BFG-Newsletter 2023/02

Keine Familienbeihilfe, wenn das Kind bei Wechsel der Haushaltszugehörigkeit während eines Monats überwiegend einem anderen Haushalt angehört

  • § 10 Abs. 2 FLAG 1967
  • BFG vom 16.05.2023, RV/7100538/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Bei Wechsel der Haushaltszugehörigkeit während eines Monats kommt es für den Bezug der Familienbeihilfe darauf an, wessen Haushalt das Kind während des Monats überwiegend angehört hat und nicht darauf, bei wem das Kind zu Beginn des Monats haushaltszugehörig war.

Zeitpunkt des Beginns eines Universitätsstudiums

  • § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 60 Abs. 4 UG
  • BFG vom 04.05.2023, RV/7100134/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs beginnt bei Studien an einer Einrichtung gemäß § 3 StudFG die Berufsausbildung gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 mit der Zulassung zum Studium gemäß § 60 Abs. 4 UG.

Kein Eigenanspruch bei teilweise spendenfinanzierter Unterbringung
(fortgesetztes Verfahren nach VwGH 31.1.2023, Ro 2020/16/0048)

  • § 6 Abs. 5 FLAG 1967
  • BFG vom 31.03.2023, RV/7100906/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Nach der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofs ist davon auszugehen, dass der Unterhalt eines Kindes i. S. v. § 6 Abs. 5 FLAG 1967 i. d. g. F. auch dann als „zur Gänze“ durch die öffentliche Hand (aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe) getragen anzusehen ist, wenn Dritte außerhalb des Personenkreises des § 2 Abs. 3 FLAG 1967 Kostenbeiträge zum Unterhalt des Kindes leisten.

Studienwechsel nach dem dritten Semester

  • § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 17 StudFG
  • BFG vom 28.03.2023, RV/7100840/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Der Begriff Studienwechsel bedeutet den Betrieb einer anderen Studienrichtung als jener, die in den voran­gegangenen Semestern betrieben wurde. Wenn ein Studierender das begonnene, aber noch nicht abge­schlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes in den Geltungsbereich des StudFG 1992 fallendes Studium beginnt, liegt ein Studienwechsel vor. Darauf, ob für das vorangegangene Studium Familienbeihilfe beantragt wurde, kommt es nicht an.

Unterbrechung eines soeben begonnenen Studiums infolge der COVID-19-Pandemie

  • § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 15 FLAG 1967
  • BFG vom 16.03.2023, RV/7100171/2022 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Die Lehre und Rechtsprechung betreffend die Ernsthaftigkeit eines Studiums ist hinsichtlich des Monats März 2020 nicht auf ein mit dem Sommersemester 2020 begonnenes und nach wenigen Tagen infolge der COVID-19-Pandemie im März 2020 bis zum Wintersemester 2020 unterbrochenes Studium anzuwenden.

Rechtssatz 2: Bestand im Monat März 2020 für diesen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe, kommt die Regelung des § 15 FLAG 1967 zum Tragen, wonach für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung finden, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.

Kein Vorrang der in einem Drittstaat wohnenden Großmutter gegenüber einem in Österreich wohnenden Unionsbürger

  • § 2 Abs. 5 lit. a FLAG 1967, § 2 Abs. 5 lit. b FLAG 1967, § 2 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967, § 2 Abs. 1 Satz 1 FLAG 1967
  • BFG vom 23.03.2023, RV/7101898/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Bewohnt das Kind am Studienort eine Zweitunterkunft, wo es sich die weitaus überwiegende Zeit tatsächlich aufhält und kehrt es in den großmütterlichen Haushalt nur an zwei Wochenenden im Monat zurück, kann von einer einheitlichen Wirtschaftsführung im Rahmen einer Wohngemeinschaft bei der Großmutter nicht gesprochen werden.

Rechtssatz 2: Voraussetzung für eine Verdrängung des überwiegend die Unterhaltskosten tragenden (Groß)Elternteils durch einen haushaltsführenden (Groß)Elternteil ist gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967, dass der haushaltsführende (Groß)Elternteil „anspruchsberechtigt“ ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn über die Haushaltszugehörigkeit (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967) hinaus auch die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 FLAG 1967 (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich) und nach § 2 Abs. 8 FLAG 1967 (Lebensmittelpunkt in Österreich) gegeben sind oder kraft Unionsrechts (Art. 67 VO 883/2004, Art. 60 VO 9897/2009) fingiert werden (etwa EuGH 22.10.2015, C-378/14, Tomisław Trapkowski; EuGH 16. 6. 2022, C-328/20, Kommission/Österreich, u.a.). Ein in einem Drittstaat wohnhafter und dort seinen Lebensmittelpunkt habender (Groß)Elternteil kann nach derzeitiger Rechtslage keinen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe haben, sodass dieser einen Anspruch eines in Österreich lebenden, hier seinen Lebensmittelpunkt habenden und die überwiegenden Unterhaltskosten des Kindes finanzierenden (Groß)Elternteil nicht verdrängen kann.
Zusatztext: Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967 wird der Anspruch des überwiegend Geldunterhalt leistenden Elternteils durch einen (hier: allenfalls) haushaltsführenden (Groß)Elternteil nur dann verdrängt, wenn dieser einen Anspruch auf Familienbeihilfe hat. Da die im einem Drittstaat wohnhafte Großmutter, selbst wenn ihre in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union studierende Enkelin bei ihr haushalts­zugehörig gewesen sein sollte, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe hat, steht eine allfällige Haushalts­zugehörigkeit dem Anspruch des den überwiegenden Unterhalt leistenden Vaters nicht entgegen.

Ungekürzte Auszahlung von Familienbeihilfe, wenn in Ungarn kein Anspruch auf Familienleistungen besteht

  • Art. 1 Buchstabe i Nr. 1 Z i VO 883/2004, Art. 67 VO 883/2004, Art. 68 VO 883/2004, § 2 FLAG 1967
  • BFG vom 25.02.2023, RV/7101065/2022 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Da das ungarische Recht – anders als etwa das österreichische Recht – den Vater des Kindes nicht als Familienangehörigen i.S.v. Art. 1 Buchstabe i Nummer 1 VO 883/2004 ansieht, ist Art. 1 Buchstabe i Nummer 3 VO 883/2004 nur dann anwendbar, wenn der Vater zum Personenkreis des Art. 1 Buchstabe i Nummer 2 VO 883/2004 gehört. Dort wird der Ehegatte genannt. Ist die Ehe geschieden und der Vater somit nicht mehr Ehegatte, ist Art. 1 Buchstabe i Nummer 3 VO 883/2004 i.V.m. Art. 1 Buchstabe i Nummer 2 VO 883/2004 nicht anwendbar und kommt es unionsrechtlich auf die Unterhalts­kostentragung nicht an.

Rechtssatz 2 (Folgerechtssatz wie RV/7102598/2020-RS1): Hat der Vater im Wohnortstaat nach dessen nationalen Recht keinen Anspruch auf Familienleistungen und die Mutter nur im Beschäftigungsstaat Österreich Anspruch auf Familienleistungen, liegt nach der Rechtsprechung des EuGH überhaupt kein Anwendungsfall des Art. 68 VO (EG) 883/2004 vor. Es ist daher Österreich ausschließlich zur Erbringung von Familienleistungen zuständig und daher jedenfalls zur (ungekürzten) Auszahlung von Familien­leistungen verpflichtet, falls nach österreichischen Recht in Verbindung mit dem Unionsrecht ein Familien­beihilfeanspruch besteht.

Rechtssatz 3 (Folgerechtssatz wie RV/7106290/2019-RS9): Das Unionsrecht verpflichtet Ungarn nicht, nach seinem nationalen Recht einer Person Familienleistungen zu gewähren, wenn nur ein anderer Staat unionsrechtlich als Beschäftigungsstaat anzusehen ist und daher nur dessen Rechtsvorschriften anzu­wenden sind.

Rechtssatz 4 (Folgerechtssatz wie RV/7106290/2019-RS5): Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, dass Familienleistungen nur dann als nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet gelten können, wenn das Recht dieses Staates dem Familienangehörigen, der dort arbeitet, einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen verleiht. Folglich muss der Betroffene alle in den Rechtsvorschriften dieses Staates aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.

Rechtssatz 5 (Folgerechtssatz wie RV/7106290/2019-RS3): Hat ein Elternteil im Wohnortstaat nach dessen nationalem Recht keinen Anspruch auf Familienleistungen und der andere Elternteil nur im Beschäftigungs­staat Anspruch auf Familienleistungen, liegt kein Anwendungsfall des Art. 68 VO (EG) 883/2004 vor.

Rechtssatz 6 (Folgerechtssatz wie RV/7106290/2019-RS6): Die Frage der Eigenschaft als Familien­angehöriger hat nichts mit der Frage zu tun, welcher Familienangehörige primären Anspruch auf Familien­leistungen hat. Diese Frage ist nach nationalem Recht, zwar mit der Fiktion des Wohnens aller Familien­angehörigen in einem Mitgliedstaat, nicht aber mit der Fiktion der Haushaltszugehörigkeit infolge über­wiegender Unterhaltstragung, zu beurteilen.

Volljähriger Neffe, der darüber hinaus aufgrund eines Studiums in Deutschland auch nicht dem gemeinsamen Haushalt angehört und dessen Unterhaltskosten nicht überwiegend getragen werden, ist kein Pflegekind

  • § 2 Abs. 3 FLAG 1967
  • BFG vom 06.03.2023, RV/7100057/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Der volljährige Neffe, der darüberhinaus auf Grund eines Studiums in Deutschland auch nicht dem Haushalt des Bf. angehört und dessen Unterhaltskosten auch nicht vom Bf. getragen werden, ist kein Pflegekind i.S. des § 2 Abs. 3 FLAG 1967 bzw. § 184 ABGB, da die Pflegekindeigenschaft nach Eintritt der Volljährigkeit nicht begründet werden kann.

Familienbeihilfe & Covid-19 Krise; Rückforderung: kein ernsthaftes und zielstrebiges Studium; Vertrauen auf Presseaussendungen

  • § 15 Abs. 1 FLAG 1967
  • BFG vom 08.02.2023, RV/7100048/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Das Vorbringen des Bf., dass er auf die zitierte Presseaussendung (www.kurier.at vom 24.02.2021, „Familienministerin: Niemand muss Familienbeihilfe zurückzahlen") vertraute, wonach sich die Covid-Krise auf den Studienbetrieb nicht nachteilig auswirken werde, ist für die Beschwerde nicht relevant. Zum einen handelt es sich dabei um ein unsubstantiiertes Vorbringen, das in keinem Zusammenhang mit dem Rückforderungs­bescheid steht. Zum anderen bildet der damit vom Bf. angesprochene Grundsatz von Treu und Glauben – dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (VwGH 22.11.2012, 2008/15/0265 uvam.) – keine Grundlage für eine Korrektur des ange­fochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat über den Anspruch des Bf. auf Gewährung der Familien­beihilfe gemäß dem Legalitätsprinzip (vgl. Art. 18 B-VG "die gesamte Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden" iVm §§ 2 Abs. 1 lit. b, 15, 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs 3. EStG) rechtsrichtig entschieden. Der Vollständigkeit halber wird in Bezug auf den angesprochenen Pressetext ausgeführt, dass dieser im Übrigen die gesetzliche Bestimmung und somit die Voraussetzung für die Weitergewährung der Familienbeihilfe richtig zitiert und wiedergegeben hat (vgl. „….zusätzlich haben alle Familien, die zwischen März 2020 und Februar 2021 zumindest einen Monat lang Anspruch auf Familienbeihilfe hatten, automatisch Anspruch bis März 2021“) und somit auch kein Widerspruch zum Inhalt des Rückforderungsbescheides abgeleitet werden kann.

Einkommensteuer

Pauschbeträge nach § 35 EStG 1988 für Diätverpflegungsaufwand und Behinderten-KFZ

  • § 2 Außergewöhnliche Belastungen, § 3 Außergewöhnliche Belastungen, § 35 EStG 1988
  • BFG vom 28.04.2023, RV/7103190/2014 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Findet sich auf dem vorgelegten Behindertenpass kein Hinweis auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und wurde auch keine andere Bescheinigung im Sinne des § 3 der Verordnung, BGBl 303/1996, vorgelegt, so kann kein Pauschbetrag aus diesem Titel gewährt werden.

Verfassungskonformität der Nichtberücksichtigung der Inflation bei der Berechnung der ImmoESt

  • § 30 Abs. 3 EStG 1988, Art. 140 B-VG
  • BFG vom 01.05.2023, RV/3100101/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu entscheiden, ob und inwieweit er die Geldentwertung im Rahmen der Einkommensbesteuerung berücksichtigt. Inhaltliche Schranken setzt lediglich der Gleichheitssatz, der es verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (VfGH 03.03.2017, G 3/2017; mwN).
Die Nichtberücksichtigung der Inflation bei der Berechnung der Immobilienertragsteuer nach § 30 Abs 3 EStG 1988 vermag daher nicht verfassungswidrig zu sein. Das Bundesfinanzgericht sieht sich daher nicht veranlasst, den Verfassungsgerichtshof in dieser Sache anzurufen.

Außergewöhnliche Belastung bei Ersatzbeschaffungen iZm Hagelschäden als Katastrophenschaden

  • § 34 Abs. 6 EStG 1988, § 34 Abs. 1 EStG 1988
  • BFG vom 18.05.2023, RV/7101518/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 2: Eine außergewöhnliche Belastung infolge der Beseitigung von Katastrophenschäden kann grundsätzlich der (wirtschaftliche) Eigentümer der beschädigten oder untergegangenen Sache geltend machen. Auch derjenige, der eine Sache aufgrund eines anderen Rechtstitels (zB Mieter, Fruchtgenuss, Besitz, Prekarium) nutzt, kann Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, soweit sie ihn betreffen (zB Sanierung einer gemieteten Wohnung), geltend machen (vgl zB BFG 15. Oktober 2021, RV/7102406/2021, mwN sowie Jakom/Peyerl, EStG, 2023, § 34 Rz 59). Der Beschwerdeführer, der mit seiner Ehefrau das im Alleineigentum der Ehefrau stehende Haus bewohnt jedenfalls seit 2009 als Hauptwohnsitz nutzt und Ausgaben vom einzig bestehenden gemeinsamen Girokonto, das durch die jeweiligen Pensions­einkünfte gespeist wird, tätigt, ist danach jedenfalls dem Grunde (allenfalls aliquot) zur Geltendmachung der Aufwendungen zur Beseitigung eines Katastrophenschadens berechtigt.

Berücksichtigung eines Hagelschadens an einem geliehenen Fahrzeug als außergewöhnliche Belastung

  • § 34 Abs. 6 EStG 1988
  • BFG vom 20.06.2023, RV/3100142/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden kann nur geltend machen, wer im Zeitpunkt des Schadensfalls zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des beschädigten Wirtschaftsgutes war (Peyerl in Jakom EStG, 16. Aufl. (2023), § 34, I. Tatbestandsmerkmale Rz 59; BFG 07.03.2016, RV/1100031/2014). Kann nicht nachgewiesen werden, dass das beschädigte Wirtschaftsgut dem Bf leihweise überlassen wurde, ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zusatztext: beschädigtes Wirtschaftsgut: hier Fahrzeug

Finanzstrafrecht

Grob fahrlässige Meldepflichtverletzung nach § 5 WiEReG, Dauerdelikt

  • § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG, § 5 WiEReG
  • BFG vom 20.04.2023, RV/2300006/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Rechtssatz 1: Der Tatbestand des § 15 WiEReG ist erfüllt, wenn der Meldeverpflichtung nach § 5 WiEReG nach der zweiten Erinnerung grob fahrlässig nicht nachgekommen wird. Es ist nicht erforderlich, dass der Beschuldigte nachweislich Kenntnis von den Erinnerungen hatte, es genügt, dass er grob fahrlässig keine Kenntnis von rechtswirksamen Erinnerungen erlangt hat.

Rechtssatz 2: Das Dauerdelikt nach § 15 WiEReG beginnt mit dem Verstreichen der Nachfrist nach der zweiten Erinnerung und endet mit der vorgenommenen Nachmeldung. Diese Daten sind im Spruch der Strafentscheidung zu nennen. Erfolgt keine Nachmeldung kann hilfsweise das Datum der Tatentdeckung durch die Finanzstrafbehörde angesetzt werden.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 135

Geldbuße des Verbandes unter der Mindesthöhe des § 23 Abs. 4 FinStrG aufgrund der zu berücksichtigenden überlangen Verfahrensdauer, Einstellung des Verfahrens gegen den Co-Geschäftsführer, der sich auf den für abgabenrechtliche Belange zuständigen Geschäftsführer verlassen hat

  • § 3 Abs. 2 VbVG, § 28a Abs. 2 FinStrG
  • BFG vom 27.04.2023, RV/3300001/2019 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Gemäß § 3 Abs. 2 VbVG ist der Verband allein deshalb für Straftaten der Entscheidungsträger verantwortlich, wenn sie als solche die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen haben. Ein „eigenes" Verschulden des Verbandes ist dabei nicht maßgeblich.
Ebenso unerheblich ist, wie viele Entscheidungsträger ein Finanzvergehen begangen haben oder daran beteiligt waren.
Dass auch der Schuldspruch gegen den zweiten Geschäftsführer aufrecht bleibt, ist für die Bestrafung des belangten Verbandes nicht erforderlich.

Finanzvergehen gem. § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG – Voraussetzungen – Strafbemessung – Verbandsverantwortlichkeit

  • § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG, § 23 FinStrG
  • BFG vom 14.03.2023, RV/7300011/2022 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Selbst bei Vorliegen wesentlicher Milderungsgründe und äußerst schlechter wirtschaftliche Verhältnisse des Beschuldigten und des belangten Verbandes kann bei Finanzvergehen nach § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG allein schon aus general- und spezialpräventiven Gründen von einer Bestrafung nicht abgesehen werden, zumal die Integrität des Registers geschützt werden soll und das Gesetz sehr hohe Strafen vorsieht, woraus ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber diesen Meldeverpflichtungen ein hohes Maß an Wichtigkeit unterstellt hat.

Verkürzungszuschlag nach § 30a FinStrG, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

  • § 308 Abs. 1 BAO, § 30a FinStrG
  • BFG vom 25.05.2023, RV/7101047/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch hinsichtlich der Beantragung eines Verkürzungs­zuschlages nach § 30a FinStrG bei Versäumnis der dort genannten Frist von 14 Tagen zulässig. Jedoch ist in § 30a FinStrG normiert, dass die Abgabennachforderung binnen Monatsfrist ab Festsetzung entrichtet werden muss. Geschieht dies nicht, kann keine strafaufhebende Wirkung erzielt werden. Die Monatsfrist zur Entrichtung ist eine materiellrechtliche Frist, zu der es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gibt.

Gebühren und Verkehrsteuern

Anwendungsbereich der Befreiungsbestimmung des § 35 Abs 8 GebG idF BGBl I 2020/23

  • § 35 Abs. 8 GebG
  • BFG vom 01.03.2023, RV/6100335/2021 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/16/0011-12.

Unter dem Begriff „Maßnahmen“ in § 35 Abs 8 GebG 1957 idF BGBl I 2020/23 sind nur Maßnahmen iSd COVID-19 Maßnahmengesetzgebung und den darauf basierenden Verordnungen und sonstigen Rechtsakten und Ausführungsbestimmungen gemeint. Während § 35 Abs 8 erster Satz leg cit dabei die Hoheitsverwaltung betrifft, erfasst die auf Rechtsgeschäfte bezogene Gebührenbefreiung des § 35 Abs 8 letzter Satz leg cit im Ergebnis insbesondere den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (vgl zu den Begrifflichkeiten zB Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3. Auflage 21 ff), sowie Fälle, in denen eine Betrauung ausge­gliederter Rechtsträger (juristische Personen des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts) mit Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt. Rechtsgeschäfte zwischen Privatpersonen bzw Unternehmen, bei denen nicht eine Betrauung einer der Vertragsparteien mit Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung des Staates erfolgt ist, fallen demgegenüber nicht unter den Begriff der „Maßnahme“.

Übertragung einer Liegenschaft zwischen geschiedenen Ehegatten

  • § 26a Abs. 1 Z 1 GGG, § 95 EheG
  • BFG vom 13.03.2023, RV/6100499/2020 (Abweisung; Revision zugelassen)

Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, wenn dieser nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird (materiellrechtliche Präklusivfrist; vgl Stabentheiner in Rummel, ABGB 3. Auflage § 95 EheG Rz 1). Erfolgt keine fristgerechte Vereinbarung bzw Geltendmachung innerhalb der Jahresfrist, steht eine zwischen den geschiedenen Ehegatten nach Ablauf der Frist durchgeführte Grundstücksübertragung nicht mehr iSd § 26a Abs 1 Z 1 GGG „im Zusammenhang mit der Auflösung der Ehe“ (vgl Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band II: Grunderwerbsteuer [15. Lfg 2016] zu § 7 GrEStG 1987 Rz 7; BFG 11.3.2020, RV/7100406/2020, BFG 16.3.2021, RV/6100010/2020).

Haftung des Fiskalvertreters gemäß § 8 Abs. 2 FlugAbgG

  • § 9 BAO, § 8 Abs. 2 FlugAbgG
  • BFG vom 22.03.2023, RV/7102474/2015 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1424/2023 anhängig.

Bei § 8 Abs. 2 FlugAbgG handelt es sich um einen – von der Vertreterhaftung gemäß § 9 BAO unabhängigen – Haftungstatbestand sui generis. Der Fiskalvertreter wird durch die Geltendmachung dieser Haftung gemäß § 7 BAO neben dem Luftfahrzeughalter zum Gesamtschuldner.

Wirtschaftliche Einheit

  • § 24 BewG 1955, § 2 Abs. 1 BewG 1955, § 2 BewG 1955, § 93 Abs. 2 BAO, § 97 Abs. 1 BAO, § 186 Abs. 3 BAO, § 24 BAO, § 191 Abs. 3 BAO, § 81 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 29.03.2023, RV/4100615/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Im gegenständlichen Falle des § 24 BewG liegt eine Miteigentümergemeinschaft nicht vor. Vielmehr handelt es sich um eine Personengemeinschaft, denen eine wirtschaftliche Einheit (land- und forstwirtschaftlicher Betrieb) gemeinsam zuzurechnen ist.

Richtigerweise sind im Fall des § 24 BewG beide Ehegatten oder eingetragene Partner als Bescheid­adressaten anzuführen. Die Nennung eines Eigentümers und der Hinweis auf den anderen Miteigentümer ist unrichtig.

Mietvertragsgebühr, ein Vertragsteil hat zunächst eingeschränkte und danach schrankenlose Kündigungsmöglichkeiten, Vertrag auf bestimmte und anschließend unbestimmte Dauer abgeschlossen

  • § 33 TP 5 Abs. 3 GebG
  • BFG vom 04.05.2023, RV/7100624/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Wenn der Mieterin nur zu bestimmten Terminen eine Kündigungsmöglichkeit eingeräumt wird, liegen bei mehrjährigen Bindungen unbeachtliche auflösende Potestativbedingungen vor, die eine Aneinanderreihung von bestimmten Vertragsdauern bewirken, da damit kein schrankenloses Kündigungsrecht vereinbart wurde.
Sobald die Mieterin allerdings zu jedem Quartalsende den Mietvertrag kündigen kann, schließt daran eine dreijährige unbestimmte Vertragsdauer an, auch wenn der Mietvertrag befristet abgeschlossen wurde.

Erwerb von Liegenschaften die dem WGG unterliegen – Verrechnung von Finanzierungs­beiträgen und Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen mit dem Kaufpreis

  • § 14d WGG, § 17 WGG, § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987
  • BFG vom 17.05.2023, RV/7104447/2014 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Vereinbaren die Vertragsparteien, dass die von den Mietern geleisteten Finanzierungsbeiträge iSd § 17 Abs 1 WGG der Verkäuferin verbleiben, so ist der noch nicht amortisierte Anteil wie eine Mietzinsvorauszahlung zu betrachten und als „vorbehaltene Nutzung“ Teil der Gegenleistung iSd § 5 Abs. 1 Z. 1 GrEStG.
Auch eine zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Verrechnung des Kaufpreises mit dem zum Übergabe­stichtag bestehenden Saldo der von den Mietern geleisteten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge iSd § 14d WGG ist bei der Ermittlung der Gegenleistung iSd § 5 Abs. 1 Z: 1 GrEStG zu berücksichtigen.
Zusatztext: Hier: gleichzeitiger Verkauf von 13 Liegenschaften als Paket aber mit 13 getrennten Kaufvertrags­urkunden, bei denen über alle Liegenschaften betrachtet ein negativer Saldo der Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge gegeben ist. Dh die Kosten der in der Vergangenheit von der Verkäuferin durch­geführten Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten wurde nicht durch bereits von den Mietern geleistete Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge abgedeckt und kann die Erwerberin zukünftig als Teil des laufenden Mietentgelts (siehe § 14 Abs. 1 Z 5 WGG) Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge der Mieter lukrieren, obwohl ihr dafür kein Sanierungsaufwand entstanden ist.

Körperschaftsteuer

§ 9 KStG: Horizontaler Ergebnisausgleich zweier inländischer Tochtergesellschaften einer ausländischen Muttergesellschaft zulässig

  • Art. 49 AEUV, Art. 54 AEUV, § 9 Abs. 3 KStG 1988
  • BFG vom 31.03.2023, RV/7100758/2023 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/13/0018.

Die in § 9 Abs 3 KStG normierte Einschränkung der Gruppenbildung, die einen Ergebnisausgleich zweier inländischer Tochtergesellschaften einer nicht gebietsansässigen Beschwerdeführerin ohne inländische Zweigniederlassung nicht erlaubt, stellt eine unionsrechtlich verbotene Beschränkung dar. Auch wenn nationale Vorschriften einer Inlandsgruppe lediglich eine vertikale Ergebniszurechnung gestatten, verlangt die Niederlassungsfreiheit nach Art 49 und 54 AEUV, dass inländischen Tochtergesellschaften einer gebiets­fremden Muttergesellschaft ein horizontaler steuerlicher Ergebnisausgleich zuzuerkennen ist.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 121

Keine Firmenwertabschreibung für Gruppenmitglieder aus dem Ausland ohne Einfluss auf den Kaufpreis

  • § 9 KStG 1988, § 26c Abs. 47 KStG 1988
  • BFG vom 22.03.2023, RV/2100620/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)
  • Anmerkung: Abweichend BFG 19.3.2021, RV/7103647/2019

Da nach der Rechtsprechung des VwGH 17.11.2022, Ro 2022/15/0023 für den Erhalt der noch offenen Fünfzehntelabschreibungen tatbestandsmäßig die Beeinflussung des Kaufpreises erforderlich ist, muss ein Erwerber der Beteiligung den steuerlichen Vorteil in seine Kaufpreiskalkulation einbezogen haben. Dazu hat er darzulegen, dass bzw. inwiefern die Firmenwertabschreibung bei seiner Kaufpreiskalkulation überhaupt eine wertbeeinflussende Rolle habe spielen können.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 123

Voraussetzungen für das Vorliegen einer Körperschaft öffentlichen Rechts

  • § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988, § 323b BAO, § 323b Abs. 1 BAO
  • BFG vom 18.04.2023, RV/7106426/2019 (Abänderung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Nach hA in der Lehre ist der Begriff der Körperschaft öffentlichen Rechts ein steuerlicher Sammelbegriff, der alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts umfasst (vgl Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), KStG (2011), § 1 Rz 219 sowie Marschner in Lachmayer/Strimitzer/Vock (Hrsg), KStG30, § 1 Rz 100). Zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören alle vom Gesetzgeber ausdrücklich als solche anerkannten juristischen Personen (vgl VwGH 22. Jänner 1974, 0399/73). Lehre und Rechtsprechung gehen übereinstimmend davon aus, dass die gesetzliche Bezeichnung keine notwendige Bedingung für das Vorliegen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist (vgl Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), KStG (2011), § 1 Rz 220, mwN).

Rechtssatz 2: Der Begriff Körperschaft öffentlichen Rechts im Abgabenrecht ist eng zu fassen. Die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe für sich allein begründet nicht den Status einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (vlg Achatz/Mang/Lindinger, Besteuerung der Körperschaften öffentlichen Rechts3 (2014) Rz 25; siehe auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Rz 164 ff, Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG (2011), § 1 Rz 219 ff).

Rechtssatz 3: Der Gesetzgeber hat in § 5 Z 13 KStG 1988 eine Steuerbefreiung für kollektivvertragliche Berufsvereinigungen vorgesehen, um diese den Körperschaften öffentlichen Rechts steuerliche anzunähern. Nach den Gesetzesmaterialien zielt diese Bestimmung insbesondere auf den nach dem VereinsG errichteten Österreichischen Gewerkschaftsbund ab, dem nach der Verwaltungspraxis – in Hinblick auf seine öffentliche Stellung – eine den Körperschaften öffentlichen Rechts vergleichbare Stellung eingeräumt wurde (ErlRV 1237 BlgNR XVIII. GP, 65 f; siehe auch zB Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), KStG (2011), § 1 Rz 225, mwN). Mit Einführung dieser Bestimmung ist jedenfalls klargestellt, dass die öffentliche Stellung eines privat­rechtlich gegründeten Vereins für sich nicht geeignet sein kann den Statuts einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu vermitteln.

Rechtssatz 4: Zwar traten nach § 323b Abs 1 BAO das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Groß­betriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am 1. Jänner 2021 an die Stelle des jeweils am 31. Dezember 2020 zuständig gewesenen Finanzamtes, das allerdings nicht so weit gehen kann, die am 17. September 2019 von einer sachlich (und örtlich) unzuständigen Behörde erlassenen Bescheide hin­sichtlich der Rechtswidrigkeit zu heilen. Dies insbesondere als der Gesetzgeber in Abs 3 leg cit ausdrücklich normiert hat, dass lediglich eine vor dem 1. Jänner 2021 von der „zuständigen Abgabenbehörde des Bundes“ genehmigte Erledigung, die erst nach dem 31. Dezember 2020 wirksam wird, als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde gilt.

Fremdbezogenheit einer Beteiligungsanschaffung und damit Zulässigkeit der Firmenwertabschreibung nach § 9 Abs 7 KStG

  • § 9 Abs. 7 KStG 1988
  • BFG vom 10.05.2023, RV/7103711/2022 (Stattgabe bzw. Gegenstandsloserklärung; Revision nicht zugelassen)

Nach § 9 Abs 7 KStG (idF vor BGBl I 13/2014 iVm § 26c Z 3 und Z 47 KStG) steht im Fall der Anschaffung einer Beteiligung von einem konzernzugehörigen Unternehmen bzw von einem einen beherrschenden Einfluss ausübenden Gesellschafter eine Firmenwertabschreibung nicht zu. Dieser Ausschlusstatbestand muss im Zeitpunkt der Anschaffung der Beteiligung erfüllt sein (vgl VwGH 6.7.2020, Ro 2019/13/0018).
Der diesbezügliche Anschaffungszeitpunkt richtet sich nicht nach der (bloß ertragsteuerlichen) Zurechnung nach dem UmgrStG, sondern nach dem gesellschaftsrechtlichen Konzernbegriff des § 15 AktG bzw § 115 GmbHG. Relevant ist dabei die Möglichkeit einer gesellschaftsrechtlichen Einflussnahme. Auf vereinbarte aufschiebende Bedingungen ist entsprechend Bedacht zu nehmen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 163

Umsatzsteuer

1. Vermietung von Teilen eines Einfamilienhauses Liebhaberei
2. Wissen oder wissen müssen von einem Umsatzsteuerbetrug

  • § 12 Abs. 14 UStG 1994
  • BFG vom 01.03.2023, RV/7101828/2018 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Es ist im Baugewerbe insbesondere gegenüber privaten Errichtern von Einfamilienhäusern (auch wenn diese steuerlich infolge Vermietung von Teilen des Einfamilienhauses unternehmerisch tätig werden) nicht unüblich, dass Gespräche mit Vertretern des Bauunternehmens, das beauftragt werden soll, beim künftigen Auftraggeber und nicht am Unternehmenssitz des künftigen Auftragnehmers geführt werden, vor allem, wenn sich der künftige Auftraggeber bereits bei Referenzbaustellen von der Arbeit des künftigen Auftragnehmers überzeugen konnte. Eine Übung, dass Auftraggeber sämtliche Geschäftsräumlichkeiten des Auftragnehmers vor Auftragserteilung in Augenschein nehmen, besteht nicht.

Rechtssatz 2: Mit der alleinigen Begründung, dass von der Auftraggeberin der damalige Sitz der Auftrag­nehmerin nicht aufgesucht wurde, wurde vom Finanzamt der Nachweis, dass die Auftraggeberin von einem Umsatzsteuerbetrug der Auftragnehmerin wusste oder wissen hätte müssen, nicht erbracht.

Vorsteuerabzug aus Diäten bei ausländischen Unternehmern

  • § 13 Abs. 3 UStG 1994
  • BFG vom 10.01.2023, RV/2100615/2022 (Abweisung; Revision zugelassen)

Der Begriff „Einkommensbesteuerung“ in § 13 Abs 3 UStG 1994 ist als die tatsächliche Besteuerung des Einkommens einer natürlichen Person (mit Einkommensteuer) oder einer juristischen Person (mit Körperschaftsteuer) zu verstehen.

Vermietung einer Luxusimmobilie an nahestehende Personen

  • § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994, § 8 Abs. 2 KStG 1988
  • BFG vom 28.12.2022, RV/6100260/2013 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/15/0008.

Erreicht die vereinbarte Miete einer äußerst repräsentativen und auf die Bedürfnisse des Mieters zuge­schnittene Immobilie nicht einmal die Hälfte der Renditemiete, liegt jedenfalls eine „verdeckte Ausschüttung an der Wurzel“ vor. Daran ändert sich auch nichts, wenn sich nach dem gewinnbringenden Verkauf der Immobilie eine Gesamtrendite von 6% ergibt, weil für die Beurteilung des Vorliegens einer fremdüblichen Vermietung an ausschließlich wirtschaftlich agierende und nur am Mietertrag interessierte Investoren angeknüpft wird. Erwartete oder tatsächlich eingetretene Wertsteigerungen sind nicht zu berücksichtigen (Zorn in RdW 2016/575 mwN).

Verfahrensrecht

Beschwerdeverfahren: Keine bescheidmäßige Verfügung des Ablaufs der Aussetzung der Einhebung, wenn der der betroffenen Abgabe zugrunde liegende Abgabenbescheid aufgehoben wurde

  • § 212a Abs. 5 lit. b BAO, § 212a Abs. 1 BAO, § 212a Abs. 7 BAO
  • BFG vom 04.05.2023, RV/2100240/2023 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0064.

Der Zweck der Verfügung des Ablaufs der Aussetzung der Einhebung ist die Beendigung des Zahlungs­aufschubs für die strittige Abgabe. Die Beendigung des Zahlungsaufschubs setzt voraus, dass die mit dem Abgabenbescheid (oder Abzugsteuerhaftungsbescheid) ausgesprochene Leistungsverpflichtung durch die Rechtsmittelentscheidung bestätigt wurde. Wird hingegen der Abgabenschuldtitel durch die Rechtsmittel­entscheidung aufgehoben, fällt die Leistungsverpflichtung für die Abgabe weg. Die Einhebung dieser Abgabe ist damit hinfällig. Ein Ablauf der Aussetzung der Einhebung der Abgabe ist daher nicht zu verfügen.

Haftung gemäß § 9 BAO: Prokurist ist keine "zur Vertretung juristischer Personen berufene Person" im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO

  • § 48 UGB, § 49 UGB, § 80 Abs. 1 BAO, § 83 BAO, § 9 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 24.04.2023, RV/2100214/2023 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Rechtssatz 1: Wäre ein (mit den steuerlichen Agenden der Gesellschaft betrauter) Prokurist eine zur Vertretung juristischer Personen berufene Person im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO, so bestünde diesbezüglich keine laufende Überwachungspflicht durch den Geschäftsführer, sondern – wie im Falle von mehreren Geschäftsführern, von denen ein Geschäftsführer mit den steuerlichen Agenden der Gesellschaft betraut ist – lediglich eine anlassbezogene Überwachungspflicht. Beim Prokuristen handelt es sich daher um keine zur Vertretung juristischer Personen berufene Person im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO, weshalb die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung nicht auf diese Bestimmung gestützt werden durfte.

Rechtssatz 2: § 83 BAO normiert das Recht einer Partei, sich vor der Abgabenbehörde – wenn nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird – vertreten zu lassen. Die Bestimmung begründet aber für den Vertreter – anders als nach §§ 80 und 81 BAO – keine Verantwortlichkeit für abgabenrechtliche Pflichten des Vertretenen. Der Bevollmächtigte mag auf Grund der Vollmacht berechtigt sein, namens des Vertretenen jede Erklärung gegenüber der Abgabenbehörde abzugeben. Die Übertragung der Erfüllung der dem Vertretenen obliegenden Pflichten kommt aber darin nicht zum Ausdruck (ähnlich zu § 33 ASVG und § 34 ASVG: VwGH 29.01.1987, 86/08/0082). Die Heranziehung eines in § 83 Abs. 1 BAO bezeichneten Vertreters zur Haftung gemäß § 9 BAO für Abgaben des Vertretenen ist daher nicht zulässig.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 208

Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit

  • § 268 Abs. 1 BAO, § 76 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 30.03.2023, AO/5100007/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Richter des Bundesfinanzgerichtes mit Mitarbeitern einer Abgabenbehörde mehrmals dienstliche Kontakte hat. Daraus auf ein persönliches Naheverhältnis zu schließen, entbehrt jeglicher Grundlage.

Rechtssatz 2: Das Vertreten einer, sei es auch in der Rechtsprechung abgelehnten Rechtsmeinung bildet im allgemeinen keinen Ablehnungsgrund. Ebenso ist es kein Ablehnungsgrund, wenn der Richter schon eine bestimmte Rechtsansicht in einem Rechtsstreit geäußert hat (vgl. OGH 16.12.2022, 8 Ob 163/22m).

Neuberechnung eines Säumniszuschlages bei nachträglicher Herabsetzung der Körperschaftsteuervorauszahlung

  • § 217 Abs. 8 BAO
  • BFG vom 05.04.2023, RV/3100031/2023 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Die Herabsetzung der Körperschaftsteuervorauszahlung wirkt auf den Jahresbeginn zurück. Ein verwirkter Säumniszuschlag ist nach § 217 Abs. 8 BAO unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungs­betrages neu zu berechnen.

Keine Nachsicht bei zu Unrecht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer

  • § 20 BAO, § 236 BAO
  • BFG vom 22.03.2023, RV/5100462/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0057.

Rechtssatz 1: Wurde von einem Leistungserbringer unrichtigerweise in einer Rechnung Umsatzsteuer aus­gewiesen und vom Leistungsempfänger an diesen bezahlt, kann dieser Fehler (bei mittlerweile eingetretener Insolvenz des Leistungserbringers) vom Leistungsempfänger nicht im Zuge eines Nachsichtsverfahrens nach § 236 BAO saniert werden, wenn die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt wurde (vgl. VwGH 13.9.2018, Ra 2017/15/0102).

Rechtssatz 2: Die Nachsicht ist nicht das einzige Instrument zur Durchsetzung des Grundsatzes von Treu und Glauben. In Betracht kommen etwa auch die Bescheidaufhebung nach § 299 BAO (VwGH 26.1.1993, 89/14/0234) und die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO (Ritz, BAO7, § 303 Tz 88 mwN), da auch diese im Ermessen der Behörde liegen und damit einen Vollzugsspielraum einräumen, in dem der Grundsatz von Treu und Glauben berücksichtigt werden kann.

Rechtssatz 3: Steht die Festsetzung der auskunftswidrigen, aber rechtmäßigen Abgabenschuld im Ermessen der Abgabenbehörde, so steht der Grundsatz von Treu und Glauben der Festsetzung entgegen. Das liegt daran, dass bei der Ermessensübung nach § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit abzuwägen ist, ob der rechtmäßige Zustand hergestellt werden soll. Der Grundsatz von Treu und Glauben macht die Abgaben­festsetzung in bestimmten Fällen sachlich unbillig, sodass von einer rechtmäßigen Besteuerung Abstand zu nehmen ist.

Rechtssatz 4: In den Fällen, in denen die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes über eine Ermessens­entscheidung zu erfolgen hat, steht der Grundsatz von Treu und Glauben daher bereits der Festsetzung und nicht bloß der Einhebung der rechtmäßigen Abgabenschuld entgegen. Er ist daher nicht im Wege der Nachsicht durchzusetzen, sondern verhindert unmittelbar eine Ermessensentscheidung in Richtung der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes (Tina Ehrke-Rabel, Zur Bindungswirkung von finanzbehördlichen Auskünfte in Steuersachen, Festschrift für Werner Doralt, 2007, 27).

Rechtssatz 5: Die Frage nach der Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben stellt sich nur dann, wenn der vom Auskunftsadressaten in seiner Anfrage dargelegte Sachverhalt dem in der Folge (oder bereits zuvor) tatsächlich verwirklichten Sachverhalt entspricht, der Inhalt der Auskunft von der Behörde nachträglich als unrichtig erkannt wird und daher zu Lasten des Auskunftswerbers keinen Niederschlag in dem betreffenden Bescheid findet. Dieser Grundsatz kann jedenfalls dann nicht zum Tragen kommen, wenn der der Auskunft zugrunde liegende Sachverhalt nicht verwirklicht wird (oder wurde), wenn er im Auskunftsersuchen falsch oder unvollständig dargestellt worden ist oder wenn die Auskunft durch Täuschung erschlichen wurde. Ein Vertrauensschutz nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kommt außerdem nur dann in Betracht, wenn die Auskunft nicht offensichtlich unrichtig war (Tina Ehrke-Rabel, Zur Bindungswirkung von finanzbehördlichen Auskünfte in Steuersachen, Festschrift für Werner Doralt, 2007, 23 mwN).

Feststellungsbescheid über das Vorliegen eines Scheinunternehmens gem. § 8 SBBG – Nichtbescheid wegen falschem Bescheidadressaten bei Insolvenz des Scheinunternehmers

  • § 8 SBBG
  • BFG vom 31.03.2023, RV/5100700/2021 (Zurückweisung; Revision zugelassen)

Im Verfahren zur Feststellung der Scheinunternehmerschaft gem. § 8 SBBG hat der Unternehmer, der im Verdacht steht, Scheinunternehmer zu sein, Parteistellung iSd § 8 Abs. 12 SBBG iVm § 78 Abs. 1 BAO. Der Feststellungsbescheid ist als Rechtsakt zu werten, der rechtliche Wirkungen beim Vermögen des Schein­unternehmers entfaltet (Haftung des Auftraggebers nach § 9 SBBG und Regressmöglichkeit; Rechtsfolgen nach IESG und ASVG, zivilrechtliche Gültigkeit des Vertrages, etc.). Ist über den Scheinunternehmer im Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides über das Vorliegen einer Scheinunternehmerschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, ist deshalb der Bescheid als mit der Konkursmasse verhaftet zu qualifizieren und nicht dem höchstpersönlichen Bereich des Schuldners zuzuordnen. Das hat zur Folge, dass ein Schriftstück an den Masseverwalter im Insolvenzverfahren des XY zu adressieren ist.

Mangel der fehlenden Unterschrift nicht behoben

  • § 85 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 20.03.2023, RV/7100982/2021 (Zurücknahmeerklärung; Revision nicht zugelassen)

Der Mangel der fehlenden Unterschrift wird durch die Beifügung des Namens in Druckbuchstaben ohne Verwendung der sonst von der Antragstellerin gebrauchten Unterschrift nicht behoben. Etwas anderes gilt, wenn die Antragstellerin üblicherweise in Druckbuchstaben unterschreibt.

Pfändung von im Schuldenregulierungsverfahren nicht angemeldeten Forderungen / Weitergabe FinanzOnline-Zugangsdaten an unbekannte Dritte

  • § 156 Abs. 4 IO
  • BFG vom 17.05.2023, RV/7102309/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

An der Nichtberücksichtigung der Abgabenforderungen im Zahlungsplan trifft den Abgabengläubiger indessen kein Verschulden, weil das Finanzamt mangels Kenntnis der fingierten Aufwendungen nicht davon ausgehen konnte bzw. musste, dass im Namen des Beschwerdeführers (BF) falsche Abgabenerklärungen eingereicht wurden. Hingegen ist dem BF ein Tatbeitrag zur Abgabenverkürzung unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige- und Offenlegungspflichten vorzuwerfen, die zwar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begangen wurde, aber erst im Nachhinein aufgrund Ermittlungen der Steuerfahndung aufgedeckt werden konnte, als eine Anmeldung als Konkursforderung nicht mehr zulässig war (§ 107 Abs. 1 IO). Somit liegen die Anwendungsvoraussetzungen des § 156 Abs. 4 IO vor, woran der Umstand, dass offenbar aus Gründen der Geringfügigkeit kein Finanzstrafverfahren gegen den BF als Beitragstäter eingeleitet und geführt wurde, nichts ändert. Denn für den Nichteintritt einer Forderungskürzung auf die Quote reicht schon ein fahrlässiges Verhalten des Schuldners. Aus welchen Beweggründen der BF seine Zugangscodes zu Unrecht an Dritte weitergegeben hat, ist unmaßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, dass im Hinblick auf die unberechtigte Weitergabe der Zugangscodes und der in weiterer Folge zu Unrecht lukrierten Gutschriften im Zuge der Veranlagung von seinem alleinigen Verschulden an der Unkenntnis des Finanzamtes von den erst nach Aufhebung des Konkursverfahrens hervorgekommenen Abgabenansprüchen auszugehen ist.

1. Beschwerde gegen Nichtbescheid (nach Einantwortung an Verlassenschaft gerichtet)
2. Vorlage ohne Beschwerde

  • § 253 BAO, § 260 Abs. 1 lit. a BAO, § 272 Abs. 4 BAO, § 274 Abs. 3 BAO
  • BFG vom 09.05.2023, RV/3100405/2020 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Behördliche Erledigungen, die nach erfolgter Einantwortung an die dadurch nicht mehr existente Verlassenschaft gerichtet sind, stellen Nichtbescheide dar. Gegen solche Erledigungen gerichtete Beschwerden sind als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtssatz 2: Erlässt die Abgabenbehörde nach vorherigem Ergehen eines Nichtbescheides einen wirksamen Bescheid, tritt dieser nicht gemäß § 253 BAO an die Stelle des Nichtbescheides. Eine gegen den Nicht­bescheid gerichtete Beschwerde gilt daher auch nicht automatisch als gegen den erst nach Einbringung der Beschwerde erlassenen wirksamen Bescheid gerichtet.

Rechtssatz 3: Verfahren, die beim Bundesfinanzgericht dadurch anhängig gemacht werden, dass eine Vorlage durch die Behörde ohne zugrunde liegender Beschwerde erfolgt, sind trotz Fehlens einer expliziten gesetz­lichen Regelung beschlussmäßig einzustellen. In analoger Anwendung von § 272 Abs. 4 BAO und § 274 Abs. 3 BAO obliegt ein solcher Einstellungsbeschluss auch bei Senatszuständigkeit dem Berichterstatter als Einzelrichter und kann ein solcher auch ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 212

Rückerstattung KESt: Depotübertragung, verdeckte Treuhand, Treuhandvertrag nicht nachgewiesen; Verträge unter nahen Angehörigen

  • § 24 Abs. 1 lit. c BAO
  • BFG vom 03.03.2023, RV/7103526/2017 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Obwohl in Österreich das Nichtmitführen/-haben eines Personalausweises grundsätzlich mit keinen unmittelbaren pönalen Konsequenzen behaftet ist, besteht sehr wohl eine Ausweispflicht bei Begründung von (dauernden) Geschäftsbeziehungen mit Finanz- und Kreditinstituten. Im Umkehrschluss sich darauf zu berufen, dass die einzuhaltende Sorgfaltspflicht genannter Institute - bzgl. der Legitimation und Identifizierung von Kunden - ausschlaggebend dafür war, das Depot nicht auf den Namen der BF, sondern auf den Namen ihres Sohnes zu begründen, ist nicht nachvollziehbar, respektive widerspricht genau dem Sinn und Zweck gesetzlicher Vorgaben nach dem Bankwesengesetz (BWG).

Rechtssatz 2: Ein Treuhandverhältnis muss zeitnah durch eine klare vertragliche Abmachung über den Umfang des Treuhandvertrages offengelegt und nachgewiesen werden, denn nur dann, wenn die betreffende Vereinbarung der Abgabenbehörde gegenüber ausreichend und pro futuro bekannt gegeben wird, kann eine den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende steuerliche Beurteilung bzw. Berücksichtigung erfolgen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 191

Verweis in einem Bescheid nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO auf einen Bericht, welcher keine Wiederaufnahmegründe anführt

  • § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, § 82 EStG 1988
  • BFG vom 05.04.2023, RV/3100775/2015 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Der Verweis in einer Begründung eines Bescheides nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO auf einen Bericht ist grund­sätzlich zulässig. Jedoch ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiederaufnahme auf Festsetzungen gem § 201 Abs 2 Z 3 (2. Fall) BAO anwendbar. Enthält dieser Bericht keine tauglichen Wiederaufnahmegründe oder - wie im hier zu entscheidenden Fall – wird auf einen falschen Bericht verwiesen, ist vom Bundesfinanzgericht der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Anwendung der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung und des § 295a BAO

  • § 295a Abs. 1 BAO, § 124b Z 355 lit. a EStG 1988, COVID-19-Verlustberücksichtigungs­verordnung
  • BFG vom 16.05.2023, RV/5100305/2023 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Der Umstand, dass im Jahr 2020 kein Verlust entstanden ist und die betrieblichen Einkünfte nicht negativ sind, stellt ein nachträgliches Ereignis iSd § 295a BAO dar, das eine entsprechende Abänderung des Einkommen­steuerbescheides 2019 gemäß § 295a BAO rechtfertigt.

Zeitpunkt der wirksamen Einbringung eines falsch adressierten Vorlageantrages

  • § 323b Abs. 6 BAO, § 53 BAO
  • BFG vom 18.04.2023, RV/5100196/2022 (Zurückweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Nach dem 31.12.2021 können Anbringen, für deren Behandlung das Finanzamt Österreich zuständig ist, nicht mehr gemäß § 323b Abs. 6 BAO unter Verwendung der Bezeichnung der Finanzämter gemäß § 4 AVOG 2010 – DV wirksam eingebracht werden. In einem solchen Fall bewirkt auch das bloße postalische Einlangen bei (irgend)einer Dienststelle des Finanzamtes Österreich noch keine wirksame Einbringung. In sinngemäßer Anwendung des § 53 BAO kann eine erfolgte Weiterleitung des Anbringens zu einer wirksamen Einbringung desselben führen.

Zoll

Keine Verwaltungsabgabe bei rechtswidriger Sachentscheidung

  • § 41 ZollR-DG, § 30 Abs. 1 Z 3 ZollR-DV, Art. 42 Abs. 1 UZK
  • BFG vom 15.03.2023, RV/7200078/2017 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Entscheidet das Zollamt trotz Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes inhaltlich über einen Antrag, ist zur Abgeltung des durch die Erlassung der rechtswidrigen Sachentscheidung entstandenen erhöhten Verwaltungsaufwandes keine Verwaltungsabgabe zu leisten.

Nacherhebung von Antidumpingzoll

  • Art. 77 Abs. 1 Buchstabe a UZK
  • BFG vom 12.04.2023, RV/7200080/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Bestehen keine Zweifel an der Identität der Rechtsperson des Herstellers mit dem in der Durchführungs­verordnung (EU) Nr. 2017/271 der Kommission vom 16.2.2017 genannten Hersteller, ist kein Antidumpingzoll zu erheben.

Antrag auf Herstellungsbewilligung für zum Rauchen geeignete Hanfblüten

  • § 3 Abs. 1 Z 1 TabStG 2022, § 3 Abs. 6 TabStG 2022
  • BFG vom 17.04.2023, RV/7200031/2022 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)

Bei feingetrimmten, manikürten und getrockneten Blüten der Cannabispflanze, die zum Rauchen geeignet sind, handelt es sich um Rauchtabak im Sinne des § 3 Abs. 3 iVm Abs. 6 TabStG 2022.

Festsetzung des Altlastenbeitrages nach behaupteter Rekultivierung

  • Anhang 3 Deponieverordnung 2008, § 3 Abs. 1 ALSaG, § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002
  • BFG vom 09.05.2023, RV/7200059/2021 (Abänderung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Für nach den Behauptungen des Deponiebetreibers zum Zwecke der späteren Rekultivierung in einer Deponie abgelagertes Bodenaushubmaterial kommt dann eine Befreiung vom Altlastenbeitrag nicht in Betracht, wenn sich herausstellt, dass die Schüttungen konsenslos erfolgt sind und das Material letztlich doch nicht zur Rekultivierung verwendet, sondern als Abfall entsorgt worden ist.

Änderung der Person des Anmelders gem. Art. 173 Abs. 3 UZK

  • Art. 5 Nr. 15 UZK
  • BFG vom 19.06.2023, RV/7200029/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Die Änderung der Person des Anmelders in der Zollanmeldung gem. Art. 173 Abs. 3 UZK kommt dann nicht in Betracht, wenn – wie im Streitfall – die Anmeldung von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht (falsus procurator) abgegeben und der Antrag auf Änderung erst gestellt wurde, nachdem die Zollbehörden fest­gestellt hatten, dass die Angaben in der Zollanmeldung unrichtig sind und wenn die begehrte Änderung dazu führen würde, dass die in Art. 19 Abs. 1 UZK vorgesehenen Rechtsfolgen nicht eintreten.