BFG-Newsletter 2024/02
Inhaltsverzeichnis
Einkommensteuer
Normverbrauchsabgabe, Kfz-Steuer
Finanzstrafrecht
Gebühren und Verkehrsteuern
Körperschaftsteuer / Umgründungen
Umsatzsteuer
Verfahrensrecht
Landes- und Gemeindeabgaben, Verwaltungsstrafangelegenheiten
Zoll und Außenwirtschaft
Einkommensteuer
Absetzbarkeit von Fremdfinanzierungskosten, wenn der Kredit von Familienangehörigen aufgenommen wurde
- § 16 Abs. 1 EStG 1988
- BFG vom 15.03.2024, RV/7102072/2017 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Für die Abzugsfähigkeit von Fremdfinanzierungskosten als Werbungskosten kommt es nicht darauf an, wer den Kredit aufgenommen hat, sondern dass die Kreditmittel ausschließlich zur Finanzierung der Einkunftsquelle verwendet werden und die Rückzahlung des Kredites zur Gänze aus eigenen Mitteln des Abgabepflichtigen erfolgt (hier: durch die Mieteinnahmen).
Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 Z 3 EStG - bei Rückzahlung von Pflichtbeiträgen der Ärztekammer NÖ
- § 25 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988
- BFG vom 26.03.2024, RV/7101305/2023 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Folgerechtssatz (wie RV/0803-W/11):
Werden dem Abgabepflichtigen Pflichtbeiträge, die ursprünglich von seinen nichtselbständigen Einkünften einbehalten wurden, in weiterer Folge wieder rückgezahlt, ist der Tatbestand einer Pflichtveranlagung gegeben, weshalb ein Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung auch nicht wieder zurückgenommen werden kann.
Zusatztext: Hier: Rückzahlung von Pflichtbeiträgen einer Turnusärztin.
Keine Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Z 8 lit. c EStG 1988 idF AbgÄG 2012 bei erstmaliger Vermietung einer Wohnung nach dem 31.12.2012 in einem Zinshaus
- § 16 Abs. 1 Z 8 lit. c EStG 1988
- BFG vom 20.03.2024, RV/5100046/2024 (Abweisung; Revision zugelassen)
Beachte: Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2024/15/0018.
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts bezieht sich die Wendung „Grundstück“ im § 16 Abs. 1 Z 8 lit. c EStG 1988 auf das Grundstück bzw. das Gebäude (vgl. § 30 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1988) in seiner Gesamtheit. Das bedeutet, dass dann, wenn ein Teil dieses Grundstückes bzw. Gebäudes bereits zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt wurde, eine Anwendung der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 8 lit. c EStG 1988 ausscheidet, wenn in der Folge auch andere Gebäudeteile, die bisher nicht vermietet wurden, zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen.
Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Lenhardt in BFGjournal 2024, 206
Sonderausgaben: Steuerberatungskosten iZm der Zurücklegung der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft nicht abzugsfähig
- § 18 Abs. 1 Z 6 EStG 1988
- BFG vom 26.04.2024, RV/7101467/2024 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
Der Begriff der Steuerberatungskosten im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 umfasst allgemein die Beratung und Hilfeleistung in Abgabensachen im Interesse des Abgabepflichtigen (vgl. VwGH 24.10.2002, 98/15/0094, und VwGH 28.06.2023, Ro 2023/13/0002). Dem Sinn und Zweck der Norm entsprechend handelt es sich dabei um die Beratung und Hilfeleistung in Abgabensachen, die in irgendeinem Zusammenhang mit der österreichischen Besteuerung steht. Ein solcher Zusammenhang bestünde auch für die Abklärung von Besteuerungsrechten aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen bei einem in Österreich potentiell Steuerpflichtigen. Hingegen weisen Steuerberatungskosten, die entstanden sind, um bei Zurücklegung der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft gegenüber der US-amerikanischen Steuerbehörde nachzuweisen, dass keine US-amerikanischen Besteuerungsrechte verletzt werden, einen solchen Zusammenhang nicht auf.
Einkommensteuererklärung nach erfolgter antragslosen Veranlagung
- § 41 Abs. 2 Z 2 lit. c EStG 1988
- BFG vom 17.05.2024, RV/7103144/2023 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Die Aufhebung des antragslos ergangenen Bescheides erfolgt gem. § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG sui generis und nicht gem. § 299 BAO.
Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Deutsch in BFGjournal 2024, 160
Rechtsanwaltskosten im Scheidungsverfahren sind keine außergewöhnliche Belastung
- § 34 EStG 1988
- BFG vom 05.06.2024, RV/7100977/2016 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
In einem Scheidungsverfahren gibt es vor dem Bezirksgericht keine Anwaltspflicht. Rechtsanwaltskosten in einem Scheidungsverfahren können nur dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn besondere Umstände es erforderlich machen. Dies ist eine Sachverhaltsfeststellung. Liegen keine besonderen Umstände wie komplexe Rechtsfragen vor, können Rechtsanwaltskosten in einem Scheidungsverfahren nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.
Fortbildungskosten iZm Mindset-Coaching
- § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988
- BFG vom 23.04.2024, RV/3100012/2024 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
Aufwendungen für Persönlichkeitsentwicklung können als Betriebsausgaben bzw Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn im Rahmen der ausgeübten beruflichen Betätigung eine entsprechende Schulung erforderlich ist (vgl. VwGH 25.5.2016, 2013/15/0185). Ein Mindset-Coaching, das primär auf die Förderung der allgemeinen Lebenszufriedenheit abzielt und Inhalte wie den allgemeinen beruflichen Erfolg untergeordnet behandelt, ist für eine Unternehmerin im Bereich der Physiotherapie nicht erforderlich.
Normverbrauchsabgabe, Kfz-Steuer
Oldtimer unterliegen unabhängig vom Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung nach § 34 Abs. 4 KFG nicht der NoVA
- § 2 Abs. 1 NoVAG 1991, § 2 Z 43 KFG 1967, § 34 Abs. 4 KFG 1967
- BFG vom 19.04.2024, RV/3100093/2024 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).
Wenn ein Fahrzeug die Voraussetzungen für die Einstufung als historisches Fahrzeug gemäß § 2 Z 43 KFG 1967 erfüllt, gilt es nicht als Kraftfahrzeug im Sinne des NoVAG und unterliegt daher nicht der NoVA. Weitere Bedingungen - wie insbesondere das Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung für historische Fahrzeuge gemäß § 34 Abs. 4 KFG 1967 - sind dem Gesetz nicht zu entnehmen.
1. NoVA-Pflicht eines Basisfahrzeuges mit abnehmbarem Wohncontainer als Wohnmobil (Rechtslage bis 30.6.2021)
2. Konkurrenz zwischen Lieferung und erstmaliger Zulassung im Inland
- § 2 Z 2 NoVAG 1991, § 1 Z 3 NoVAG 1991, § 1 Z 1 NoVAG 1991
- BFG vom 07.06.2024, RV/6100360/2022 (Stattgabe; Revision zugelassen)
Rechtssatz 1: Die NoVA-Pflicht aufgrund der erstmaligen Zulassung im Inland (§ 1 Z 3 lit. a NoVAG 1991) setzt voraus, dass an diesem Tag ein Kraftfahrzeug iSd § 2 NoVAG 1991 zugelassen wurde.
Rechtssatz 2: Solange die Erstzulassung im Inland kausal mit der inländischen Lieferung des Fahrzeuges durch einen Unternehmer zusammenhängt und in einem gewissen chronologischen Nahebereich zur Lieferung erfolgt, bleibt es bei der NoVA-Pflicht des liefernden Unternehmers für die Lieferung, auch wenn ihr die erstmalige Zulassung chronologisch vorausgeht.
Gegenbeweis zur Standortvermutung bei weitaus überwiegender Verwendung im Ausland erbracht
- § 82 Abs. 8 KFG 1967, § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, § 166 BAO, § 167 Abs. 2 BAO
- BFG vom 06.03.2024, RV/3100559/2018 (Stattgabe; Revision zugelassen)
Rechtssatz 1: Der Gegenbeweis gemäß § 82 Abs. 8 KFG ist jedenfalls als erbracht anzusehen, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird, wobei es keinen Unterschied macht, ob das Kraftfahrzeug überwiegend betrieblich oder privat genutzt wird (VwGH 12.11.2021, Ro 2019/16/0012; 27.9.2023, Ra 2022/15/0037).
Rechtssatz 2: Aufgrund der Grundsätze der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit von Beweismitteln sowie des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ist auch die Aussage des Beschwerdeführers ein Beweismittel, mit welchem der Gegenbeweis gemäß § 82 Abs. 8 KFG erbracht werden kann.
Finanzstrafrecht
Zustellung wird mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam. Private Schonung an der Abgabestelle auf Empfehlung des Arztes hat keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Zustellung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG
- § 17 Abs. 3 ZustG
- BFG vom 26.02.2024, RV/7300004/2024 (Zurückweisung, Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Davon, ob und wann eine gem. § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG rechtswirksam hinterlegte Sendung vom Empfänger behoben wird und ob hiebei Hindernisse auftreten, wird die Rechtswirksamkeit der Zustellung nicht abhängig gemacht. Derartige Umstände können vielmehr allenfalls nur einen Wiedereinsetzungsgrund gem. § 71 Abs. 1 Z 1 AVG bilden (VwGH 3.10.1996, 96/06/0208).
Rechtssatz 2: Es kommt nicht darauf an, ob der Empfänger auf Grund privater oder beruflicher Aktivitäten keine Zeit für die Abholung der Sendung findet (VwGH 19.9.1995, 95/14/0067, 0114). Solche Hindernisse können Wiedereinsetzungsgründe bilden (zB VwGH 24.11.1993, 93/01/0950; 3.10.1996, 96/06/0208; 20.4.1998, 98/17/0090; vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), ZustG, § 17, VI. Zeitpunkt der Zustellung [Rz 20]).
Rechtssatz 3: Die Empfehlung des Arztes, sich privat an der Abgabestelle zu Hause zu schonen hat keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Zustellung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag.
Amt für Betrugsbekämpfung hat im Finanzstrafverfahren einen Bescheid ohne Anführung der Behördenbezeichnung „als Finanzstrafbehörde“ erlassen: damit ist der Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden und war daher aufzuheben
- § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG
- BFG vom 14.03.2024, RV/7300015/2024 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)
Erlässt das Amt für Betrugsbekämpfung im Finanzstrafverfahren eine Entscheidung ohne Anführung der Behördenbezeichnung „als Finanzstrafbehörde“, wird diese Entscheidung „nur“ vom Amt für Betrugsbekämpfung, somit von einer unzuständigen Behörde erlassen, da § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG die Tätigkeit "als Finanzstrafbehörde" definiert.
Im Finanzstrafverfahren hat das ABB einen Bescheid ohne Anführung der Behördenbezeichnung „als Finanzstrafbehörde“ oder einen ähnlichen Hinweis, aus dem auf Finanzstrafagenden geschlossen werden könnte, erlassen: damit ist der Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden und war daher aufzuheben
- § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG
- BFG vom 03.06.2024, RV/7300030/2024 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)
Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung zu beheben (vgl. VwGH 10.02.2022, Ra 2021/03/0281).
Aus dem Erkenntnis des Spruchsenates ist nicht zu ersehen, dass der Spruchsenat über alle Finanzvergehen laut Stellungnahme der Amtsbeauftragten entschieden hätte. Die Entscheidung war aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung über alle vorgeworfenen Finanzvergehen zurückzuverweisen.
- § 135 Abs. 1 lit. g FinStrG
- BFG vom 26.03.2024, RV/7300011/2024 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)
Der Spruch und die Begründung sind gemäß § 135 Abs. 1 lit. g FinStrG in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung zumindest in groben Umrissen zu dokumentieren. Ein bloßer Verweis auf den Schuldspruch gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, ohne auch die dazugehörenden Zeiträume oder strafbestimmenden Wertbeträge zu erwähnen, erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen nicht.
Missglückte Selbstanzeige durch eine Verrechnungsweisung, die zwar beim damals zuständigen Finanzamt persönlich abgegeben wurde, aber in Verstoß geraten ist, somit nicht am Abgabenkonto gebucht wurde
- § 29 Abs. 2 FinStrG, § 161 Abs. 1 FinStrG, § 161 Abs. 3 FinStrG, § 28a Abs. 2 FinStrG
- BFG vom 17.04.2024, RV/3300002/2021 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Für das Vorliegen einer strafbefreienden Wirkung einer Selbstanzeige sind allein die Formalvoraussetzungen gemäß § 29 Abs. 2 und 6 FinStrG zu prüfen. Selbst wenn eine Verrechnungsweisung für die von der Selbstanzeige umfassten Abgaben beim Finanzamt persönlich abgegeben wird, diese Verrechnungsweisung – bedauerliche Weise – in Verstoß gerät, somit die fristgerechte Zahlung der relevanten Umsatzsteuer 2017 nicht am Abgabenkonto gebucht wird, steht dem Senat kein Ermessen zu, hier die strafbefreiende Entrichtung anzunehmen.
Rechtssatz 2: Eine Selbstanzeige führt nach § 29 Abs. 2 FinStrG ua nur dann zur Straffreiheit, wenn die betreffenden Beträge tatsächlich mit schuldbefreiender Wirkung entrichtet werden. Wird ein Betrag in entsprechender Höhe eingezahlt, aber mangels Verrechnungsweisung (§ 214 Abs 4 BAO) auf andere Abgabenschuldigkeiten verrechnet, sodass die entsprechende Abgabe nicht entrichtet wird, so führt dies zum Verlust der Straffreiheit (vgl VwGH 19.12.1988, 87/15/0085).
Rechtssatz 3: Das gegen den Beschuldigten anhängige Finanzstrafverfahren muss wegen derselben Sache im Sinn des § 161 Abs. 1 FinStrG eingeleitet gewesen sein, die Gegenstand des Schuldspruches ist. Es ist dem Bundesfinanzgericht verwehrt, dem Beschuldigten eine andere Tat oder ein anderes Verhalten zu unterstellen als die Finanzstrafbehörde und damit die "Sache" dieses Verfahrens auszuwechseln (vgl. VwGH 17.12.2009, 2009/16/0122).
Rechtssatz 4: Wird von einem Beschuldigten Beschwerde eingebracht, ist das angefochtene Erkenntnis auch betreffend den Spruch über den belangten Verband gemäß § 161 Abs. 3 2. Satz FinStrG (beneficium cohaesionis) zu prüfen und wie hier aufzuheben und das Verfahren einzustellen, da offenbar die Verkürzung der Vorauszahlung an Umsatzsteuer für 02/2018 bestraft werden sollte, aber der (möglicherweise so gewollte, aber explizit nicht so ausgeführte) bestrafte Verkürzungszeitraum Abgabenhinterziehungen der Voranmeldungszeiträume Jänner 2017 bis Juni 2017 im Schuldspruch nicht Deckung findet.
Beschwerde eines belangten Verbandes, der zwischen Erkenntnis des Spruchsenates und Entscheidung des BFG im Firmenbuch gelöscht wurde. Ein Rechtsnachfolger ist nicht vorhanden. Einstellung des Verfahrens.
- § 173 FinStrG
- BFG vom 17.04.2024, RV/3300004/2020 (Einstellung; Revision zugelassen)
Wird ein belangter Verband im Firmenbuch gelöscht und ist ein Rechtsnachfolger im Sinne des § 10 VbVG nicht ersichtlich, ist das Finanzstrafverfahren gegen den belangten Verband in Anlehnung an § 173 FinStrG gemäß §§ 136, 157 FinStrG einzustellen.
Zurückweisung einer Beschwerde mangels wirksamer Zustellung an den Verfahrenshilfeverteidiger
- § 77 Abs. 3 FinStrG, § 9 Abs. 3 ZustG
- BFG vom 06.05.2024, RV/7300006/2024 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)
Wurde der Beschuldigten ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben, so sind behördliche Erledigungen an diesen zuzustellen, zumal die allgemeine Vollmacht auch die Zustellvollmacht umfasst und gem. § 9 Abs 3 ZustG der Zustellbevollmächtigte als Empfänger zu bezeichnen ist.
Beschwerde des Amtsbeauftragten vom unrichtigen Amtsbeauftragten approbiert und eingebracht, Zurückweisung; interner Approbationserlass des ABB ist keine taugliche Rechtsgrundlage, einen vorhandenen (nicht verhinderten) Amtsbeauftragten auszutauschen
- § 159 FinStrG
- BFG vom 07.05.2024, RV/7300035/2023 (Zurückweisung, Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Tritt in einem Spruchsenatsverfahren ein Amtsbeauftragter auf – er führt das Untersuchungsverfahren, verfasst die Stellungnahme an den Spruchsenat und nimmt als Amtsbeauftragter an der Verhandlung teil, die Entscheidung des Spruchsenates wird auch an ihn als zuständigen Amtsbeauftragten zugestellt – so gilt gemäß § 159 FinStrG die Bestellung des Amtsbeauftragten in einem Finanzstrafverfahren auch für das Beschwerdeverfahren.
Rechtssatz 2: Dass es innerhalb des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde intern geregelte Approbationsbefugnisse gibt und allenfalls „nur“ der Teamleiter entsprechende Vorlagen von Rechtsmittel an das BFG approbieren darf, ändert nichts an der Tatsache, dass die Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Spruchsenates vom „zuständigen Amtsbeauftragten“ persönlich unterfertigt werden hätte müssen. Zur Erhebung einer Beschwerde ist der für ein bestimmtes Finanzstrafverfahren bestellte Amtsbeauftragte befugt.
Rechtssatz 3: Ein Approbationserlass ist jedenfalls nicht geeignet, die Bestimmung des § 159 FinStrG zu derogieren oder eine taugliche Rechtsgrundlage, einen vorhandenen (nicht verhinderten) Amtsbeauftragten ohne Grund auszutauschen.
Gebühren und Verkehrsteuern
Eingabegebühr für eine Beschwerde wegen Vergütung des Verdienstentganges nach § 32 Epidemiegesetz
- § 35 Abs. 8 GebG, § 37 Abs. 45 GebG
- BFG vom 21.03.2024, RV/7100129/2024 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
Für eine Beschwerde, die nach dem 1. Jänner 2023 eingebracht worden ist, kann die Befreiungsbestimmung des § 35 Abs. 8 GebG nicht mehr angewendet werden. Daran kann auch eine diesbezügliche falsche Rechtsbelehrung eines Bescheides einer Behörde nichts ändern.
Horizontale Zusammenrechnung bei sukzessivem Erwerb einer wirtschaftlichen Einheit
- § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG 1987
- BFG vom 02.05.2024, RV/7102737/2023 (Abweisung; Revision zugelassen)
Der sukzessive Erwerb einer wirtschaftlichen Einheit von Todes jeweils durch einen Großelternteil unterliegt der (horizontalen) Zusammenrechnung nach § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG 1987.
Pachtvertrag Hotel, keine Befreiung mangels Wohnzwecken, teilweises Erlöschen der Abgabenschuld infolge Entrichtung durch den anderen Gesamtschuldner
- § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG, § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG
- BFG vom 07.06.2024, RV/7102887/2023 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Nach dem Erkenntnis des VwGH vom 14.05.2024, Ro 2024/16/0004, ist nunmehr klargestellt, dass Pachtverträge über den Betrieb eines Hotels nicht der Gebührenbefreiung nach § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG idF BGBl. I Nr. 147/2017 unterliegen, da die sachliche Bestimmung des gegenständlichen Bestandobjektes die gewerbliche Dienstleistung der Hotellerie ist, nicht jedoch „Wohnzwecke“, also die Ermöglichung privaten Lebens in abgeschlossenen Räumen. Darüber hinaus gilt diese Befreiungsbestimmung nur für Miet- und nicht auch für Pachtverträge.
Bei der Berechnung der Normalunterstellung Vieheinheiten sind im Ausland zugepachtete Flächen nicht zu berücksichtigen
- § 30 Abs. 5 BewG 1955, § 27 BewG 1955
- BFG vom 27.02.2024, RV/5100409/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
Die Vorschriften der §§ 29 bis 68 BewG gelten nach § 27 BewG für die Bewertung des inländischen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, Grundvermögens und Betriebsvermögens. Damit im Zusammenhang steht Satz 3 des § 30 Abs. 5 BewG: Für die Anzahl der zulässigen Vieheinheiten und für die Ermittlung der reduzierten landwirtschaftlichen Nutzfläche ist das Gesamtausmaß der vom Betrieb aus bewirtschafteten Flächen maßgebend. Die in Deutschland zugepachteten Flächen scheiden als nicht im Inland befindliche Flächen als Zupachtung iSd § 30 Abs. 5 BewG aus, weil sich die Bewertung nach § 27 BewG nur auf das inländische land- und forstwirtschaftliche Vermögen bezieht. Die genannte Verweisungsnorm des § 27 BewG schließt demnach die Einbeziehung von ausländischem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen bei der Berechnung der zulässigen Vieheinheiten aus.
Hauptfeststellung Einheitswert Land- und Forstwirtschaft zum 1.1.2014 – Einbeziehung öffentlicher Gelder
- § 34 BewG 1955
- BFG vom 17.05.2024, RV/7103040/2018 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Die Vergleichsbetriebe nach § 34 BewG und deren Verhältnis zum Hauptvergleichsbetrieb stehen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten fest. Eine Neuberechnung durch Zuteilung des Betriebes der Beschwerdeführer an einen anderen Vergleichsbetrieb (in einem anderen politischen Bezirk) ist vom Gesetz nicht vorgesehen.
Rechtssatz 2: Vergleichsbetriebe nach § 34 BewG 1955 ergeben einen Querschnitt über die Ertragsverhältnisse der Betriebe eines Bundeslandes und stellen daher nicht auf die Ertragsverhältnisse eines einzelnen Betriebes ab. Diese Durchschnittsbetrachtung liegt im Wesen der bei der Einheitswertermittlung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe vorzunehmenden Ertragswertermittlung.
Rechtssatz 3: Die Bodenklimazahl ergibt sich als Durchschnittszahl für jeden Betrieb in der jeweiligen Gemeinde im Bodenschätzungsverfahren. Ihre Bekämpfung ist im jeweiligen Verfahren möglich. Die zur Einsicht aufgelegten Schätzungsergebnisse der Bodenschätzung sind gemäß § 11 Abs. 6 BoSchätzG 1970 ein gesonderter Feststellungsbescheid iSd § 185 BAO. Die Bekanntgabe dieser Feststellung gilt mit Ablauf des letzten Tages der (einmonatigen Einsichtnahme) Frist als erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt läuft die einmonatige Rechtsmittelfrist gem § 12 Abs. 1 BoSchätzG 1970 iVm § 245 Abs. 1 BAO. Es liegt am Grundeigentümer Einsicht in die Feststellungen der Bodenschätzung zu nehmen und allenfalls innerhalb der Rechtsmittelfrist dagegen Einwendungen zu erheben. Rechtskräftig festgestellte Bodenschätzergebnisse gelten bis zum Abschluss eines neuerlichen Bodenschätzverfahrens und wirken auch gegenüber Rechtsnachfolgern. Gemäß § 36 Abs. 1 BewG 1955 sind bei der Feststellung der Betriebszahlen für landwirtschaftliche Betriebe die tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich der im § 32 Abs. 3 leg. cit. bezeichneten Ertragsbedingungen zu Grunde zu legen. Hierbei sind hinsichtlich der natürlichen Ertragsbedingungen die rechtskräftigen Ergebnisse der Bodenschätzung maßgebend (§ 16 BoSchätzG 1970). Die Ergebnisse der Bodenschätzung sind Grundlagenbescheid für den Einheitswertbescheid, weshalb Einwände gegen die Ergebnisse der Bodenschätzung und damit der Bodenklimazahl im Verfahren zur Einheitswertfeststellung gemäß § 252 Abs. 1 BAO nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können.
Rechtsgeschäftsgebühr Ehevertrag, Verfassungswidrigkeit des § 33 TP 20 GebG, kein beiderseitiges Nachgeben bzw. rechtliche Qualität des "opting out" strittig
- § 87 EheG, § 97 ABGB, § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG
- BFG vom 08.05.2024, RV/7103358/2023 (Stattgabe; Revision zugelassen)
Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).
Ein Ehevertrag ist dann nicht gebührenpflichtig gemäß § 33 TP 20 GebG, wenn entweder kein entgeltliches Rechtsgeschäft oder kein gegenseitiges Nachgeben, sondern vielmehr einseitige Verzichte vorliegen.
Dazu gehört auch das sogenannte „opting-out“ im Falle des vereinbarten (wenn auch entgeltlichen) Verzichtes auf einen Wohnungserhaltungsanspruch nach § 87 Abs. 1 EheG oder § 97 ABGB, wenn der Verzichtende mangels Eigentums an der Ehewohnung dieses im Falle der Trennung nicht „aufgeben“ könnte.
Körperschaftsteuer / Umgründungen
Forderungsverzicht auf Seiten des Gesellschafters: Steuerwirksamkeit des nicht mehr werthaltigen Teils der Forderung (§ 8 Abs. 1 letzter Satz KStG 1988)
- § 8 Abs. 1 KStG 1988
- BFG vom 22.03.2024, RV/2101134/2020 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)
Rechtssatz 1: Aus der Sicht des § 8 Abs. 1 KStG 1988 ist der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit maßgebend. Eine verdeckte Einlage könnte nur dann vorliegen, wenn nach Art der Vereinbarung die Rechtsqualität einer Mittelzufuhr unklar oder sonst unangemessen wäre (vgl. Kirchmayr in Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr, KStG § 8 Tz 76, unter Hinweis auf Ruppe in FS Bauer, 311 ff).
Rechtssatz 2: Nach den ErlRV wird mit dem dritten Satz des § 8 Abs. 1 KStG 1988 der Wegfall der Verbindlichkeit als nicht mehr gesellschaftsrechtlich, sondern als betrieblich veranlasst verankert (vgl. 43 der Beilagen XXIII. GP).
Rechtssatz 3: § 8 Abs. 1 KStG 1988 unterscheidet nicht, ob es sich um Darlehensforderungen oder um Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder um Forderungen anderer Art handelt (vgl. Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr, KStG § 8 Tz 120).
Rechtssatz 4: In einer Erklärungen zur "Umwidmung der Gesellschafterdarlehen in eine Kapitalrücklage" liegt ein "Verzicht" im Sinne des § 8 Abs. 1 KStG 1988 (andernfalls die Bestimmung inhaltsleer wäre).
Geltendmachung des gesellschaftsrechtlichen Rückforderungsanspruches nach einer verdeckten Ausschüttung durch Einbuchung einer Forderung gegen die Gesellschafter und anschließender Verzicht auf die Forderung
- § 19 Abs. 1 EStG 1988, § 8 Abs. 2 KStG 1988
- BFG vom 21.03.2024, RV/5101267/2020 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Wird der handelsrechtliche Rückgriffsanspruch nach einer verdeckten Ausschüttung durchgesetzt und die verdeckte Ausschüttung rückgezahlt oder eine Forderung eingestellt, handelt es sich um eine steuerneutrale Einlage (VwGH 21.12.1993, 93/14/0216). Ein anschließender Verzicht auf die Forderung stellt eine steuerlich irrelevante Wertänderung im Einlagenbereich dar und keine (weitere) verdeckte Ausschüttung.
Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Knesl/Knesl in BFGjournal 2024, 167
Keine Geschäftsführerhaftung bei Nichtanpassung der Körperschaftsteuervorauszahlungen
- § 9 Abs. 1 BAO
- BFG vom 24.03.2024, RV/7101025/2022 (Stattgabe; Revision zugelassen)
Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass ein Abgabepflichtiger dem Finanzamt unaufgefordert Umstände mitzuteilen hat, die dieses gem. § 45 Abs. 4 EStG 1988 i.V.m. § 24 Abs. 3 Z. 1 KStG 1988 zu einer Anhebung der Körperschaftsteuervorauszahlungen berechtigen würden. Ein Geschäftsführer einer GmbH begeht daher keine haftungsbegründende Pflichtverletzung i.S.d. § 9 Abs. 1 BAO, wenn er dem Finanzamt derartige Umstände nicht mitteilt.
Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Ehgartner in BFGjournal 2024, 182
Stabilitätsabgabe – Verminderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 2 Abs. 2 Z 3a StabAbgG
- § 2 Abs. 2 Z 3a StabAbgG
- BFG vom 06.05.2024, RV/3100153/2024 (Abänderung; Revision zugelassen)
Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).
§ 2 Abs. 2 Z 3a StabAbgG vermeidet eine wettbewerbsschädliche effektive Doppelbesteuerung der Liquiditätsreserve für Kreditinstitute in einem Liquiditätsverbund, indem das angeschlossene Kreditinstitut von der Abgabe entlastet wird. § 2 Abs. 2 Z 3a StabAbgG verhindert damit unsachliche Differenzierungen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen verbundenen und nicht verbundenen Kreditinstituten.
Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Deutsch in BFGjournal 2024, 225
Umsatzsteuerliche Behandlung der Tagesbetreuung bei öffentlichen Ganztagesschulen
- § 2 Abs. 3 UStG 1994, § 2 Abs. 5 KStG 1988, § 12 Abs. 1 UStG 1994
- BFG vom 20.03.2024, RV/6100329/2023 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)
Beachte: Revision eingebracht zur Zahl Ro 2024/15/0019
Bei ganztägigen Schulformen iSd § 8 lit j SchOG (Schulen, an denen neben dem Unterricht eine Tagesbetreuung angeboten wird) erfolgt sowohl die Erteilung des Unterrichts als auch die Tagesbetreuung in Vollziehung des Schulunterrichtsgesetzes. Dabei umfasst nicht nur die Unterrichtserteilung, sondern auch die im Rahmen der Tagesbetreuung zu leistende Erziehungsarbeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen. Folglich ist auch in der schulischen Tagesbetreuung eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit „im Rahmen der öffentlichen Gewalt“ iSd Art 13 Abs 1 Unterabsatz 1 der MwStSystRL zu erblicken, die den gesetzlichen Schulerhalter nicht zum Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für die mit dieser Tätigkeit verbundenen Investitionen berechtigt.
Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Leitner in BFGjournal 2024, 184
Der COVID-19-Ausfallsbonus ist in die Umsatzgrenze für die Gastgewerbepauschalierung nicht einzurechnen
- § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994, VO Ausfallsbonus, § 125 Abs. 2 BAO, § 125 Abs. 2 BAO, § 124b Z 348 EStG 1988, § 1 Abs. 2 Z 2 Gastgewerbepauschalierungsverordnung 2013
- BFG vom 21.05.2024, RV/3100351/2023 Stattgabe; Revision zugelassen)
Rechtssatz 1: Der "Ausfallsbonus" ist kein steuerbarer Umsatz im Sinne des § 1 UStG 1994, sondern ein nicht steuerbarer echter Zuschuss.
Rechtssatz 2: Da der "Ausfallsbonus" kein steuerbarer Umsatz im Sinne des UStG 1994 ist, zählt er auch nicht zu den Umsätzen im Sinne des § 125 BAO.
Rechtssatz 3: Der "Ausfallsbonus" stellt zwar ertragsteuerlich eine steuerwirksame Betriebseinnahme dar, ist aber nicht in die Pauschalierungsgrenze des § 1 Abs. 2 Z 2 Gastgewerbepauschalierungsverordnung 2013 einzurechnen, da diese Bestimmung lediglich auf Umsätze im Sinne des § 125 BAO abstellt, unter welche der Ausfallsbonus nicht zu subsumieren ist.
Anmerkungen: Abweichend EStR 2000 Rz 313g
Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Hell in BFGjournal 2024, 223
Verfahrensrecht
Bescheid an ausländische GmbH im Insolvenzverfahren
- § 93 Abs. 2 BAO
- BFG vom 12.03.2024, RV/3100392/2023 (Zurückweisung, Revision nicht zugelassen)
Nach der höchstgerichtlichen Judikatur ist in ausländischen Insolvenzverfahren, welche in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar sind und deren Wirkung gemäß § 240 Abs 1 IO in Österreich anerkannt sind, eine „Deutung“ der Bezeichnung des zutreffenden Bescheidadressaten zulässig (VwGH 26.06.2014, 2013/15/0062). Bei Zweifeln über den Inhalt eines Spruches ist zur Auslegung auch die Begründung heranzuziehen (VwGH 9.12.2004, 2000/14/0197).
Bestehen jedoch Widersprüche zwischen Spruch und Begründung und lässt sich durch Auslegung des Spruches nicht zweifelsfrei feststellen, wer bei objektiver Betrachtung tatsächlich Bescheidadressat ist, kann die Begründung nicht als Auslegungshilfe herangezogen werden. In einem solchen Fall ist selbst bei ausländischen Insolvenzverfahren eine „Auslegung“ der Bezeichnung des Bescheidadressaten unzulässig und daher ein an die Gemeinschuldnerin gerichteter Bescheid nicht rechtswirksam ergangen.
Zurückweisung der Säumnisbeschwerde betreffend Anbringen, die bei der Abgabenbehörde nicht eingelangt sind
- § 284 Abs. 7 lit. b BAO
- BFG vom 24.04.2024, RS/7100096/2024 (Zurückweisung, Revision nicht zugelassen)
Ein Anbringen, das bei der Post aufgegeben wurde, aber bei der Abgabenbehörde nicht eingelangt ist, löst keine Entscheidungspflicht der Abgabenbehörde aus. Eine diesbezügliche Säumnisbeschwerde ist als unzulässig zurückzuweisen.
Anfechtung der Festsetzung der Grundsteuer mit dem Argument, dass den Miteigentümern der Einheitswertfeststellungsbescheid nicht zugestellt worden sei
- § 186 Abs. 2 BAO, § 78 Abs. 2 lit. a BAO, § 191 Abs. 1 lit. a BAO, § 18 Abs. 1 WEG 2002, § 81 Abs. 8 BAO, § 81 Abs. 5 BAO, § 194 Abs. 5 BAO, § 191 Abs. 3 Satz 1 BAO, § 97 Abs. 2 BAO, § 101 Abs. 3 BAO, § 195 BAO, § 9 Abs. 2 GrStG 1955, § 6 BAO
- BFG vom 03.05.2024, RV/7400087/2023 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)
Rechtssatz 1: Die aus allen (Wohnungs)Eigentümern einer Liegenschaft bestehende Personengemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit iSd BAO ist etwas anderes als die Eigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft gemäß § 18 Wohnungseigentumsgesetz 2002. Die aus den Eigentümern einer Liegenschaft bestehende und für die Zwecke der einheitlichen Feststellung des Einheitswertes gemäß § 186 Abs. 2 BAO durch § 78 Abs. 2 lit. a BAO eine Partei darstellende Personengemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit wird nicht dadurch beendigt, dass einzelne Mitglieder durch neue Mitglieder ersetzt werden.
Rechtssatz 2: Es ist im Falle der Zurechnung des Einheitswertes einer Liegenschaft an mehrere Personen keine gesetzliche Regelung dazu ersichtlich, an wen der Grundsteuermessbescheid ergeht und gegen wen der Grundsteuermessbescheid wirkt und ob der Grundsteuermessbescheid unter Anwendung der Zustellfiktion gemäß § 101 Abs. 3 BAO zugestellt werden kann.
Dies sind planwidrige Lücken, welche durch analoge Anwendung der Regelungen für Einheitswertbescheide im Sinne des § 186 BAO bei Beteiligung mehrerer Personen folgendermaßen zu schließen sind: Der Grundsteuermessbescheid hat an die Personengemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu ergehen. Der Grundsteuermessbescheid wirkt gegen die am Gegenstand der Feststellung beteiligten Personen, was im Sinne der Rechtsprechung auch die Nennung dieser Personen im Spruch des Bescheides voraussetzt. Die Zustellfiktion gemäß § 101 Abs. 3 BAO gilt analog auch für Grundsteuermessbescheide.
Rechtssatz 3: Alle Miteigentümer einer Liegenschaft sind Gesamtschuldner der Grundsteuer. Diese Gesamtschuldnerschaft führt nicht dazu, dass die Gesamtschuldner auf der Ebene der Festsetzung der Grundsteuer durch den Magistrat der Stadt Wien zu einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne der BAO werden.
Rechtswirkung der Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung
- § 264 Abs. 7 BAO
- BFG vom 03.05.2024, RV/5100445/2023 (Zurückstellung; Revision nicht zugelassen)
Durch die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung vom 17.03.2023 schied der Vorlageantrag vom 23.03.2023 aus dem Rechtsbestand aus. Diese Rechtsfolge ergibt sich eindeutig aus § 264 Abs. 7 BAO. § 264 Abs. 7 BAO stellt sicher, dass das Verwaltungsgericht keine Pflicht trifft, über Vorlageanträge nach der Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung zu entscheiden (vgl ErläutRV 1352 BlgNR 25. GP 17).
Übersehen ist auch verspielt! Keine Anwendung des § 299 BAO bei nachträglicher Geltendmachung pauschaler Betriebsausgaben
- § 299 Abs. 1 BAO, § 17 Abs. 1 EStG 1988, § 17 Abs. 4 EStG 1988, § 302 Abs. 2 lit. b BAO
- BFG vom 14.03.2024, RV/5100712/2022 (Abweisung; Revision zugelassen)
Es ist keine Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO zulässig, wenn der Abgabepflichtige zunächst laut Erklärung seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, erklärungsgemäß veranlagt wird und dann in einem Verfahren iSd § 299 BAO die Berücksichtigung des Betriebsausgabenpauschales iSd Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes bei nichtbuchführenden Gewerbetreibenden begehrt.
Automationsunterstützt erstellter Verspätungszuschlagsbescheid
- § 135 BAO
- BFG vom 19.04.2024, RV/5100458/2022 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
In der Entscheidung VwGH 14.12.2006, 2005/14/0015, hat der Verwaltungsgerichtshof die Bescheidqualität eines rein automationsunterstützt erstellten Verspätungszuschlagsbescheides bejaht. Von der Wirksamkeit eines Bescheides zu trennen ist die Frage seiner Rechtmäßigkeit. Bereits seit dem Jahr 1985 werden Verspätungszuschläge bei Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen im automatisierten Verfahren festgesetzt. Dabei wird lediglich eines der zu prüfenden Ermessenskriterien (Dauer der Fristüberschreitung) geprüft. Eine derartige Ermessensübung ist zwar mangelhaft und macht den Bescheid wegen unzureichender Begründung rechtswidrig und damit anfechtbar. Ein solcher Begründungsmangel kann aber – wie jeder andere einem Bescheid anhaftende Begründungsmangel auch – im Beschwerdeverfahren geltend gemacht und saniert werden (vgl. Ritz, BAO7, § 93 Tz 16 mit Hinweis auf VwGH 17.8.2020, Ra 2020/13/0056).
Versäumnisse des Abgabenpflichtigen im Festsetzungsverfahren begründen keine Unbilligkeit i.S.d. § 236 BAO
- § 236 BAO
- BFG vom 03.04.2024, RV/7102208/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
Unterlässt es ein Abgabenpflichtiger, einen Umstand, der eine niedrigere Steuerfestsetzung gerechtfertigt hätte (hier: Verwertung von Verlusten aus Aktienspekulationen durch Vornahme einer Gewinnausschüttung in einer Kapitalgesellschaft), im Abgabenfestsetzungsverfahren geltend zu machen, kann darin keine sachliche Unbilligkeit i.S.d. § 236 BAO erblickt werden. Ein derartiges Versäumnis kann daher nicht im Wege der Abgabennachsicht korrigiert werden.
Haftung eines ehemaligen Komplementärs einer KG
- § 12 BAO
- BFG vom 03.04.2024, RV/7101018/2022 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)
Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).
Gem. § 12 BAO richtet sich der Umfang der Haftung eines Komplementärs für Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Dieser Verweis umfasst auch jene Vorschriften, die die Haftung des Gesellschafters zeitlich begrenzen. Ein ehemaliger Komplementär haftet daher gem. § 160 Abs. 1 i.V.m. § 161 Abs. 2 UGB nur für solche Abgabenverbindlichkeiten, die vor seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft entstanden sind und vor Ablauf von fünf Jahren danach fällig werden. Ansprüche gegen den ehemaligen Komplementär aus dieser Haftung verjähren nach spätestens drei Jahren, gerechnet ab dem Ausscheiden bzw. - sollte die Forderung erst danach fällig werden - ab Fälligkeit. Unterbrechungshandlungen, die erst nach dem Ausscheiden (lediglich) gegenüber der Gesellschaft gesetzt wurden, entfalten keine Wirkung gegenüber dem ehemaligen Komplementär.
Kein Ansatz von Sonderbetriebsausgaben aufgrund res iudicata im Jahr der Feststellung der Entnahmebesteuerung eines Grundstücks für die Folgejahre
- § 260 Abs. 1 lit. a BAO, § 279 Abs. 1 BAO
- BFG vom 21.03.2024, RV/5100573/2021 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)
Über die Rechtsfolgen einer in Rechtskraft erwachsenen Entnahmebesteuerung darf aufgrund entschiedener Sache und deren Rechtswirkung in den Folgejahren nicht in merito entschieden werden.
Beschwerde gegen Pfändungsbescheid (Zahlungsverbot)
- § 65 Abs. 4 AbgEO. § 264 Abs. 3 BAO, § 65 Abs. 4 AbgEO
- BFG vom 12.04.2024, RV/7106316/2019 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Ob die gepfändete Forderung besteht oder nicht, ist nicht Gegenstand der Prüfung im Pfändungsverfahren. Hierüber kann nur im Streit zwischen Überweisungsgläubiger und Drittschuldner entschieden werden. Der Bestand der Forderung ist daher im Exekutionsbewilligungs(Pfändungs)verfahren nicht zu prüfen; die Prüfung erstreckt sich in diesem nur darauf, ob die Forderung bestehen und dem Schuldner zustehen kann (Schlüssigkeitsprüfung) und ob etwa Unpfändbarkeit vorliegt. Alle Einwendungen gegen den Bestand (oder die Höhe) der gepfändeten Forderungen, die der Drittschuldner gegenüber dem Abgabepflichtigen hat, sind im Drittschuldnerprozess und nicht mit Beschwerde gegen den Pfändungs- und Überweisungsbescheid geltend zu machen (vgl. VwGH vom 25.9.2013, 2011/16/0155 und vom 29.5.1990, 90/14/0020).
Rechtssatz 2: Eine mit der Begründung des Nichtbestandes der gepfändeten Forderung eingebrachte Beschwerde ist als unzulässig zurückzuweisen, weil über Frage des Bestandes und des Umfanges der Forderung nur im Zivilrechtsweg abgesprochen werden kann (vgl. BFG vom 11.2.2022, RV/7100893/2021, vom 11.12.2018, RV/7102815/2018 und vom 16.11.2018, RV/7102814/2018 sowie UFS vom 11.8.2005, RV/1218-W/05, vom 19.5.2004, RV/1317-W/03, vom 5.2.2004, RV/0032-W/04).
Rechtssatz 3: Gemäß § 264 Abs. 3 BAO gilt die Bescheidbeschwerde von der Anbringung des Vorlageantrages an wiederum als unerledigt, wenn ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht wird. Das Verwaltungsgericht trifft die Verpflichtung, über die Beschwerde – unter Berücksichtigung des Tatsachen- und Rechtsvorbringens des Vorlageantrages – zu entscheiden. Trotz der Einbringung eines Vorlageantrages ist allein die Beschwerde Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens. Anfechtungsobjekt des Rechtsmittelverfahrens kann nur der angefochtene Bescheid sein. Durch die abschließende Erledigung der Beschwerde tritt die Beschwerdevorentscheidung außer Kraft (vgl. Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar –Digital First, Onlineaktualisierung 2.06 Jänner 2023, § 264 Rz 7 und Ritz/Koran, BAO7, § 267 Rz 3).
Rechtssatz 4: Sollte die gepfändete Forderung nicht (oder noch nicht) bestehen, so ging die Exekution ins Leere. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers als Drittschuldner durch das Drittverbot ist für diesen Fall nicht denkbar. Eine Forderungspfändung, die von vornherein ins Leere gegangen ist, entfaltet keine Wirkung und ein Pfandrecht wäre nicht begründet worden. In diesem Fall wäre eine gegen das Zahlungsverbot ergriffene Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gewesen (vgl. VwGH vom 25.9.2013, 2011/16/0155 und vom 20.10.1993, 90/13/0046).
Zustellfiktion bei Einkünftezurechnung an einen wirtschaftlichen Eigentümer
- § 191 Abs. 3 BAO
- BFG vom 16.04.2024, RV/7105047/2015 (Stattgabe; Revision zugelassen)
Werden in einem Feststellungsbescheid Einkünfte einem wirtschaftlichen Eigentümer, der kein Mitglied (Gesellschafter) der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ist, zugerechnet, dann ist der Feststellungsbescheid diesem auch zuzustellen, weil die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO nicht auch für diesen wirkt.
Bescheidbeschwerde oder Säumnisbeschwerde?
- § 243 BAO, § 260 BAO, § 284 BAO
- BFG vom 13.05.2024, RV/7101624/2024 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Wird ein Antrag auf Gewährung des Unterschiedsbetrags zu Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gestellt und ergeht dazu ein "Infoschreiben" des Finanzamts, ist ein Anbringen, in welchem die Säumigkeit des Finanzamts gerügt wird, nicht als Bescheidbeschwerde gegen das "Infoschreiben", sondern als Säumnisbeschwerde anzusehen.
Rechtssatz 2: Liegt ein vom Finanzamt angenommener Zurückweisungsgrund nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden ist.
Beschwerde gegen einen Pfändungsbescheid; Exekutionstitel Sicherstellungsauftrag
- § 65 AbgEO
- BFG vom 29.05.2024, RV/3100022/2024 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
In § 65 Abs. 1 Satz 2 AbgEO ist die Bezeichnung der Abgabenschuld abschließend geregelt. Danach hat der Pfändungsbescheid - allein - die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze im Sinne des § 26 AbgEO anzugeben. Dafür, dass in den Pfändungsbescheid weitere Angaben über die Abgabenschuld aufzunehmen sind, bietet das Gesetz keine Grundlage. Es ist § 65 Abs. 1 Satz 2 AbgEO insbesondere nicht zu entnehmen, dass der Exekutionstitel, auf den sich die Pfändung stützt, konkret benannt sein müsste (BFG 11.01.2013, RV/0600-I/12, unter Verweis auf VwGH 27.03.2003, 2000/15/0067; 27.08.1998, 95/13/0274).
Abstellen des Fahrzeuges und Kennzeichnung mit einem Gratis-Parkschein, dessen Uhrzeiteintragung in der Zukunft lag
- § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, § 3 Abs. 3 Wiener Kontrolleinrichtungenverordnung, § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung
- BFG vom 13.03.2024, RV/7500079/2024 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Die Kennzeichnung eines abgestellten Fahrzeuges mit einem 15-Minuten-Gratisparkschein ist nur dann ordnungsgemäß, wenn auf dem Parkschein die Stunde und die genaue Minute des Abstellvorganges eingetragen sind. Für einen Gratisparkschein gilt nicht die Begünstigung für angefangene Viertelstunden.
Rechtssatz 2: Die Parkometerabgabepflicht beginnt mit der ersten Minute des Abgestelltseins des Fahrzeuges, wenn nicht die Ausnahme für angefangene Viertelstunden bei der Verwendung eines entgeltlichen Parkscheines wirksam wird. Bei Verwendung eines 15-Minuten-Gratisparkscheines sind auf diesem die Stunde und genaue Minute des Abstellvorganges einzutragen und nicht erst eine spätere Zeit. Die Meinung des Lenkers, dass während seiner Aufhältigkeit im oder beim Fahrzeug noch keine Parkometerabgabepflicht bestünde, sodass erst der Zeitpunkt, an dem er vom Fahrzeug weggehe, auf dem 15-Minuten-Gratisparkschein als Beginnzeit einzutragen wäre, ist unrichtig.
Kosten für die Endreinigung: Teil der Bemessungsgrundlage der Wiener Ortstaxe?
- § 12 Abs. 1 WTFG
- BFG vom 23.04.2024, RV/7400107/2023 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)
Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).
Zum Entgelt für den Aufenthalt iSd § 12 Abs. 1 WTFG idF LGBl. Nr. 7/2017 gehört alles, was die Gäste für den Aufenthalt in einer Unterkunft aufzuwenden haben (vgl. den Begriff "Entgelt" gemäß § 4 Abs. 1 UStG). Dazu zählen auch die Kosten für die Endreinigung der Unterkunft, die von den Gästen getragen werden, da die Endreinigung eine mit dem Aufenthalt in der Unterkunft verbundene Nebenleistung ist.
Pflicht zur Entrichtung der Wiener Ortstaxe bei kurzfristiger Vermietung in einem Beherbergungsbetrieb
- § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994, § 11 WTFG, § 13 WTFG
- BFG vom 28.05.2024, RV/7400157/2018 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Steuergegenstand der Wiener Ortstaxe ist das "Aufenthalt nehmen" in einem Beherbergungsbetrieb gegen Entgelt. Bei der Beurteilung, ob ein Beherbergungsbetrieb vorliegt, kommt es auf das Gesamtbild der Tätigkeit und auf den Außenauftritt des Betriebes, das gewerbliche Anbieten auf Internetplattformen, an.
Anmerkungen: Abweichend RV/7400150/2014 vom 15.03.2017
Abstellen eines Ersatzkraftfahrzeuges ohne Parkschein während des Werkstattaufenthaltes des Fahrzeuges, für welches die Parkometerabgabe pauschal entrichtet ist
- § 5 Abs. 1 Wiener Pauschalierungsverordnung, § 1 Kurzparkzonen-Überwachungsverordnung, § 6 Wiener Parkometergesetz 2006, § 25 StVO 1960, § 43 Abs. 2a Z 1 StVO 1960, § 45 Abs. 4 StVO 1960, § 99 Abs. 6 lit. d StVO 1960, § 3 Kurzparkzonen-Überwachungsverordnung, § 5 Kurzparkzonen-Überwachungsverordnung, § 18 Abs. 4 AVG, § 58 Abs. 3 AVG
- BFG vom 09.04.2024, RV/7500125/2024 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Die Frage der Geltung der Ausnahme von der Parkzeitbeschränkung gemäß § 45 Abs. 4 StVO in einer Kurzparkzone gemäß § 25 iVm § 43 Abs. 2a Z 1 StVO kann für die Frage der Geltung der pauschalen Entrichtung der Parkometergebühr betreffend das Fahrzeug, hinsichtlich dessen die Ausnahme bewilligt werden sollte und die pauschale Parkometergebühr entrichtet wurde, als Vorfrage angesehen werden.
Es ist keine Entscheidung über diese Vorfrage durch eine zuständige Behörde bzw. ein zuständiges Landesverwaltungsgericht als Hauptfrage (Bestrafung gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wegen Nichtkennzeichnung des Fahrzeuges mit einem der in der Kurzparkzonen-Überwachungsverordnung des Bundes vorgesehenen Hilfsmittel zur Überprüfung der Kurzparkdauer) zu erwarten, weil gemäß § 99 Abs. 6 lit. d StVO keine Verwaltungsübertretung nach der StVO vorliegt, wenn durch eine Zuwiderhandlung gegen § 25 Abs. 3 StVO oder gegen eine auf Grund des § 25 Abs. 1 oder 4 StVO erlassene Verordnung auch ein abgabenrechtlich strafbarer Tatbestand verwirklicht wird.
Rechtssatz 2: Eine behördliche Erledigung ist gesetzeskonform und verordnungskonform zu interpretieren, wobei die Verfassung der Bundeshauptstadt Wien (Wiener Stadtverfassung - WStV) auch ein Gesetz darstellt.
Rechtssatz 3: Ein magistratisches Bezirksamt ist keine Behörde, sondern ein Teil des Magistrates der Stadt Wien, wie aus § 106 Abs. 1 Wiener Stadtverfassung (WStV) und § 109 Abs. 1 Satz 1 iVm § 91 Abs. 4 WStV hervorgeht.
Rechtssatz 4: Die in einer Erledigung, mit deren Zustellung ein Bescheid erlassen werden soll, mehrdeutig bezeichnete bescheiderlassende Behörde ist in gesetzeskonformer Interpretation nach § 18 Abs. 4 und § 58 Abs. 3 AVG iVm der Verfassung der Bundeshauptstadt Wien (Wiener Stadtverfassung - WStV) eindeutig als der Magistrat der Stadt Wien zu identifizieren.
Rechtssatz 5: Aus der Pauschalierungsverordnung geht hervor, dass der Wiener Gemeinderat mit § 2 Abs. 1 lit. a dieser Verordnung eine jeweils auf ein einziges Kennzeichen bezogene Pauschalierung schaffen wollte. Die Übertragung der aufgrund der gegenständlichen Pauschalierung nach § 2 Abs. 1 lit. a der Verordnung erfolgten Entrichtung der Parkometerabgabe für ein mehrspuriges, in einer Reparaturwerkstätte stehendes Kraftfahrzeug auf das während der Reparatur benutzte mehrspurige Ersatzkraftfahrzeug ist nicht möglich. Eine diesbezüglich von der Reparaturwerkstätte ausgestellte und hinter die Windschutzscheibe des Ersatzkraftfahrzeuges gelegte Wagenersatzkarte ist unwirksam.
Einstellung des Verfahrens nach Vorlage einer vermeintlichen Beschwerde, der es am anfechtenden Charakter eine Beschwerde fehlt
- Art. 130 Abs. 1 B-VG, § 14 Abs. 2 Satz 2 VwGVG, § 5 WAOR
- BFG vom 22.04.2024, RV/7500217/2024 (Einstellung; Revision nicht zugelassen)
Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (VwGH 19.3.2013, 2010/15/0188). Ist dem Inhalt einer Parteierklärung unmissverständlich zu entnehmen, dass sie sich nicht gegen eine bereits ergangene Entscheidung der Behörde richtet (gegen deren Richtigkeit nichts vorgetragen wird), sondern einzig darauf abzielt, in der Zukunft nicht mehr belangt zu werden, ist ein solches Anbringen seitens des Bundesfinanzgerichts selbst dann nicht als Beschwerde in Behandlung zu nehmen, wenn die vorlegende Behörde im Vorlagebericht dennoch von einer Beschwerde gegen ein zuvor erlassenes Straferkenntnis ausgeht.
Parkometer: Vorbringen der Mangelhaftigkeit der vorangegangenen Organstrafverfügung gegen ein Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien
- § 50 VStG, § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, § 5 Abs. 1 VStG
- BFG vom 07.06.2024, RV/7500267/2024 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Allfällige Mängel der Organstrafverfügung sind im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren betreffend dieselbe Tat nicht relevant.
Rechtssatz 2: Die Nichtentrichtung (Verkürzung, Hinterziehung) der Parkometerabgabe infolge des Unterlassens, die Parkometerabgabe zu entrichten, bewirkt einen Schaden für die Stadt Wien. Denn der Stadt Wien entgeht durch die festgestellte Nichtentrichtung der Parkometerabgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt die rechtzeitige Einnahme von Parkometerabgabe in Höhe von zumindest 1,25 Euro (für eine angefangene halbe Stunde nach dem derzeitigen Tarif). Eine Verkürzung liegt bereits dann vor, wenn die Abgabe nicht zum vorgesehenen Termin entrichtet wird (vgl. VwGH 19.6.2002, 2002/15/0013). Folglich enthält der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 durch die Verkürzung der Abgabe (ebenso durch die Hinterziehung der Abgabe) den Eintritt eines Schadens. Deshalb normiert § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 ein Erfolgsdelikt (vgl. auch VwGH 19.6.2002, 2002/15/0013 zur ähnlich formulierten, damaligen Fassung des § 19 Abs. 1 erster Satz Wiener Vergnügungssteuergesetz) und kein sogenanntes Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG.
Haftung gem § 9 Abs 7 VStG erfordert Parteistellung des Haftungsverpflichteten bereits im behrödlichen Strafverfahren des Beschludigten
- § 9 Abs. 7 VStG
- BFG vom 16.05.2024, RV/7500219/2024 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
Rechtssatz 1: Der VwGH verlangt die Zuziehung des Haftungsbeteiligten schon in das zugrundeliegende – gegen den Vertreter/Beauftragten geführte – Strafverfahren als Partei mit allen Parteienrechten (grundlegend VwGH 21.11.2000, 99/09/0002-verstSen; auch etwa VwGH 25.01.2006, 2001/03/0179). Die bloße Erlassung eines Haftungsbescheids gegen die juristische Person nach Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens – ohne deren Zuziehung im Primärverfahren – ist unzureichend. Die diesbezügliche ältere Rsp (zB VwGH 23.9.1993, 93/09/0395) ist überholt. Zum Ganzen instruktiv Thienel, Parteistellung und bezüglich der Frage eines separaten Haftungsausspruchs insb Leeb, Solidarhaftung (vgl Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG online, Manz, Stand 01.07.2023, § 9 Tz 50).
Rechtssatz 2: Erst und nur nach entsprechender Verfahrenszuziehung des Haftungspflichtigen ist die Solidarhaftung gem § 9 Abs 7 VStG gegenüber dem Haftungspflichtigen mit gesondertem Bescheid geltend zu machen (VwGH 22.05.2019, Ra 2018/04/0074; VwGH 24.10.2018, Ra 2017/10/0198; VwGH 29.02.2012, 2011/10/0064; VwGH 25.01.2013, 2010/09/0168; auch VwGH 26.02.2015, Ra 2014/11/0019). „Unterbleibt ein solcher – einer Exekution zugänglicher – Ausspruch, fehlt es überhaupt schon an einem Eingriff in die Rechtssphäre des gem Abs 7 (bloß potenziell) Haftpflichtigen (so auch LVwG Tirol 22. 5. 2014, LVwG-2014/26/1136-1). Nur ein solcher eigener – und entsprechend spezifizierter – Haftungsausspruch lässt sich gegenüber dem Haftpflichtigen auch exequieren“ (vgl Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG online, Manz, Stand 01.07.2023, § 9 Tz 51 mwN).
Zoll und Außenwirtschaft
Nachträgliche Prüfung von Zollanmeldungen; Übernahme der Ergebnisse einer Teilbeschau auf frühere Anmeldungen, die nicht Gegenstand einer Beschau waren
- Art. 70 ZK, VO 2913/92, Art. 78 ZK, VO 2913/92
- BFG vom 03.05.2024, RV/5200013/2018 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Nur wenn die Waren identisch sind, ist es den Zollbehörden gestattet, die Ergebnisse einer Teilbeschau der in einer Zollanmeldung bezeichneten Waren, die anhand von Proben durchgeführt wurde, die diesen Waren entnommen wurden, für in früheren Anmeldungen desselben Anmelders aufgeführte Waren – die nicht Gegenstand einer Beschau waren und deren Beschau aufgrund ihrer erfolgten Überlassung nicht mehr möglich ist – zu übernehmen.
Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer samt Verzugszinsen wegen Verbringens eines Kraftfahrzeuges in das Zollgebiet der Union
- § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994, § 26 Abs. 1 UStG 1994
- BFG vom 07.05.2024, RV/1200020/2021 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Beachte: Revision eingebracht.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 entsteht eine Einfuhrumsatzsteuerschuld, wenn eine Ware (hier ein Kraftfahrzeug) aufgrund eines Verstoßes gegen die zollrechtlichen Verpflichtungen (Art. 79 Abs. 1 UZK) in das Zollgebiet der Union, also über die erste innerhalb des Zollgebiets liegende Zollstelle hinaus verbracht wird und damit angenommen werden kann, dass die Ware in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist und somit einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden konnte (vgl. EuGH 18.1.2024, C-791/22, Hauptzollamt Braunschweig; EuGH 7.4.2022, C-489/20, Kauno teritorine muitine).
Sind Kosten der Qualitätsprüfung dem Zollwert hinzuzurechnen?
- Art. 129 Abs. 1 UZK-IA, Art. 70 Abs. 2 UZK
- BFG vom 17.05.2024, RV/7200073/2021 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Im Streitfall ließ der Einführer hinsichtlich der einzuführenden Wirtschaftsgüter im Drittland Qualitätskontrollmaßnahmen vornehmen, die nicht jene Prüfungen ersetzten, die der Hersteller zur Gewährleistung der vertragsgemäßen Lieferung der Ware selbst durchzuführen hatte. Die Kosten für derartige zusätzlichen Maßnahmen des Käufers, die dieser durchführen lässt, um sicherzugehen, dass die gelieferte Ware tatsächlich die geforderte Qualität aufweist, sind nicht als abgespaltener Teil des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises anzusehen und damit nicht zollwertrelevant.
Kosten für eine Kreditausfallversicherung als abgespaltener Teil des zu zahlenden Entgelts, der als Bestandteil des Transaktionswerts bzw. des Zollwerts zählt
- Art. 105 Abs. 1 und 4 UZK
- BFG vom 16.05.2024, RV/7200066/2021 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)
Verpflichtet sich der Einführer einer Ware gegenüber seinem Lieferanten die Aufwendungen für die Kreditausfallversicherung zu erstatten, so handelt es sich um eine vom Einführer geschuldete Nebenleistung, die von ihm als zusätzliche Leistung zu dem Kaufpreis im engeren Sinne zu erbringen ist. Eine solche sog. D/P Charges (Kreditausfallversicherung) zählt insoweit als abgespaltener Teil des zu zahlenden Entgelts zum tatsächlich gezahlten Preis für die eingeführte Ware und ist Bestandteil des Transaktionswerts bzw. des Zollwerts.