BFG-Newsletter 2022/02

Zurücknahme des Vorabentscheidungsersuchens betreffend Indexierung von Familienleistungen

  • § 33 Abs. 3 EStG 1988, Art. 100 Abs. 1 Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union, § 290 Abs. 3 BAO, Art. 67 VO 883/2004, Art. 258 AEUV, Art. 100 Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009, Art. 67 VO 883/2004, Art. 267 AEUV, Art. 7 VO 883/2004, § 6 Abs. 2 BFGG
  • BFG vom 18.06.2022, RE/7100001/2022 (Vorabentscheidung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Das mit Beschluss BFG 16. 4. 2020, RE/7100001/2020 an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Artikel 267 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestellte Ersuchen um Vorabentscheidung, ob die Indexierung von Familienleistungen durch den österreichischen Gesetzgeber unionsrechtskonform ist, protokolliert zu C-163/20, wird gemäß Artikel 100 Abs. 1 Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union und § 290 Abs. 3 Bundesabgabenordnung (BAO) zurückgenommen.

Rechtssatz 2: Die Entscheidungen des EuGH binden alle Gerichte der Mitgliedstaaten auch für andere Fälle; sie schaffen objektives Recht.

Rechtssatz 3: Ist die Vorlagefrage durch ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in einem anderen Verfahren geklärt, hat das Bundesfinanzgericht zwecks Vermeidung weiteren Aufwands beim Gerichtshof und rascher Entscheidung im Anlassverfahren das Vorabentscheidungsersuchen ehebaldigst zurückzunehmen.

Ausführungen zum Begriff "Selbsterhaltungsfähigkeit" §§ 2 Abs 1 lit c, 6 Abs 2 lit d FLAG 1967

  • § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967
  • BFG vom 31.03.2022, RV/7101427/2017 (Abweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 2: Die Fähigkeit einer Person, sich iSd §§ 2 Abs 1 lit c, 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist das wirtschaftliche Abgrenzungsmerkmal des Kindes von der erwachsenen Person.

Rechtssatz 3: Eine Person ist dann iSd §§ 2 Abs 1 lit c, 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 fähig, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wenn sie aufgrund einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 3 Z 1-4 EStG 1988) Bruttoeinkünfte mindestens in der Höhe des Richtsatzes für die Gewährung einer Ausgleichszulage gemäß § 293 Abs 1 lit a Sublit bb ASVG (Mindestpensionsrichtsatz) zuzüglich der für die Abdeckung der behinderungsbedingten wirtschaftlich getragenen Eigenkosten erwirtschaftet. Dabei ist es ohne Belang, ob die Höhe der Erwerbseinkünfte aufgrund einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung erwirtschaftet werden. Da es um die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes geht, bleiben die Erhöhungsbeträge für dessen Kinder iSd § 293 Abs 1 lit a ASVG außer Ansatz.

Rechtssatz 4: Gerade psychische Erkrankungen wie im Fall der Bf zeichnen sich durch Hochs und Tiefs aus. Die Wortfolge "dauernd außerstande sein" stammt aus dem Jahr 1967, als viele Erkrankungen und Krankheitsbilder noch nicht so bekannt waren wie heute. Der Begriff „dauernd außerstande sein“ könnte aus heutiger Sicht so ausgelegt werden, dass in Zeiten eines Hochs Grund- und Erhöhungsbetrag suspendiert werden und in Zeiten eines Tiefs der Anspruch fortbesteht, sofern es sich um dieselbe Behinderung handelt, um dem neuen medizinischen Wissensstand zu entsprechen. Vertretbar ist auch, von einer planwidrigen Lücke in §§ 2 Abs 1 lit c, 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 auszugehen, die durch analoge Anwendung des § 252 Abs 3 ASVG geschlossen werden könnte. Sowohl § 252 Abs 1 Z 3 ASVG als auch §§ 2 Abs 1 lit c, 6 Abs 2 lit d jeweils iVm § 8 Abs 5, 6 FLAG 1967 verfolgen denselben Normzweck, wonach Waisen über den Ausbildungszeitraum hinaus aufgrund einer mangelnden Erwerbsfähigkeit der Unterhalt durch den Staat geleistet wird.

1. Keine Gewährung der Familienbeihilfe an Studierende bei Überschreiten der vorgesehenen Studienzeit und danach vorliegenden weiteren Verzögerungen aufgrund der Covid 19 Pandemie
2. Auch keine Gewährung der Familienbeihilfe an Studierende gemäß § 15 Abs. 1 FLAG "in die Vergangenheit"

  • § 15 Abs. 1 FLAG 1967
  • BFG vom 27.04.2022, RV/5100203/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 1 FLAG 1967 finden die während des Zeitraumes März 2020 bis Februar 2021 vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen lediglich im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung. Somit bewirkt der Anspruch auf Familienbeihilfe in zumindest einem Monat im in § 15 Abs. 1 FLAG 1967 genannten Zeitraum einen weiteren Anspruch in die Zukunft („im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum“) bis März 2021, jedoch nicht für die Vergangenheit.

Familienbonus Plus für ein im Ausland lebendes Kind

  • § 33 Abs. 3a EStG 1988, § 53 Abs. 1 FLAG 1967, VO 883/2004, Art. 67 VO 883/2004
  • BFG vom 10.05.2022, RV/7100274/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Der Familienbonus Plus ist auch dann zu gewähren, wenn kein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe gestellt wurde, die Anspruchsvoraussetzungen aber vorliegen (vgl. VwGH 06.04.2022, Ra 2021/15/0067).

Familienbeihilfe auch bei Beginn einer weiteren Berufsausbildung nach Vollendung des 24. Lebensjahres, wenn das Kind vor Vollendung des 24. Lebensjahres den Zivildienst absolviert hat und sich bei Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung befunden hat

  • § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967
  • BFG vom 07.04.2022, RV/7100983/2022 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Nach Bachelorstudium an der WU absolvierter Kiesertrainerlehrgang stellt keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 dar
  • § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967
  • BFG vom 31.03.2022, RV/7105900/2017 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Berufsschulbesuch ohne praktische Lehre stellt keine "Berufsausbildung" iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG dar. Bei Aneinanderreihung mehrfach vorzeitig beendeter Lehrverhältnisse: für Zeiträume dazwischen kein FB-Anspruch, da kein "frühestmöglicher Beginn" der weiteren Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit d FLAG

  • § 26 Abs. 1 FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967
  • BFG vom 30.03.2022, RV/3100230/2019 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rückforderung der Familienbeihilfe für die Zeit nach dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn des Zivildienstes sowie Rückforderung nach dem Ende des Zivildienstes bis zum Beginn einer beruflichen Tätigkeit. Die Absicht, ein Studium aufzunehmen und die Zusicherung eines Studienplatzes, wenn das Studium dann tatsächlich nicht aufgenommen wird, ist keine Berufsausbildung iSd FLAG

  • § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. e FLAG 1967, § 10 Abs. 2 FLAG 1967, § 26 Abs. 1 FLAG 1967, § 33 Abs. 3 EStG 1988
  • BFG vom 11.02.2022, RV/7100339/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Einkommensteuer

Begräbniskosten als außergewöhnliche Belastung bei einem Prominenten

  • § 34 EStG 1988
  • BFG vom 28.03.2022, RV/7104792/2018 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Dass es sich beim Verstorbenen um einen Prominenten gehandelt hat, bewirkt nicht, dass Begräbniskosten über das Maß der gewöhnlichen Beerdigungskosten hinaus als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

Einkünfte aus V+V: Steuerliche Nichtanerkennung einer Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen betreffend Zahlungen für "Substanzabgeltung Fruchtgenussrecht" nach (verbücherter) Einräumung eines unentgeltlichen Fruchtgenussrechts auf Lebenszeit

  • § 21 Abs. 1 BAO, § 16 Abs. 1 EStG 1988, § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988, § 22 BAO
  • BFG vom 29.11.2021, RV/7103050/2021 (Abänderung; Revision nicht zugelassen)

Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass jemand – so wie die Beschwerdeführerin aufgrund des verbücherten (unentgeltlichen) Fruchtgenussrechts auf Lebzeiten – in rechtlicher abgesicherter Position einer erheblichen Zahlungsverpflichtung nicht zustimmen würde. Aus diesem Grund ist die nachträgliche Vereinbarung „Substanzabgeltung Fruchtgenuss“ nicht fremdüblich und deshalb steuerlich nicht anzuerkennen.

Reichweite der Befreiungsbestimmung für Ortskräfte (§ 3 Abs 1 Z 30 EStG)

  • § 3 Abs. 1 Z 30 EStG 1988
  • BFG vom 19.04.2022, RV/7104064/2020 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Es bedarf eines besonderen Nahebezuges zum Tätigkeitsort, um als Ortskraft iSd § 3 Abs 1 Z 30 EStG zu gelten.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 145

Hornhauttransplantation in einer Privatklinik

  • § 34 Abs. 1 EStG 1988
  • BFG vom 31.03.2022, RV/5100649/2020 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

AgB für behindertes Kind - Höhe des gegenzurechnenden Pflegegeldes bei Anspruchsübergang auf den Kostenträger

  • § 5 Außergewöhnliche Belastungen, § 13 Abs. 1 BPGG, § 34 Abs. 6 EStG 1988
  • BFG vom 11.05.2022, RV/7105830/2019 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Gemäß § 13 Abs. 1 BPGG geht der Anspruch auf Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegungskosten, höchstens jedoch bis zu 80% auf den jeweiligen Kostenträger über, wenn die pflegebedürftige Person auf Kosten oder unter Kostenbeteiligung eines Landes, einer Gemeinde oder eines Sozialhilfeträgers in einem Pflege-, Wohn-, Alten- oder Erziehungsheim stationär gepflegt wird.
Ist der Anspruch auf Pflegegeld auf den jeweiligen Kostenträger übergegangen, kann nicht das gesamte Pflegegeld, sondern nur der tatsächlich verbleibende Betrag als pflegebedingte Geldleistung gegengerechnet werden.

Zusatztext: Hier war der Sohn des Bf. ganzjährig in einem Wohnheim untergebracht und der Anspruch des Pflegegeldes ging im Ausmaß von 80% auf den Kostenträger über.

Finanzstrafrecht

Beschlagnahmeanordnung für tabak- und nikotinfreien Wasserpfeifenersatztabak, der als Rauchware tabaksteuerpflichtig ist, sodass eine Tabaksteuerverkürzung bewirkt wurde. Ein vorsätzliches Handeln als Voraussetzung für einen Verfall als Beschlagnahmegrund liegt nicht vor.

  • § 3 TabStG 2022, § 33 Abs. 6 FinStrG, § 89 Abs. 1 FinStrG, § 33 Abs. 1 FinStrG
  • BFG vom 31.05.2022, RV/7300016/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Beim „Wasserpfeifenersatztabak“ Cloud One handelt es sich um Wasserpfeifentabak, der keinen Tabak enthält, somit um eine tabakfreie Rauchware, 2403 9990 00 V245, die ganz aus Tabakersatzstoffen und anderen Stoffen als Tabak besteht, die sich zum Rauchen eignet und wie handelsüblicher Wasserpfeifentabak in Wasserpfeifen geraucht werden kann, somit um eine tabaksteuerpflichtige Rauchware.

Rechtssatz 2: Die Beschlagnahme als Verfallsgegenstand darf nur bei Verdacht eines mit Verfall bedrohten (vorsätzlich begangenen) Finanzvergehens (hier § 33 Abs. 1 FinStrG) erfolgen, für das in dessen Abs. 6 der Verfall angedroht ist. Auch wenn in der Begründung der Beschlagnahmeanordnung ein Monopoldelikt angedeutet wurde, ist nicht zu prüfen, ob die Beschlagnahme allenfalls wegen eines anderen Finanzvergehens erfolgen hätte können.

Körperschaftsteuer und Umgründungen

Beschwerde gegen einen Auskunftsbescheid iSd § 118 BAO wegen Berufung auf das EWR-Abkommen hinsichtlich der Buchwertfortführung iZm einer Einbringung von Kapitalanteilen

  • Art. 8 Fusionsrichtlinie, Art. 31 EWR-Abkommen
  • BFG vom 20.12.2021, RV/7104475/2018 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 5: Art. 1 Fusionsrichtlinie beschränkt den Anwendungsbereich auf den Austausch von Anteilen, wenn daran im Hoheitsgebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften beteiligt sind (EuGH 19.7.2012, C-48/11, A Oy, Rn 14).

Rechtssatz 6: Die Bestimmungen des Art. 31 EWR-Abkommen, welche Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit verbieten, sind aber mit denen des Art 49 AEUV identisch (EuGH 19.7.2012, C-48/11, A Oy, Rn 21).

Rechtssatz 7: Das EWR-Abkommen ist integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung, sodass ihm im Rahmen der Zuständigkeit der EU ein Anwendungsvorrang (auch gegenüber späterem, entgegenstehendem innerstaatlichem Recht) zukommt (VwGH 11.9.2018, Ra 2016/16/0104, mwN).

Rechtssatz 8: Art. 31 EWR-Abkommen steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen ein Austausch von Anteilen zwischen einer im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaft und einer Gesellschaft mit Sitz im Hoheitsgebiet eines dem EWR angehörenden Drittlands einer steuerpflichtigen Veräußerung von Anteilen gleichgestellt wird, während ein solcher Vorgang steuerlich neutral wäre, wenn daran nur inländische oder in anderen Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften beteiligt wären, entgegen, sofern zwischen dem betreffenden Mitgliedstaat und dem Drittland ein Abkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen besteht, das einen ebenso wirksamen Informationsaustausch zwischen nationalen Behörden vorsieht, wie die Bestimmungen der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern sowie der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799 (EuGH 19.7.2012, Rs C-48/11, A Oy, Tenor).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 198

Aufwendungen für einen Beteiligungserwerb für nicht ausgenützten Kredit stellen keine Zinsen dar

  • § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988
  • BFG vom 11.05.2022, RV/5100833/2021 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Die Beschwerdeführerin hatte ursprünglich geplant, eine Beteiligung mit Fremdkapital zu erwerben. Diesbezüglich wurde mit einer Bank ein Kreditvertrag abgeschlossen. Schlussendlich wurde allerdings die Beteiligung mit Eigenmitteln erworben und der Kreditvertrag aufgelöst. Da mittlerweile die Zinsen gesunken sind, hätte die Bank mittels Alternativveranlagungen niedrigere Erträge erzielt, als wenn der Kredit seitens der Beschwerdeführerin ausgenützt worden wäre. Diese entgangenen Erträge hat die Bank der Beschwerdeführerin verrechnet. Strittig war hier, ob es sich bei diesem Betrag um "Zinsen" im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG handelt und diese somit als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Der Senat kam zu dem Ergebnis, dass dieser Betrag mangels tatsächlich zur Verfügung gestelltem Kapital auch keinem weiten Zinsbegriff zuzurechnen ist. Somit liegen allenfalls Nebenkosten (allenfalls Schadenersatz) im Zusammenhang mit einem Beteiligungserwerb vor, welche nicht abzugsfähig sind.

Strittige Anwendung der Bestimmung des § 9 Abs. 5 Satz 4 KStG 1988

  • § 9 Abs. 5 KStG 1988
  • BFG vom 03.05.2022, RV/5100345/2019 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Wird ein Gruppenmitglied rückwirkend zum 31.12. auf ein am Verschmelzungsstichtag nicht zur Gruppe gehörendes 100%-iges Tochterunternehmen des Gruppenträgers verschmolzen und gehört dieses Tochterunternehmen am 1.1. des Folgejahres zur Gruppe, ist die Regelung des § 9 Abs. 5 vierter Satz KStG anwendbar und es kommt zu keinem Ausscheiden aus der Gruppe.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 191

Umsatzsteuer

Einheitlichkeit der Leistung bei Vermietung eines Gebäudekomplexes mit unterschiedlicher Nutzung (Verwaltung und Garage)

  • § 6 Abs. 2 UStG 1994, § 21 BAO, § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994
  • BFG vom 15.03.2022, RV/5101182/2020 (Abweisung; Revision zugelassen)

Das von der Rechtsprechung (EuGH vom 6.7.2006, C-251/05, Talacre Beach) geforderte Aufteilungsgebot im Zusammenhang mit grundsätzlich einheitlichen Leistungen war gegenständlich nicht anzuwenden. In diesem Fall war eine nationale Ausnahmeregelung gegeben, welche zu getrennten Umsatzsteuersätzen geführt hat. Im hier zu beurteilenden Fall war diese Rechtslage nicht zu beachten. Bei Vermietung eines einheitlichen Gebäudekomplexes von einem Vermieter an einen Mieter ist von einer einheitlichen Leistung auszugehen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 161

§ 6 Abs 1 Z 8 lit e UStG: Ausgelagerter Verarbeitungsprozess von Zahlungen und Überweisungen iZm dem Kreditkartengeschäft von der unechten Steuerbefreiung umfasst

  • Art. 135 Abs. 1 Buchstabe d RL 2006/112/EG, § 6 Abs. 1 Z 8 lit. e UStG 1994
  • BFG vom 04.03.2022, RV/7100628/2019 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Um von der Steuerbefreiung für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr iSd § 6 Abs 1 Z 8 lit e UStG 1994 erfasst zu sein, ist es erforderlich, dass die Dienstleistungen ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes darstellen, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Überweisung erfüllt und damit bewirkt, dass Gelder übertragen sowie rechtliche und finanzielle Änderungen herbeigeführt werden. Die Bestimmung erschöpft sich nicht in der Befreiung des bloßen Vorgangs der Übertragung der Geldsummen an sich, vielmehr kann ein entsprechender Überweisungsvorgang grundsätzlich aus verschiedenen Dienstleistungen bestehen, die dann (zusammen) „Umsätze im Überweisungsverkehr“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen. Nicht von der Befreiungsbestimmung umfasst sind rein materielle, technische oder administrative Dienstleistungen. Es ist diesbezüglich insbesondere der Umfang der Verantwortung des jeweiligen Dienstleistungserbringers zu untersuchen, namentlich die Frage, ob seine Verantwortung auf technische Aspekte beschränkt ist oder sie sich auf spezifische und wesentliche Funktionen der Umsätze erstreckt.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 135 und BFGjournal 2022, 136

Umsatzsteuerbetrug im reverse charge System

  • § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG 1994, § 12 Abs. 1 Z 3 UStG 1994, § 12 Abs. 1 Z 1 Satz 4 UStG 1994, § 11 Abs. 14 UStG 1994
  • BFG vom 15.03.2022, RV/7102032/2016 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Wird die Umsatzsteuer gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 UStG 1994 vom Empfänger der (sonstigen) Leistung geschuldet (reverse charge), wird dessen Recht auf Vorsteuerabzug im Sinne des § 12 Abs. 1 Z. 3 UStG 1994 nicht dadurch ausgeschlossen, dass der leistende Unternehmer keine Rechnung gelegt oder keine zusammenfassenden Meldungen im Sinne des Art. 21 Abs. 3ff UStG 1994 erstattet hat.

Rechtssatz 2: Ein in der Liefer- bzw. Leistungskette stattgefundener Umsatzsteuerbetrug schließt das Recht zum Vorsteuerabzug grundsätzlich nur dann aus, wenn er zu einem tatsächlichen Umsatzsteuerausfall geführt hat, wofür die Abgabenbehörde beweispflichtig ist.

Rechtssatz 3: § 12 Abs. 1 Z. 1 Satz 4 UStG 1994 i.d.F. vor dem StRefG 2015/2016, BGBl I Nr. 118/2015 (entspricht § 12 Abs. 14 UStG 1994 i.d.F. nach dem StRefG 2015/2016) geht insoweit über das Unionsrecht hinaus, als er den Vorsteuerabzug auch dann ausschließt, wenn ein Umsatz im Zusammenhang mit einem sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht (ohne dass es zu einem Ausfall an Umsatzsteuer gekommen ist) und ist daher insoweit nicht anzuwenden.

Rechtssatz 4: Eine Umsatzsteuerpflicht kraft Rechnungslegung setzt voraus, dass die betreffende Rechnung formal die Voraussetzungen des §§ 11 Abs. 1 UStG 1994 erfüllt, da der Zweck des § 11 Abs. 14 UStG 1994 darin liegt, einem unberichtigten Vorsteuerabzug vorzubeugen. Dokumente, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen und sich damit nicht als Grundlage eines Vorsteuerabzuges eignen, können daher nicht den Tatbestand des Umsatzsteuerbetruges i.S.d. § 12 Abs. 1 Z. 1 Satz 4 UStG 1994 i.d.F. vor dem StRefG 2015/2016, BGBl I Nr. 118/2015 (entspricht § 12 Abs. 14 UStG 1994 i.d.F. nach dem StRefG 2015/2016) verwirklichen.

Vorsteuerberichtigung gem § 12 Abs 11 UStG 1994 iZm der Entnahme eines Grundstücksteils

  • § 12 Abs. 11 UStG 1994
  • BFG vom 31.03.2022, RV/7100731/2013 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Werden Gebäudeteile, hinsichtlich derer die betriebliche Nutzung beabsichtigt war, die jedoch zu keiner Zeit betrieblich verwendet wurden, dauerhaft privat verwendet, so ist die geltend gemachte Vorsteuer im Jahr der Entnahme gemäß § 12 Abs 11 UStG 1994 zur Gänze zu berichtigen.

Steuerfreiheit der Verwaltung von Sondervermögen in Form einer ausgelagerten elektronischen Leistungserbringung (Folgeerkenntnis nach EuGH vom 17.6.2021, Rs C‑59/20, DBKAG)

  • § 6 Abs. 1 Z 8 lit. i UStG 1994, Art. 135 Abs. 1 Buchstabe g RL 2006/112/EG
  • BFG vom 10.02.2022, RV/5100456/2015 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Wenn die Einräumung eines Nutzungsrechtes an einer individualisierten, in der erbrachten Form nur beim Leistungsempfänger nutzbaren Software, die ausschließlich der Durchführung von für das Risikomanagement und die Performancemessung wesentlichen Berechnungen dient, beim konkreten Leistungsempfänger ausschließlich für die Zwecke der Verwaltung von Sondervermögen erbracht wird, fallen diese ausgelagerten und auf elektronischem Weg erbrachten Verwaltungsleistungen unter die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 8 lit. i UStG 1994. Dies gilt auch, wenn die Leistung nicht vollständig ausgelagert ist.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 38 und BFGjournal 2022, 42

Verfahrensrecht

Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG zur Beantragung der Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung für einen ruhenden Nachlass

  • § 41 Abs. 2 EStG 1988, § 153 Abs. 2 AußStrG, § 324 Abs. 3 ASVG
  • BFG vom 05.04.2022, RV/5100118/2022 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Wenn ein Sozialhilfeverband vom Verlassenschaftsgericht gem. § 153 Abs. 2 AußStrG zur Durchsetzung seines Anspruches gemäß § 324 Abs. 3 ASVG ermächtigt wird, einen Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung zu stellen, ist der Sozialhilfeverband legitimiert, als Vertreter des ruhenden Nachlasses nach einer verstorbenen Person dessen Arbeitnehmerveranlagung zu beantragen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 125

Zurückweisung des Vorlageantrages nach § 264 BAO

  • § 153 Abs. 2 AußStrG
  • BFG vom 05.04.2022, RV/5100888/2021 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Steht nach den Grundsätzen der Auslegung von Anbringen und Bescheiden fest, dass eine BVE nicht an den Beschwerdeführer adressiert ist, ist der Vorlageantrag nach § 260 IVm § 264 BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 125

Ablehnung eines Richters wegen der Durchführung von Ermittlungen

  • § 76 Abs. 1 BAO, Art. 6 Abs. 1 EMRK, § 268 Abs. 1 BAO, § 115 Abs. 1 BAO, § 269 Abs. 1 BAO, § 115 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 07.04.2022, AO/5100007/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Die bei der Bearbeitung der Beschwerdesache durch den Berichterstatter und Senatsvorsitzenden vorgenommenen Abfragen in den dem Gericht zugänglichen Datenbanken ist eine im Zuge der amtswegigen Ermittlungspflicht (§ 115 Abs 1 BAO iVm § 269 Abs. 1 BAO) durchzuführende routinemäßige Maßnahme, welche zu keiner Befangenheit des Richters führen kann, zumal dieser die beschwerdeführende Partei von diesen Ermittlungsschritten zur Wahrung des Parteiengehörs (§ 115 Abs. 2 BAO) in Kenntnis gesetzt hat. Gleiches gilt für die Fragestellungen des Berichterstatters zur Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes.

Bescheidadressierung - Wiederaufnahme des Verfahrens

  • § 307 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 08.02.2022, RV/3100398/2019 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Wird der Wiederaufnahmebescheid mangels Vorliegens des ersten Tatbestandsmerkmals des § 303 BAO ("ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren") aufgehoben, unterbricht dies die in § 307 Abs. 1 BAO normierte Verbindung zwischen Wiederaufnahme- und Sachbescheid. Der Sachbescheid kann bei dieser Konstellation im Rechtsbestand bleiben.

Schätzung: Keine Globalschätzung zulässig, wenn konkrete Rechnungen, Buchungsvorgänge oder Bankkontobewegungen betroffen sind, die einer abgabenbehördlichen Ermittlung unter Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers zugänglich sind

  • § 115 Abs. 1 BAO, § 138 BAO, § 270 BAO, § 265 Abs. 1 BAO, § 184 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 10.03.2022, RV/2100314/2019 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Vorhalte und Aufforderungen der Abgabenbehörde müssen ein ausreichendes Maß an Verständlichkeit und Konkretisierung der Fragestellung aufweisen. Hat die Abgabenbehörde Zweifel, so muss sie gemäß § 138 BAO vom Abgabepflichtigen (aktenmäßig nachvollziehbar) verlangen, zur Beseitigung der Zweifel den Inhalt seines Anbringens zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen oder – wenn ihm ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden kann – glaubhaft zu machen.

Rechtssatz 2: Aus § 265 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 270 BAO ist abzuleiten, dass die Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde nicht mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides endet. Auch erstmals in einer Bescheidbeschwerde getätigtes Vorbringen kann die Pflicht zu amtswegigen Ermittlungen auslösen, wobei diese Ermittlungen noch vor Beschwerdevorlage an das Verwaltungsgericht anzustellen sind. Dies gilt insbesondere auch für jene Fälle, bei denen die Abgabenbehörde vom Vorliegen von Abgabenhinterziehung ausgeht, und zwar auch dann, wenn aufgrund eines anhängigen Insolvenzverfahrens mit nur geringer Einbringlichkeit der vorgeschriebenen Abgaben zu rechnen ist.

Rechtssatz 3: Eine Einbeziehung von Umständen in eine Schätzung mittels Sicherheitszuschlag ist dann unzulässig, wenn konkrete Rechnungen, Buchungsvorgänge oder Bankkontobewegungen betroffen sind, die einer abgabenbehördlichen Ermittlung unter Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers mithilfe eines Verlangens gemäß § 138 BAO zugänglich sind und die steuerlichen Folgen im Einzelnen durch steuerliche Hinzurechnungen oder Versagung der Abzugsfähigkeit gezogen werden können.

Neuerlicher Bescheid in derselben Sache

  • § 297 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 15.03.2022, RV/7103864/2016 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher eine Beschwerde gem. § 261 Abs 2 BAO für gegenstandslos erklärt wird, obwohl der angefochtene Bescheid nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden ist, sondern die Beschwerde vielmehr bereits durch eine andere Beschwerdevorentscheidung rechtskräftig erledigt wurde, ist ein zu Unrecht ergangener verfahrensrechtlicher Bescheid und verstößt zudem gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit behördlicher Entscheidungen ("ne bis in idem"). Sie ist daher mit Erkenntnis ersatzlos aufzuheben.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 152

Beschwerde gegen einen Auskunftsbescheid iSd § 118 BAO wegen Berufung auf das EWR-Abkommen hinsichtlich der Buchwertfortführung iZm einer Einbringung von Kapitalanteilen

  • § 118 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 20.12.2021, RV/7104475/2018 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Als Gegenstand von Auskunftsbescheiden kommen nach § 118 Abs 2 BAO ua Rechtsfragen im Zusammenhang mit Umgründungen in Frage. Davon sind jedenfalls Vorgänge, die typenmäßig den im UmgrStG geregelten Maßnahmen entsprechen, erfasst. Dass der angefragte Sachverhalt in der Folge tatsächlich die Anwendungsvoraussetzungen des UmgrStG erfüllt, kann naturgemäß keine Antragsvoraussetzung sein.

Rechtssatz 2: Im Auskunftsbescheid kann der zu beurteilende Sachverhalt auch abweichend von der Rechtsansicht des Antragstellers beurteilt werden. In diesem Fall liegt aber keine (teilweise) Abweisung und bei Bestätigung der Rechtsansicht auch keine Stattgabe des Antrages vor, da das Begehren auf die abgabenrechtliche Beurteilung des dargelegten Sachverhaltes, nicht jedoch auf die Bestätigung der im Antrag dargelegten Rechtsansicht gerichtet ist (Ritz/Koran BAO7, § 118, Rz 14 mwN).

Rechtssatz 3: Zentraler Spruchbestandteil des Auskunftsbescheides ist die Beantwortung der im Antrag gestellten Rechtsfrage, also die abgabenrechtliche Beurteilung des im Antrag dargestellten Sachverhaltes, wobei der Geltungsbereich der Zusage, somit die Abgabenarten (bzw. die Feststellungen) und die Zeiträume genau anzugeben sind (ErlRV 662 BlgNR 24. GP, 19).

Rechtssatz 4: Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind gemäß § 243 Abs 1 BAO Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist. Daher sind auch Auskunftsbescheide mit Beschwerde anfechtbar, wobei die das Beschwerdeverfahren regelnden Bestimmungen der BAO anwendbar sind und meritorische Berufungserledigungen zurückwirken (ErlRV 662 BlgNR 24. GP, 19).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 198

Haftungsbescheid an die ehemalige GmbH statt an die Haftungspflichtige zugestellt; die Beschwerde der Haftungspflichtigen war mangels Aktivlegitimation zurückzuweisen.
BVE mit persönlicher Signatur des Organwalters approbiert, gilt als persönlich unterschrieben

  • § 93 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 12.04.2022, RV/7100265/2022 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Wird eine Erledigung des Finanzamtes mit Dienstausweis und PIN mittels pdf-over signiert, bedeutet das nichts anderes, als dass diese qualifizierte elektronische Signatur die gleiche Rechtswirkung hat wie eine handschriftliche Unterschrift (vgl. Art. 25 Abs. 2 VERORDNUNG (EU) Nr. 910/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG).

Rückerstattung KESt an zypriotische Limited - Missbrauch

  • § 22 Abs. 2 BAO, Art. 1 Abs. 2 Mutter-Tochter-Richtlinie, § 22 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 03.03.2022, RV/4100351/2020 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Die Beherrschung der Beschwerde führenden zypriotischen Limited (Bf.) durch in Russland ansässige (juristische) Personen, denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, spricht für das Vorliegen missbräuchlicher Rechtsgestaltung, weil für die Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft - der Bf. - wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltete. Eine von der Bf. beantragte KESt-Rückerstattung war daher bei dieser Konstellation zu versagen.

Keine nachträgliche Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung bei fortwirkendem Gefährdungsverhalten

  • § 212a Abs. 2 lit. c BAO, § 212a Abs. 6 BAO
  • BFG vom 24.05.2022, RV/5100712/2019 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Ein Gefährdungsverhalten liegt vor, wenn durch dieses Verhalten Befriedigungsmöglichkeiten des Abgabengläubigers ausgeschlossen oder vermindert werden, etwa wenn Vermögen verschoben wird oder Deckungsmittel dem Zugriff des Abgabengläubigers vorübergehend oder endgültig entzogen werden (Capek in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar2 - Digital First (2021) zu § 212a BAO, Tz 30; so auch schon Stoll, BAO, 2274).

Rechtssatz 2: Ein Gefährdungsverhalten steht der Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung (allenfalls erst im Zuge des Beschwerdeverfahrens) so lange entgegen, als es entweder als Verhalten an sich oder als dessen Wirkung noch anhält (VwGH 15.9.1999, 94/13/0063; Fischerlehner, Abgabenverfahren3, § 212a Tz 23).

Rechtssatz 3: Die Bestimmung des § 212a Abs. 6 BAO soll nur in jenen Ausnahmefällen zur Anwendung gelangen, in denen aufgrund der im § 213 Abs. 1 BAO zwingend angeordneten kumulierten kontokorrentmäßigen Verrechnung es entgegen dem Willen des Abgabepflichtigen zu einer Abdeckung von Abgabenschuldigkeiten kommt, deren Aussetzung der Einhebung er begehrt. Leistet ein Abgabenschuldner dagegen freiwillig Ratenzahlungen zur Abdeckung des Rückstandes und damit jener Abgaben, auf die sich die Aussetzungsanträge beziehen, und werden aus diesem Verhalten konkludent folgend Gutschriften aus Umsatzsteuervoranmeldungen mit seinem Einverständnis zum weiteren Rückstandsabbau verwendet, können die auf solche Art entrichteten Abgabenschuldigkeiten nicht nachträglich durch einen Antrag im Sinne des § 212a Abs. 6 BAO in eine Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung einbezogen werden.

Die Höhe des vortragsfähigen Verlustes wird im Entstehungsjahr mit Bindungswirkung für das Verrechnungsjahr festgestellt

  • § 295 Abs. 3 BAO, § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988, § 18 Abs. 6 EStG 1988
  • BFG vom 18.02.2022, RV/6100060/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Über die betragsmäßige Höhe des Verlustabzuges ist regelmäßig im jeweiligen Entstehungsjahr und nicht im Verrechnungsjahr abzusprechen. Die Höhe des Verlustabzuges ist nicht Sache des Jahres, in dem der Verlust verrechnet wird. Vielmehr sind bei einer allfälligen nachträglichen Änderung der vortragsfähigen Verluste, die Bescheide der davon betroffenen Folgejahre gem § 295 Abs 3 BAO zwingend und von Amts wegen anzupassen.

Pflicht zur bescheidmäßigen Begründung der teilweisen Verweigerung einer Akteneinsicht

  • § 85a BAO, § 85 Abs. 1 BAO, § 90 BAO, § 92 BAO, § 93 BAO, § 95 BAO, § 94 BAO
  • BFG vom 25.05.2022, RV/7102847/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Über die (gänzliche oder teilweise) Verweigerung der Akteneinsicht ist ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, wenn dies die Partei des Akteneinsichtsverfahrens verlangt.

Rechtssatz 2: Es besteht gemäß § 85a BAO Entscheidungspflicht der Behörde über einen wirksam gestellten Antrag auf Akteneinsicht, auch wenn die Entscheidung - wie im Fall der Verweigerung der Akteneinsicht in einem laufenden Verfahren - nicht abgesondert anfechtbar sein sollte.

Rechtssatz 3: Erfolgt die (gänzliche oder teilweise) Verweigerung der Akteneinsicht mit Bescheid, hat sich aus dem Bescheid zu ergeben, hinsichtlich welcher Aktenteile dem Antrag auf Akteneinsicht aus welchen Gründen nicht entsprochen wurde.

Säumnisbeschwerde: Nichtbehebung eines inhaltlichen Mangels (Fehlen der Darstellung des Inhaltes des unerledigten Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung)

  • § 285 Abs. 1 lit. b BAO, § 284 Abs. 3 BAO, § 85 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 07.04.2022, RS/7100026/2022 (Zurücknahme; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 2: Die Darstellung des Inhaltes des unerledigten Antrages bzw. der Angelegenheit, in der eine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides besteht (§ 285 Abs. 1 lit b BAO), in der Säumnisbeschwerde (bei der Arbeitnehmerveranlagung z. B. auch durch Vorlage von Abschriften der der bei der Abgabenbehörde eingebrachten amtlichen Formulare) soll einerseits den unerledigten Antrag so konkretisieren, dass er einem Auftrag an die Abgabenbehörde (§ 284 Abs. 2 BAO) zugänglich ist, und soll andererseits – was im gegenständlichen Beschwerdefall mangels diesbezüglicher Mängelbehebung nicht möglich ist - das Verwaltungsgericht im Falle des Übergangs der Zuständigkeit zur Entscheidung (§ 284 Abs. 3 BAO) in die Lage versetzen, den Antrag des Beschwerdeführers ohne Erforschung seines Inhaltes bei der säumigen Abgabenbehörde zu erledigen.

Unwirksamkeit einer Strafverfügung

  • § 7 ZustG
  • BFG vom 17.05.2022, RV/7500907/2016 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Wird eine Strafverfügung entsprechend der Zustellverfügung an die Beschwerdeführerin (Bf.) zu Handen des nicht zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigten Steuerberaters zugestellt, so ist auch die Bf. selbst als Empfängerin der Sendung anzusehen, weshalb eine Heilung des Zustellmangels im Sinne des § 7 Zustellgesetz eintritt, wenn der Bf. das Schriftstück tatsächlich zugekommen ist.

Zurückweisung der Beschwerde gegen einen unzulässigerweise elektronisch zugestellten Bescheid

  • § 97a BAO
  • BFG vom 27.05.2022, RV/7400103/2021 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Die Abgabenbehörde (Magistrat der Stadt Wien) hat bei der elektronischen Zustellung von Bescheiden betreffend Landes- und Gemeindeabgaben die Voraussetzungen des § 97a BAO zu beachten; ansonsten ist der zugestellte Bescheid unwirksam (nichtig).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 185

Landes- und Gemeindeabgaben, Verwaltungsstrafangelegenheiten

Parkometerabgabe: Auskunftspflicht hinsichtlich Lenker trifft ab Eröffnung des Konkurses den Masseverwalter

  • § 2 Wiener Parkometergesetz 2006
  • BFG vom 23.02.2022, RV/7500040/2022 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, ist mit „Zulassungsbesitzer“ im Sinne des Wiener Parkometergesetzes jene Person gemeint, welcher diese Eigenschaft in jenem Zeitpunkt zukam, auf den sich die behördliche Anfrage bezieht. Der Masseverwalter ist ab seiner Einführung für die Erteilung von Lenkerauskünften, die zum Massevermögen gehörige mehrspurige Fahrzeuge betreffen, zuständig. Das Auskunftsbegehren muss daher in solchen Fällen an den Masseverwalter gerichtet werden, auch wenn sich dieses auf Zeiträume vor Konkurseröffnung (Bestellung bzw. Einführung als Masseverwalterin) bezieht (vgl VwGH 7. Oktober 2005, 2005/17/0194).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 86

Verbleiben eines verkehrsuntüchtig gewordenen Kraftfahrzeugs in einer Kurzparkzone

  • § 25 Abs. 1 StVO 1960, § 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung, § 25 StVO 1960, § 4 BAO
  • BFG vom 05.05.2022, RV/7400030/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Ein anfänglich erlaubtes Anhalten eines fahruntüchtig gewordenen Fahrzeugs in einem Halteverbot geht in ein verbotenes Halten und schließlich in ein rechtswidriges Parken über, wenn das fahruntüchtig gewordene Fahrzeug nicht so rasch wie möglich entfernt wird. Das "Anhalten", also das durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges, löst allein noch keine Abgabepflicht in Bezug auf die Parkometerabgabe aus, Halten und Parken jedoch schon. Wird ein am Freitag Abend abgestelltes Fahrzeug bis zum darauffolgenden Montag Früh nicht entfernt, ist dieses ab Montag Früh geparkt und besteht Parkometerabgabepflicht.

Vorschreibung von Einsatzgebühren nach dem Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz

  • § 28 Abs. 2 WRKG, § 92 Abs. 1 BAO, § 28 WRKG, § 253 BAO, § 29 Abs. 1 WRKG
  • BFG vom 28.02.2022, RV/7400131/2021 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 2: wie RV/7400148/2014-RS1

Für die Entstehung der Gebührenschuld kommt es nicht allein darauf an, ob der Einsatz medizinisch erforderlich war, sondern ob das Vorliegen der Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes der Person, für die die Rettung gerufen wurde, mit gutem Grund hatte angenommen werden können, wobei diese Annahme bei jenem Mitarbeiter des Rettungsdienstes bestanden haben musste, der die Anforderung (betreffend des Rettungseinsatzes) entgegen genommen hat (vgl. bspw. VwGH 27.02.2009, 2006/17/0016).

Zoll

Zur Tabaksteuerpflicht von Cannabis-Blüten ("Marihuana")

  • § 4 TabStG 2022, § 5 TabStG 2022, Suchtgiftverordnung, TNRSG, Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz, § 25 Abs. 3 TabStG 2022, § 27 Abs. 1 Z 2 AVOG, SMG, Suchtmittelgesetz, Art. 5 Abs. 1 RL 2011/64/EU, § 3 Abs. 6 TabStG 1995, TabMG 1996, Art. 1 RL 2011/64/EU, Art. 2 RL 2011/64/EU, Anhang I Suchtgiftverordnung
  • BFG vom 11.04.2022, RV/1200005/2020 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1380/2022 anhängig.

Hanfblüten sind iSd § 3 Abs. 3 Z 1 TabakStG (Art. 5 Abs. 1 RL 2011/64/EU) „anders zerkleinert“ weil sie "ohne industrielle Fertigung zum Rauchen geeignet sind". Aus diesem Grund sind sie auch ein Steuergegenstand im Sinne des Tabaksteuergesetzes.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 174

Nacherhebung der Zollschuld gem. Art. 105 Abs. 4 UZK wegen falscher Angabe des Zollwertes

  • § 2 Abs. 1 ZollR-DG
  • BFG vom 09.11.2021, RV/7200090/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Art. 132 UZK-DVO regelt die Konsequenzen einer Preisanpassung für schadhaft eingeführte Waren. Demnach kann unter den dort genannten Bedingungen bei der Ermittlung des Transaktionswertes eine Anpassung des für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises durch den Verkäufer zugunsten des Käufers berücksichtigt werden. Tatbestandsmerkmal für eine nach diesen Bestimmungen vorzunehmende Minderung des Zollwertes ist vor allem, dass es tatsächlich zu einer Preisanpassung, also zur Vereinbarung eines neuen Preises zwischen den beiden Vertragsparteien, gekommen ist. Weist hingegen der Käufer die eingeführten Wirtschaftsgüter zurück, weil sie zum Zeitpunkt der Überlassung mit Mängel behaftet waren, und einigen sich Verkäufer und Käufer in der Folge statt einer Preisanpassung auf eine Rückabwicklung des Kaufgeschäftes, liegt kein Anwendungsfall des Art. 132 UZK-DVO vor, sondern es ist allenfalls eine Erstattung der Einfuhrabgaben wegen schadhafter Waren gem. Art. 118 UZK zu prüfen.

Entstehung der Verbrauchsteuer für den Verbringer, der die Erzeugnisse erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame hält

  • § 50 AlkStG, § 7 Abs. 1 und 4 VStBefrV, § 49 Abs. 3 AlkStG, § 7 Abs. 4 VStBefrV, § 49 Abs. 2 AlkStG
  • BFG vom 23.12.2021, RV/7200016/2017 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Folgerechtssatz (wie RV/7200075/2016-RS1)
Die in § 7 Abs. 1 der Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung normierte Befreiung von den Verbrauchsteuern für Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind, im grenzüberschreitenden Schiffsverkehr auf der Donau dem Verbrauch an Bord von zu gewerblichen Zwecken eingesetzten Beförderungsmitteln durch Reisende oder die Besatzung zu dienen, kommt dann nicht zur Anwendung, wenn es sich beim Abgabenschuldner, der die Waren ohne Einhaltung des dafür vorgeschriebenen Verfahrens ins Steuergebiet verbracht hat, weder um den Bezieher noch um den Begünstigten gem. § 7 Abs. 4 leg. cit. handelt.

Verschulden des Anmelders als indirekter Vertreter bei der Anwendung des § 26 Abs. 3 Z 2 UStG

  • § 26 Abs. 5 lit. e UStG 1994, § 26 Abs. 3 Z 2 UStG 1994
  • BFG vom 05.01.2022, RV/7200019/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/16/0010.

Hat die Bf. alle ihr zustehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, dh die Gültigkeit der UID-Nummer und der EORI-Nummer des Geschäftspartners geprüft sowie schon vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit von einer Kanzlei die steuerliche Vertretung und die Verträge überprüfen lassen, kann ihr kein schuldhaftes Verhalten iSd § 26 Abs. 5 lit. e letzter Satz UStG zur Last gelegt werden.