben der Finanzstrafbehörde dienten vielmehr dem Zweck, dem Beschuldigten zur Wahrung seines Parteiengehörs eine aktuelle Information über den Stand des gegen ihn geführten Finanzstrafverfahrens zu verschaffen, wie es auch in § 57 Abs. 3 Satz 1 und 3 FinStrG vorgesehen ist: Nach dieser Gesetzesstelle ist jeder Beschuldigte sobald wie möglich über das gegen ihn geführte (finanzstrafbehördliche) Ermittlungsverfahren und den gegen ihn bestehenden Tatverdacht sowie über seine wesentlichen Rechte im Verfahren (§§ 77, 79, 83, 84, 113, 114, 125, 151 und 152) zu informieren. Das Gleiche gilt, wenn sich durch im Zuge des Ermittlungsverfahrens hervortretende Umstände eine Änderung dieses Tatverdachtes ergibt.

Rechtssatz 4: In Finanzstrafsachen gilt ein objektiver Beschuldigtenbegriff, soll heißen, dass die Rechte eines Beschuldigten einer Person zustehen ab dem Zeitpunkt, ab welchem gegen sie wegen eines konkreten Tatverdachtes nach außen erkennbare Amtshandlungen z.B. einer Staatsanwaltschaft, einer Finanzstraf­behörde oder eines Außenprüfers einer Abgabenbehörde (ein im § 89 Abs. 2 FinStrG genannten Organes) zur Aufklärung dieses Verdachtes, unbeschadet der tatsächlichen Zuständigkeit oder Rechtsrichtigkeit, gesetzt werden (also eine Anhängigkeit im Sinne des § 14 Abs. 3 FinStrG eingetreten ist). In diesem Sinne stehen einer solchen Person die Beschuldigtenrechte auch bereits im Zuge von bloßen Vorerhebungen einer Finanzstrafbehörde zu, ohne dass schon formell ein Untersuchungsverfahren eingeleitet worden wäre (§ 82 Abs. 1 letzter Satz FinStrG).

1. Verdacht verheimlichter Einkünfte eines Zahnarztes aus einer kieferchirurgischen Tätigkeit in der Privatordination seines Bruders;
2. Beschwerden gegen die Anordnung und Durchführung einer Hausdurchsuchung und eines Auskunftsersuchens nach § 99 Abs. 6 FinStrG

  • § 94 Abs. 1 FinStrG, § 38 Abs. 2 Z 1 BWG, § 98 Abs. 4 FinStrG, § 38 Abs. 1 BWG, § 152 Abs. 1 FinStrG, § 99 Abs. 6 FinStrG, § 33 Abs. 1 FinStrG, § 93 Abs. 3 FinStrG, § 93 Abs. 2 FinStrG, § 93 Abs. 1 FinStrG
  • BFG vom 24.06.2021, RV/5300002/2020 (Abweisung bzw. Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Eine förmliche Einleitung eines finanzstrafbehördlichen Untersuchungsverfahrens ist nicht mehr Voraussetzung für ein Auskunftsersuchen nach § 99 Abs. 6 FinStrG; vielmehr kann ein solches Ersuchen auch bereits im Zuge von Vorerhebungen der Finanzstrafbehörde zur Abklärung eines finanzstrafrechtlich relevanten Sachverhaltes, von welchem sie durch Kontrollmitteilungen, Anzeigen oder aus eigener Wahr­nehmung Kenntnis erlangt hat (§ 82 Abs. 1 FinStrG), gestellt werden (siehe dazu z.B. Köck/Judmaier/Kalcher/Schmitt, FinStrG II5, § 99 Rz 24). Diese Vorerhebungen sind gemäß § 82 Abs. 1 letzter Satz FinStrG nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen.

Rechtssatz 2: Eine separate Beschwerdemöglichkeit des Beschuldigten bzw. Verdächtigen gegen die Durchführung eines tatsächlich rechtmäßig vom Spruchsenatsvorsitzenden bewilligten Auskunftsersuchens nach § 99 Abs. 6 FinStrG ist im Gesetz nicht vorgesehen; auch ein Umdeuten in eine Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist nicht möglich, ist ja dem Auskunftsersuchen gerade eine beschwerdebewehrte Verfügung des Spruchsenatsvorsitzenden vorangegangen. Maßnahmen­beschwerden sind lediglich ein subsidiär zur Anwendung gelangendes Rechtsinstrument und nicht dafür gedacht, eine verfahrensrechtliche Doppelgleisigkeit zu eröffnen.

Rechtssatz 3: 1. Ein Überschreiten des vom Spruchsenatsvorsitzenden nach § 99 Abs. 6 FinStrG gegebenen Auftrages liegt vor, wenn dem nach seinem Willen zeugenschaftlich zu befragenden informiertem Vertreter des Bankinstitutes andere Fragen gestellt werden, als nach der diesbezüglichen Umschreibung der Fragestellung in der Anordnung vorgesehen gewesen sind.
In diesem Fall läge insoweit ein Auskunftsersuchen der Finanzstrafbehörde vor, bei welchem das Bank­geheimnis im Sinne des § 38 Abs. 1 BWG nicht durchbrochen gewesen wäre.
2. Eine eigene Beschwerdeberechtigung gegen bewilligungsüberschreitende und solcherart rechtswidrige Auskunftsersuchen ist nicht vorgesehen (vgl. § 152 Abs. 1 Satz 2 FinStrG); wohl aber wären in verfassungs­konformer Interpretation derartige bewilligungslose Auskunftsersuchen denjenigen gleichzustellen, bei welchen deren Anordnung in einem Beschwerdeverfahren vor dem BFG als unzulässig festgestellt worden ist.
Ein entsprechendes Verwertungsverbot zum Nachteil des Beschuldigten (§ 99 Abs. 6 letzter Satz iVm § 98 Abs. 4 FinStrG) läge vor; dessen Verletzung wiederum mit einer Beschwerde gegen das das Verfahren abschließende Erkenntnis angefochten werden könnte (§ 152 Abs. 1 2. Halbsatz FinStrG).

Rechtssatz 4: In verfassungskonformer Auslegung (VfGH 30.6.1955, B 46/55; VfGH 13.12.1982, B 619/80; VfGH 16.3.1983, B 75/81) schließt die Anordnung einer Hausdurchsuchung die Möglichkeit einer Personendurchsuchung ein, weil es zur ordnungsgemäßen Durchführung einer Hausdurchsuchung gehört, alles zu verhindern, was geeignet wäre, den Zweck einer Hausdurchsuchung zu vereiteln, insbesondere zu verhindern, dass Gegenstände beiseitegeschafft werden, auf deren Zugriff die Hausdurchsuchung gerichtet ist.
Daraus folgt, dass auch ohne ausdrückliche Anordnung einer Personendurchsuchung eine solche im Zuge der Hausdurchsuchung vorgenommen werden darf, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit (§ 93 Abs. 3 FinStrG) davon ausgegangen werden kann, dass eine in der zu durchsuchenden Wohnung aufhältige Person gesuchte Beweismittel innehaben werde.

Mündliche Rechtsmittelanmeldung nach der mündlichen Verhandlung

  • § 150 Abs. 4 FinStrG, § 56 Abs. 2 FinStrG, §§ 85 ff BAO, § 86a BAO
  • BFG vom 27.07.2021, RV/5300009/2021 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: § 150 Abs. 4 FinStrG sieht lediglich eine Rechtsmittelanmeldung „mündlich zu Protokoll“ vor, was klar aus dem Gesetz ersichtlich nur unmittelbar nach Verkündung des Erkenntnisses gegenüber dem Verhandlungsleiter erfolgen kann. Eine mündliche Rechtsmittelanmeldung zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der einwöchigen Frist außerhalb der zum Erkenntnis führenden Spruchsenatssitzung entfaltet hingegen keine Wirkung. Die in einem Kanzleivermerk festgehaltene mündliche Erklärung der Amtsbeauf­tragten stellt demnach keine wirksame Rechtsmittelanmeldung dar (vgl. OGH 2.4.2019, 11Os26/19m zu § 284 Abs 2 StPO). Wird die Anmeldung nicht zu Protokoll erklärt, hat sie schriftlich gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG nach den Bestimmungen der §§ 85 ff BAO zu erfolgen. Eine Rechtsmittelanmeldung kann in diesem Stadium somit nicht mündlich erfolgen.

Rechtssatz 2: Für die schriftliche Anmeldung der Beschwerde sind gemäß § 56 Abs 2 FinStrG die Bestimmungen der §§ 85 ff Bundesabgabenordnung maßgeblich. § 85 BAO und § 86a BAO und die beiden aufgrund des § 86a BAO ergangenen Verordnungen BGBl II 1991/494 und BGBl II 2006/97 sehen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vor (VwGH 27.9.2012, 2012/16/0082). Daher ist ein Rechtsmittel, welches per E-Mail eingebracht wurde, nicht zurückzuweisen, sondern schlichtweg verfahrens­rechtlich nicht relevant (VwGH 25.1.2006, 2005/14/0126; 27.9.2012, 2012/16/0082; 12.8.2015, Ra 2015/16/0065; BFG 24.2.2016, RV/5300030/2014; 26.8.2016, RV/7300047/2016; 13.10.2016, RV/7103438/2016; 3.6.2017, RV/1300003/2017). Gleiches gilt für die Anmeldung einer Beschwerde (vgl. BFG 7.4.2016, RV/7300024/2015).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 294

Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, auch eine Überrechnung ist eine Form der Entrichtung der Abgaben und gilt mit dem Tag der Antragstellung als entrichtet, daher kein objektiver Tatbestand erfüllt, wenn vor Fälligkeit entrichtet wurde

  • § 211 Abs. 1 lit. g BAO, § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG
  • BFG vom 27.05.2021, RV/7300065/2020 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Die Tathandlung nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG besteht ausschließlich in der Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) der Selbstberechnungsabgaben bis zur angegebenen Frist (vgl. VwGH 5.4.2011, 2011/16/0080). Dabei ist zu beachten, dass gemäß § 211 Abs. 1 lit. g BAO Abgaben bei Überrechnung des Guthabens eines Abgabepflichtigen auf die Abgabenschuldigkeit eines anderen Abgabepflichtigen am Tag der nachweislichen Antragstellung, frühestens jedoch am Tag der Entstehung der Guthaben als entrichtet gilt, wobei infolge Prüfung des Guthabens durch das Finanzamt die Buchung am Abgabenkonto auch nach Fälligkeit erfolgen kann.

Kapitalertragsteuer

Kapitalertragsteuer: Keine verdeckte Ausschüttung der GmbH an den Gesellschafter ohne (schlüssigen) Forderungsverzicht nur aufgrund der Abschreibung einer Forderung an diesen aus bilanziellen Gründen (strenges Niederstwertprinzip)

  • § 95 Abs. 4 EStG 1988, § 95 Abs. 1 EStG 1988, § 8 Abs. 2 KStG 1988, § 198 BAO, § 224 BAO
  • BFG vom 09.04.2021, RV/2100924/2020 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Hat die GmbH eine Forderung an ihren Gesellschafter wegen Uneinbringlichkeit aus bilanziellen Gründen (strenges Niederstwertprinzip) abgeschrieben und zeigt die Abgabenbehörde keinen Umstand auf, der auf einen gleichzeitigen Forderungsverzicht der GmbH gegenüber ihrem Gesellschafter schließen lässt, so ist die Geltendmachung der Haftung für Kapitalertragsteuer wegen verdeckter Ausschüttung nicht zulässig.

Rechtssatz 2: Haftungsbescheide (§ 224 BAO) sind keine Abgabenbescheide (§ 198 BAO) (vgl. VwGH 21.10.1980, 3124/80), weshalb der Ausspruch der „Festsetzung“ unzutreffend ist.

Körperschaftsteuer

Cum-Ex-Geschäft: KESt-Rückerstattung auf Dividenden bzw. Kompensationszahlungen
Dividendenberechtigung, Zurechnung der Aktien, Übergang des wirtschaftlichen Eigentums

  • § 24 Abs. 1 BAO, § 21 Abs. 1 KStG 1988
  • BFG vom 20.07.2021, RV/7102008/2017 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Die Bf. hat vor Einlieferung der Aktien auf ihrem Depot mangels Dispositionsbefugnis weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum an den Wertpapieren erworben. Dies ergibt sich daraus, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch keinen Anspruch auf Dividendenzahlung geltend machen konnte. Aufgrund des Umstandes, dass die Wertpapiere ex Dividende auf das Depot der Bf. eingeliefert wurden, welche zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf originäre Dividendenzahlung mehr hatte, war offensichtlich, dass es sich keinesfalls um die Anweisung echter KESt-behafteter Nettodividenden durch die OeKB, sondern lediglich um Kompen­sationszahlungen ohne Dividendenanspruch, handelte, die von der Bank als Dividendenzahlungen bestätigt wurden.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 300

1. Tragung der Sozialversicherungsbeiträge für den Geschäftsführer durch die Gesellschaft, obwohl dies dem schriftlichen Geschäftsführervertrag widerspricht
2. Übernahme von Lieferverbindlichkeiten, die von den Gläubigern der Gesellschaft erlassen wurden, durch den Geschäftsführer

  • § 8 Abs. 2 Teilstrich 1 KStG 1988, § 4 Abs. 1 EStG 1988
  • BFG vom 21.07.2021, RV/7100051/2021 (teilweise Stattgabe, Revision nicht zugelassen)

Übernimmt eine GmbH die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge des Geschäftsführers als weitere Entlohnung für seine Geschäftsführungstätigkeit und erbringt damit insgesamt ein angemessenes Entgelt für ihr gegenüber erbrachte Leistungen, ist dieses Entgelt auf Seiten der Gesellschaft betrieblich veranlasst (vgl. VwGH 30.12.2020, Ra 2019/15/0126).

Liegen für die Zwischenschaltung einer OG (Offene Gesellschaft) im Konzern außer­steuerliche Gründe vor?

  • § 122 Abs. 7 WKG, § 122 Abs. 8 WKG, § 41 Abs. 1 FLAG 1967, § 23 BAO, § 22 Z 2 EStG 1988, § 22 BAO
  • BFG vom 17.08.2021, RV/4100093/2018 (Stattgabe, Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Folgerechtssatz, wie RV/4100784/2019-RS1
Dass ein Konzern, bestehend aus mehreren Gesellschaften, im Nahbereich der Muttergesellschaft eine Stabsstelle einrichtet, die als Handelsgesellschaft organisiert ist und die den Konzern gegen Entgelt, das von den Konzerngesellschaften geleistet wird, lenkt, ist bei wirtschaftlicher Betrachtung zweckmäßig, nicht ungewöhnlich und auch nicht unzulässig (vgl. Doralt, RdW 2015, 61; § 115 GmbHG).

Umgründungssteuer

Keine Umwandlung gemäß Artikel II UmgrStG, wenn das Betriebserfordernis nach § 7 Abs. 1 Z 1 am Umwandlungsstichtag nicht mehr vorliegt

  • § 4 Z 1 lit. a UmgrStG, § 4 Z 1 lit. c UmgrStG, § 9 Abs. 8 UmgrStG, § 10 UmgrStG, § 18 Abs. 6 EStG 1988, § 7 Abs. 1 UmgrStG, § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988, § 4 UmgrStG, § 7 Abs. 1 Z 2 UmgrStG
  • BFG vom 31.03.2021, RV/2101209/2019 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Wenn die umwandelnde GmbH in den Jahren, in die der Umwandlungsstichtag und der Umwandlungs­beschluss fallen, keine Umsätze mehr tätigt und folglich auch keinen nachweisbaren Betrieb mehr innehat, ist das Betriebserfordernis gemäß § 7 Abs. 1 Z1 UmgrStG nicht erfüllt.

Fingierte Rechnungen und nicht anzuerkennende Umsätze an die Tochter der GmbH können keinen auf­rechten Betrieb begründen.
Die bloße Erbringung von Nutzungseinlagen an die Tochter erfüllt das Betriebserfordernis nicht.

Umsatzsteuer

BgA (Betrieb gewerblicher Art) von KöR (Körperschaft öffentlichen Rechts): Umsatzsteuerliche Reihenleistung

Nach dem Konzept der umsatzsteuerlichen Reihenleistung kann nach Beurteilung durch das Bundes­finanzgericht auch dann von der Begründung eines BgA ausgegangen werden, wenn Aufgaben, deren Erfüllung bei eigener Wahrnehmung durch die KöR einen BgA begründen würde, einem anderen Rechtsträger übertragen werden, die Aufgabenwahrnehmung als solche jedoch weiterhin bei der KöR verbleibt und lediglich die technische Durchführung einem Dritten übertragen wird. Es ist dabei davon auszugehen, dass der Dritte an den BgA der KöR leistet und der BgA seinerseits die Leistungen an die Empfänger (Kunden) erbringt. Die von den Leistungsempfängern entrichteten Entgelte sind dabei, auch wenn sie an den Dritten entrichtet wurden, der KöR zuzurechnen. Bei der KöR ist dabei letztlich von einer unternehmerischen Tätigkeit auszugehen, was zu einer generellen Vorsteuerabzugsberechtigung führt.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 321

Mining von Kryptowährungen als steuerbefreite Leistung nach § 6 Abs 1 Z 9 lit d sublit aa UStG

  • § 6 Abs. 1 Z 9 lit. d UStG 1994
  • BFG vom 20.08.2021, RV/5100226/2021 (Abweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Das Schürfen (Mining) von Kryptowährungen (zB von Bitcoins) stellt zwar eine unter­nehmerische Tätigkeit dar, ist aber keine wirtschaftliche Tätigkeit, weil die Glücksspielkomponente überwiegt. Bei der Miningtätigkeit handelt es sich um eine irrationale Erwartung hinsichtlich des zu erwartenden Erfolges, weil dessen Wahrscheinlichkeit mit einer Lotterie vergleichbar ist. Es liegt daher ein unecht steuerbefreiter Umsatz nach § 6 Abs 1 Z 9 lit d sublit aa UStG vor, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Rechtssatz 2: Der Umtausch geschürfter Kryptowährung in andere Kryptowährungen ist analog der EuGH-Entscheidung Hedqvist (C-264/14) als unecht steuerbefreiter Umsatz nach § 6 Abs 1 Z 8 lit b UStG aufzufassen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 325

Selbständige Prostituierte – Zurechnung der Prostitutionserlöse an den Bordellinhaber

  • § 10 Steiermärkisches Prostitutionsgesetz, § 4 Abs. 1 UStG 1994
  • BFG vom 27.05.2021, RV/2100841/2019 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Für die Zurechnung von in einem Bordell erbrachten Prostitutionsumsätze aus umsatzsteuerlicher Sicht gelten die allgemeinen Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob eine Leistung dem Bordellinhaber oder den selbständigen Prostituierten zuzurechnen ist.

Entscheidend ist, ob der Unternehmer nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der das Bordell betreibt und die Ausübung der Prostitution ermöglicht.

Verfahrensrecht

Abgabenfestsetzung gemäß § 295 Abs. 4 BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2021: Anwendung der Bestimmung auch in verjährungsdurchbrechenden Fällen

  • § 295 Abs. 4 BAO
  • BFG vom 24.06.2021, RV/7101068/2021 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Rechtssatz 2: Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung der Bestimmung für die Partei die Möglichkeit geschaffen, auch nach Eintritt der Verjährung einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides, der sich auf den Nichtbescheid gestützt hat, zu stellen, gleichzeitig aber zur Vermeidung von unsachlichen Ergebnissen vorgesehen, dass der Übernahme der im (neu) erlassenen Feststellungsbescheid (bzw. Nichtfeststellungs­bescheid) getroffenen Feststellungen die Verjährung nicht entgegensteht, wenn der neue Abgaben­festsetzungsbescheid innerhalb von einem Jahr ab Aufhebung ergeht (vgl. 1109/A XXVII. GP - Initiativantrag). Der Neuregelung ist damit der Verbund der rechtlichen Möglichkeit des Abgabepflichtigen zur Beantragung der Bescheidaufhebung mit der rechtlichen Möglichkeit der Abgabenbehörde zur Erlassung eines neuen Änderungsbescheides unabhängig von einer zeitlichen Befristung durch Verjährung immanent.

Rechtssatz 3: Eine Anwendung des § 295 Abs. 4 BAO nF, die nach Eintritt der Verjährung zwar eine Aufhebung des Änderungsbescheids (§ 295 Abs. 1 BAO) auf Antrag ermöglicht, gleichzeitig aber eine (auf den Feststellungsbescheid [§ 188 BAO] gestützte) Abgabenfestsetzung mit Änderungsbescheid (§ 295 Abs. 1 BAO) nicht zulässt, ist ausgeschlossen.

Rechtssatz 4: § 295 Abs. 4 BAO nF ist nicht zu entnehmen, dass die absolute Verjährung die äußerste zeitliche Grenze der Abgabenfestsetzung bildet.

Festsetzungsverjährung bei der Kapitalertragsteuer

  • § 209 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 15.07.2021, RV/5101493/2015 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Da Verwaltungsgerichte keine Abgabenbehörden sind, stellen deren Ermittlungshandlungen im Abgaben­verfahren keine Verlängerungshandlungen dar (Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB § 209, 580). Somit stellen diese Erledigungen des Verwaltungsgerichtes keine Verlängerungshandlungen iSd. § 209 Abs. 1 BAO dar.

Beschwerde gegen die Abweisung von Aussetzungsanträgen iZm Beschwerdeverfahren betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

  • § 212a Abs. 1 BAO
  • BFG vom 29.06.2021, RV/6100006/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Ein Beschwerdeverfahren betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellt, vergleichsweise mit einem Verfahren gem. § 85 Abs. 2 BAO, ein Nebenverfahren dar, das darauf abzielt, dass das Beschwerdeverfahren in der zugrunde liegenden Abgabensache aufrecht bleibt. Ein derartiges Beschwerdeverfahren fällt daher unter den Begriff der Mittelbarkeit im Sinne des § 212a BAO, weshalb die Aussetzung der Einhebung der davon betroffenen Abgaben bewilligt werden kann.

Mündliche Rechtsmittelanmeldung nach der mündlichen Verhandlung

  • § 150 Abs. 4 FinStrG, § 56 Abs. 2 FinStrG, §§ 85 ff BAO, § 86a BAO
  • BFG vom 27.07.2021, RV/5300009/2021 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: § 150 Abs. 4 FinStrG sieht lediglich eine Rechtsmittelanmeldung „mündlich zu Protokoll“ vor, was klar aus dem Gesetz ersichtlich nur unmittelbar nach Verkündung des Erkenntnisses gegenüber dem Verhandlungsleiter erfolgen kann. Eine mündliche Rechtsmittelanmeldung zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der einwöchigen Frist außerhalb der zum Erkenntnis führenden Spruchsenatssitzung entfaltet hingegen keine Wirkung. Die in einem Kanzleivermerk festgehaltene mündliche Erklärung der Amtsbeauftragten stellt demnach keine wirksame Rechtsmittelanmeldung dar (vgl. OGH 2.4.2019, 11Os26/19m zu § 284 Abs. 2 StPO). Wird die Anmeldung nicht zu Protokoll erklärt, hat sie schriftlich gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG nach den Bestimmungen der §§ 85 ff BAO zu erfolgen. Eine Rechtsmittelanmeldung kann in diesem Stadium somit nicht mündlich erfolgen.

Rechtssatz 2: Für die schriftliche Anmeldung der Beschwerde sind gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG die Bestimmungen der §§ 85 ff Bundesabgabenordnung maßgeblich. § 85 BAO und § 86a BAO und die beiden aufgrund des § 86a BAO ergangenen Verordnungen BGBl II 1991/494 und BGBl II 2006/97 sehen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vor (VwGH 27.9.2012, 2012/16/0082). Daher ist ein Rechtsmittel, welches per E-Mail eingebracht wurde, nicht zurückzuweisen, sondern schlichtweg verfahrensrechtlich nicht relevant (VwGH 25.1.2006, 2005/14/0126; 27.9.2012, 2012/16/0082; 12.8.2015, Ra 2015/16/0065; BFG 24.2.2016, RV/5300030/2014; 26.8.2016, RV/7300047/2016; 13.10.2016, RV/7103438/2016; 3.6.2017, RV/1300003/2017). Gleiches gilt für die Anmeldung einer Beschwerde (vgl. BFG 7.4.2016, RV/7300024/2015). Schon aus diesem Grund erweist sich die per E-Mail an den Vorsitzenden des Spruchsenates, die Geschäftsstellenleiterin des Spruchsenates und die Schriftführerin im Spruchsenat gerichtete Rechtsmittelanmeldung als unwirksam.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 294

Einkünftequalifikation ist kein Spruchbestandteil

  • § 293a BAO
  • BFG vom 26.07.2021, RV/7104892/2019 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Mit dem FVwGG 2012, BGBl I Nr 14/2013 wurde mit 1. Jänner 2014 gemäß § 293a BAO ein Antragsrecht auf Bescheidberichtigung geschaffen, wenn die Angabe der Einkunftsart in der Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a BAO) eines Abgabenbescheides rechtliche Interessen der Partei (§ 78 BAO) verletzt. Aus den Gesetzesmaterialen ergibt sich, dass die Änderung primär aufgrund der Judikatur im Sozialversicherungsrecht erfolgt ist, wonach eine Bindung der Sozialversicherung an die Qualifikation der Einkünfte in Einkommensteuerbescheiden besteht (vgl VwGH 24. Jänner 2006, 2003/08/0231). Die bloße unrichtige Qualifikation unter eine Einkunftsart ist regelmäßig nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht anfechtbar (vgl in ständiger Rechtsprechung VwGH 28. November 2007, 2006/14/0057), weshalb der Gesetzgeber nunmehr bei rechtlichem Interesse der Partei (insbesondere aufgrund des Sozialversicherungsrechtes) ein Antragsrecht auf Berichtigung der Bescheidbegründung vorgesehen hat (vgl EBRV 2007 BlgNR XXIV. GP 21). Da das Antragsrecht nach § 293a BAO erst am 1. Jänner 2014 geschaffen wurde, ist die mit 17. Oktober 2011 erhobene Beschwerde seitens des Bundesfinanzgerichtes nicht in einen solchen Antrag umzudeuten. Darüber hinaus hätte über einen solchen Antrag erstmalig das zuständige Finanzamt zu entscheiden, was im Beschwerdefall nicht erfolgt ist. Beschwerdesache vor dem Bundesfinanzgericht ist somit die gegen die Qualifikation der Einkünfte aus der Tätigkeit der Organisation der Arztpraxis des Ehemannes der Beschwerdeführerin als solche aus nichtselbstständiger Arbeit gerichtete Beschwerde vom 17. Oktober 2011, die sich folglich (bloß) gegen die Begründung der Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006 bis 2009 richtete. Eine ausschließlich gegen die Begründung eines Bescheides gerichtete Bescheidbeschwerde (bzw. vormals Berufung) ist als unzulässig zurückzuweisen (vgl Ritz, BAO6, § 260 Tz 14).

Unveränderter Spruch iZm Einkünftequalifikation

  • § 209a Abs. 4 BAO
  • BFG vom 26.07.2021, RV/7100251/2012 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Dass in einem Fall wie dem Beschwerdefall eine Einkommensteuerfestsetzung zu Gunsten der Beschwerdeführerin erfolgen kann, ist sowohl vom Wortlaut als auch vom Telos des § 209a BAO erfasst. Der mit AbgÄG 2011, BGBl Nr I 2011/14, eingefügte Abs. 4 der Bestimmung soll nach den Gesetzesmaterialien nämlich gerade sicherstellen, dass auch lange andauernde Verletzungen der Entscheidungspflicht über Abgabenerklärungen für den Abgabenpflichtigen nicht zum Verlust des Rechtsanspruches auf bescheidmäßige Erledigung führen (vgl EB RV 1212 BlgNR 24. GP 30). Die Verjährung stand somit gemäß § 209a Abs. 4 BAO der bescheidmäßigen Festsetzung der Einkommensteuer nicht entgegen.

Behauptete Befangenheit eines Richters

  • § 76 Abs. 1 lit. c BAO, § 268 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 12.08.2021, AO/3100015/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Auch wenn zur Annahme einer Befangenheit grundsätzlich schon der Anschein genügt, Organwalter könnten an die von ihnen zu entscheidende Sache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten, so setzt ein solcher Anschein jedenfalls voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die aus Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, der Abgelehnte könnte sich aus persönlichen Gründen bei einer Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen; auf eine bloß subjektive Besorgnis einer Befangenheit kann eine Ablehnung nicht mit Erfolg gestützt werden. (vgl. OGH 13.09.2016, 23 Ns 1/16y)

Abweisung eines Antrages auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO

  • § 295 Abs. 4 BAO, § 295 Abs. 5 BAO
  • BFG vom 06.09.2021, RV/7102160/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Wird ein Antrag auf Aufhebung eines Bescheides gemäß § 295 Abs. 4 BAO idF. COVID-19-StMG, BGBl. I 2021/3 abgewiesen, so steht in Ansehung der Diktion des Abs. 5 erster Satz leg. cit., welche der Abgabenbehörde die Entscheidung über Aufhebungen und Änderungen nach den Abs. 1 bis 4 anheimstellt, einzig und allein die Rechtmäßigkeit der Abweisung auf dem Prüfstand des BFG.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 328

Ablehnung eines Berichterstatters und Senatsvorsitzenden

  • § 268 BAO, § 76 Abs. 1 BAO, § 272 Abs. 4 BAO
  • BFG vom 29.07.2021, AO/5100011/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Die Willensbildung innerhalb eines Kollegialorgans kann im Rahmen der vom Kollegium vorzunehmenden Beratung grundsätzlich von jedem Mitglied des Kollegiums unabhängig vom später erzielten Abstimmungsergebnis wesentlich beeinflusst werden, so dass die Nichtberücksichtigung einer auch nur bei einem Mitglied - wie immer letztlich abgestimmt worden sein mag - bestehenden Befangenheit stets die Verletzung einer Verfahrensvorschrift ist, von der nicht von vornherein gesagt werden kann, sie hätte auf das Ergebnis der Entscheidung keinesfalls einen Einfluss gehabt (vgl. VwGH 18. 1. 1983, 82/14/0092).

Rechtssatz 2: Für eine Ablehnung eines Richters genügt grundsätzlich schon der äußere Anschein einer Befangenheit, soweit hiefür zureichende Anhaltspunkte gegeben sind, denen die Eignung zukommt, aus objektiver Sicht, das heißt bei einem verständig wertenden objektiven Beurteiler, die volle Unbefangenheit des Richters in Zweifel zu ziehen.

Landes- und Gemeindeabgaben, Verwaltungsstrafangelegenheiten

1. Vollstreckungsverfügung nach einem Erkenntnis des BFG,
2. Beleidigende Schreibweise in einer Beschwerde

  • § 34 Abs. 3 AVG
  • BFG vom 14.07.2021, RV/7500400/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Der Beschwerdeführer (Bf) hat in seiner Beschwerde Mitarbeiter des Magistrats der Stadt Wien in herabwürdigender Absicht als „Hilfsarbeiter“, „Handlanger“, „Laien Hilfskräfte(r)“ und „Rechtsverdreher“ bezeichnet.
Die Einzelrichterin, die das Erkenntnis BFG 30.3.2021, RV/7500197/2021 gefällt hat, wird vom Bf in dieser Beschwerde als „sogenannte Richterin“ und „Laien Richterin“ bezeichnet. Sie habe „einen Haufen Schwachsinn formuliert“. Der Bf wirft der Richterin weiters vor, sich akademische Grade „gekauft“, also zu Unrecht erworben zu haben; den akademischen Grad „Mag.“ bezeichnet der Bf als „MAGGI“. Diese Formulierungen gehen über eine zulässige sachliche Kritik an der Behörde oder dem Verwaltungsgericht hinaus. Sie überschreiten den Rahmen zulässiger kritischer freier Meinungsäußerung.

Konteneinschau

Bewilligung einer Bankauskunft aus Anlass begründeter Zweifel an Steuererklärungen eines Abgabepflichtigen, nachdem dieser im Zuge der Verifizierung von umfangreichen Kapitalabflussmeldungen sich geweigert hat, entsprechende Bankunterlagen vorzulegen

  • § 9 KontRegG, § 147 BAO, § 8 Abs. 1 Z 1 KontRegG, § 38 Abs. 2 Z 11 BWG, § 8 KontRegG, § 8 Abs. 1 Z 3 KontRegG, § 2 Kapitalabfluss-Meldegesetz, § 143 Abs. 1 BAO, § 143 Abs. 2 BAO, § 144 BAO, § 9 Abs. 3 KontRegG, § 38 Abs. 1 BWG, § 161 Abs. 1 BAO, § 161 Abs. 2 BAO, § 9 Abs. 1 KontRegG
  • BFG vom 04.06.2021, KE/5100001/2021 (Stattgabe)

Wer im Zuge von Aufsichtsmaßnahmen nach §§ 143 ff BAO zur Verifizierung umfangreicher Kapitalabfluss­meldungen betreffend seine Person als Abgabepflichtiger trotz Ergänzungsauftrag, Bedenkenvorhalt und beständigem Andrängen des Prüfers die Vorlage der erforderlichen Bankunterlagen verweigert, indiziert gegebenenfalls begründete Zweifel an der Richtigkeit von ihm eingereichter Steuererklärungen, wodurch sich Auskunftsersuchen nach § 8 KontRegG als berechtigt erweisen können.

Bewilligung einer Konteneinschau

  • § 9 Abs. 4 KontRegG, § 9 Abs. 2 KontRegG, § 8 Abs. 4 KontRegG
  • BFG vom 09.02.2021, KR/2100001/2021 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Darüber, wer berechtigt ist, einen Rekurs gegen die Bewilligung der Konteneinschau einzu­bringen, gibt § 9 Absatz 4 Kontenregister- und Konteneinschaugesetz keine Auskunft.
Sind von einer Konteneinschau zwei Personen betroffen, etwa derjenige, im Rahmen dessen Abgaben­verfahren die Einschau beantragt wurde und derjenige, in dessen Konto die Einschau beantragt wurde, müssen beide – auch unabhängig voneinander – berechtigt sein, einen Rekurs einzubringen, um beiden Betroffenen den verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechtsschutz zu gewähren. Beide Rekurse sind analog zu § 267 BAO zu verbinden.

Rechtssatz 2: Obgleich die Anhörung des Abgabepflichtigen gem. § 9 Abs 2 Z 1 KontRegG nicht zu den explizit genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen gem. § 8 KontRegG zählt, ist der Umstand, dass gem. § 8 Abs 1 Z 1 KontRegG „begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen bestehen“ in Verbindung mit der Vorschrift des § 9 Abs 2 Z 1 KontRegG so zu lesen, dass die Konfrontation des Abgabe­pflichtigen mit der möglichen Konteneinschau eine zwingende Anwendungsvoraussetzung für die Bewilligung darstellt, da es ja um die Richtigkeit der Angaben des Abgabepflichtigen geht.

Rechtssatz 3: § 9 Abs 2 Z 1 KontRegG idF BGBl 62/2018 ist so zu verstehen, dass die Abgabenbehörde dem BFG durch die Vorlage einer Niederschrift oder eines Schriftverkehrs nachzuweisen hat, dass der Abgabe­pflichtige vom Vorhaben des Auskunftsverlangens durch die Abgabenbehörde in Kenntnis gesetzt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, die Konteneinschau durch eigene Offenlegung abzuwenden.

Rechtssatz 4: In der Ankündigung der Konteneinschau beim Konteninhaber dürfen die Zweifel an der Richtig­keit der Angaben des Abgabepflichtigen keinesfalls genannt werden. Es widerspräche der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht gem. § 48a BAO, einer anderen Person als dem Abgabepflichtigen Informationen über steuerrelevante Umstände zu geben.

Bewilligung der Konteneinschau

  • § 8 Abs. 4 KontRegG, § 8 Abs. 1 KontRegG, § 9 Abs. 2 KontRegG
  • BFG vom 09.02.2021, KR/2100002/2021 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Genau für den Fall, dass der Abgabepflichtige im Betriebsprüfungsverfahren die Vorlage von Bankauszügen verweigert und die Abgabenbehörde so nicht in der Lage ist, zu überprüfen, ob alle Einnahmen ordnungsgemäß erklärt wurden, ist nach den Erläuternden Bemerkungen (685 der Beilagen XXV.GP) die Konteneinschau vorgesehen.

Rechtssatz 2: Selbst wenn sich die Würdigung der Stellungnahme des Kontoinhabers iSd § 8 Abs 4 Kontenregister- und Konteneinschaugesetz nicht auf die zu würdigenden Umstände bezieht (in dem Fall die wirtschaftliche Verfügungsberechtigung des Abgabepflichtigen), ist eine solche Würdigung gemeinsam mit der vorgelegten Stellungnahme des Kontoinhabers ausreichend, zumal sie es dem BFG ermöglicht, die not­wendige Beurteilung der Stellungnahme selbst vorzunehmen.

Zoll

Pandemie: Verlegung der Ansässigkeit

  • § 26 BAO, § 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG
  • BFG vom 26.07.2021, RV/1200049/2020 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Der bloße – wenn auch häufige – Aufenthalt in einem Mitgliedstaat zieht nach Ansicht des BFG nicht zwangs­läufig auch eine Verlagerung der Ansässigkeit aus einem Drittstaat nach sich, sofern dauerhaft gewichtige Bindungen in einem Drittstaat beibehalten werden; vgl. BFG 5.5.2017, RV/7200179/2015; FG Düsseldorf 18.3.2011, 4 K 1954/10 Z; FG Hamburg, 18.08.2016, 4 K 99/15. So verhält es sich auch, wenn jemand – pandemiebedingt – vorübergehend seine in einem Drittstaat begründeten Arbeitspflichten von einem Mitglied­staat aus ausübt, weil die möglichen gesundheitsschädlichen Folgen durch Aufsuchen der Arbeitsstätte im Drittstaat vermieden werden sollen und die technischen Möglichkeiten eine vom drittländischen Arbeitsort unabhängige digitale Verrichtung der Arbeit auch erlauben. Auf ein Überwiegen der persönlichen Bindungen kommt es nicht an.