BFG-Newsletter 2021/02

Inhaltsverzeichnis

Beihilfen / FLAG

Einkommensteuer

Finanzstrafrecht

Normverbrauchsabgabe

Umsatzsteuer

Verfahrensrecht

Zoll

Beihilfen / FLAG

Familienbeihilfe versus Familienzulagen iS des Artikels 67 Abs. 1 lit b EU-Beamtenstatuts

  • Art. 69 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166, Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166, § 271 BAO, VO 549/69, ABl. Nr. L 74, § 271 Abs. 2 BAO, § 2 Abs. 1 FLAG 1967, § 4 Abs. 1 FLAG 1967, AEUV, ABl. Nr. C 83
  • BFG vom 13.02.2020, RV/4100684/2019 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Artikel 67 Abs. 2 der Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) ist nicht auf Fälle anwendbar, in denen der Ehegatte eines Beamten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt. Aus Art. 67 Abs. 2 leg. cit. und den entsprechenden Vorschriften des Statuts ergeben sich in den Fällen, in denen der Ehegatte eines Beamten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, für Mitgliedstaaten keine Verpflichtungen bezüglich der Familienbeihilfen (s. EuGH 7.5.1987, 186/85/ Rz 33 und 34, sowie 189/85, Rz 28).

Vorlage ohne Vorlageantrag

  • § 8 FLAG 1967, § 263 BAO, § 13 FLAG 1967, § 93 Abs. 3 lit. b BAO
  • BFG vom 06.04.2021, RV/7100522/2021 (Einstellung des Beschwerdeverfahrens; Revision nicht zugelassen)

Wird mit Beschwerdevorentscheidung ein Bescheid, mit welchem ein Antrag auf Familienbeihilfe abgewiesen wurde, gemäß § 263 BAO zur Gänze ersatzlos aufgehoben, ohne dies zu begründen, bedeutet dies gemäß § 263 Abs. 1 BAO i. V. m. § 93 Abs. 3 lit. b BAO und § 13 FLAG 1967, dass dem Antrag, ungekürzt Familienbeihilfe auszuzahlen, vom Finanzamt Rechnung getragen wurde. Das Finanzamt hat daher bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage i. S. d. § 10 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967 Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) in dem sich aus § 8 FLAG 1967 (und § 33 Abs. 3 EStG 1988) ergebenden Umfang auszuzahlen.

Vorbereitungskurs zum Aufnahmetest für das Medizinstudium Berufsausbildung

  • § 2 Abs. 1 FLAG 1967
  • BFG vom 19.04.2021, RV/7104668/2018 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Nimmt der Besuch eines Vorbereitungskurses zum Aufnahmetest für das Medizinstudium einschließlich Vor- und Nacharbeiten und Lernen zu Hause die überwiegende Zeit des Kindes in Anspruch, steht für die Zeit des Kurses Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu.
Zusatztext: Hier: Kursdauer rund drei Monate, 273 UE Kursbesuch.

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa FLAG 1967, wenn keine bescheidmäßige Anerkennung iSd § 8 FreiwG vorliegt

  • § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa FLAG 1967, § 8 FreiwG, § 11 FreiwG
  • BFG vom 21.04.2021, RV/5101715/2018 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Das Bundesfinanzgericht hat bereits ausgesprochen, dass das Erfordernis der bescheidmäßigen Anerkennung des Trägers der Rechtssicherheit dient und eine Gleichheitswidrigkeit oder Unsachlichkeit darin nicht zu erblicken ist (BFG 31.8.2016, RV/7101264/2016). Eine solche Unsachlichkeit bzw. ungerechtfertigte Ungleichbehandlung läge im Gegenteil gerade dann vor, wenn für den Beihilfenanspruch die Leistung freiwilliger Tätigkeiten auch bei nicht bescheidmäßig anerkannten Einrichtungen, welche weder die in § 8 FreiwG normierten umfassenden Voraussetzungen erfüllen, noch die in § 11 FreiwG festgelegten Auflagen zur Qualitätssicherung einhalten müssten, ausreichen würde.

Einkommensteuer

Kosten einer Operation im Privatspital, um den krankenstandsbedingt drohenden Verlust des Arbeitsplatzes abzuwenden

  • § 34 Abs. 3 EStG 1988
  • BFG vom 01.04.2021, RV/7104192/2020 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht. (Amtsrevision)

Die objektiv nachvollziehbare Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, wenn der schon lange dauernde Krankenstand durch die Wartezeit auf einen Operationstermin in einem öffentlichen Krankenhaus noch um Monate hinaus verlängert würde, bewirkt die Zwangsläufigkeit der Kosten für eine Operation im Privatspital ohne eine solche Wartezeit.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 190

Kein Vertreterpauschale für eine in einer Gesundheitsfirma, auch im Außendienst, tätige Angestellte

  • § 17 Abs. 6 EStG 1988, § 1 Z 9 Durchschnittssätze für Werbungskosten
  • BFG vom 30.04.2021, RV/4100027/2018 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Weist die auch im Außendienst in einer Gesundheitsfirma angestellte Beschwerdeführerin mit einem breit gefächerten Aufgabengebiet nicht nach, dass sie mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Außendienst mit Vertretertätigkeit verbrachte, kann ihr das Vertreterpauschale nicht gewährt werden.

Nichtabzugsfähigkeit von Kosten einer Digitalkamera bei einem Versicherungsangestellten im Außendienst; Schätzung Privatanteil Handy

  • § 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988, § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988, § 20 EStG 1988, § 16 Abs. 1 EStG 1988, § 20 Abs. 1 EStG 1988
  • BFG vom 25.05.2021, RV/4100310/2016 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Auch ein erwiesener konkreter Einsatz einer Digitalkamera im Rahmen der Schadensdokumentation und somit zu beruflichen Zwecken schließt nicht aus, dass dieses Wirtschaftsgut auch für den privaten Gebrauch zur Verfügung steht.

Rechtssatz 2: Es widerspricht nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens, wenn bei den Kosten eines Mobiltelefons ein Privatanteil von 40% geschätzt wird. Denn das Führen von Privatgesprächen ist trotz einer hohen beruflichen Auslastung und knapp bemessenen Freizeit keineswegs unüblich.

Finanzstrafrecht

1. Nicht erweisliches Verschulden an einer rechtswidrigen Verwendung eines unverzollten drittländischen Fahrzeuges im Eigentum der liechtensteinischen Filiale einer österreichischen Rechtsanwälte-OG;
2. Unzulängliche Mitwirkung an einer Zollkontrolle

  • § 16 ZollR-DG, § 51 Abs. 1 lit. e FinStrG, § 136 Abs. 1 FinStrG, § 25 Abs. 1 FinStrG, § 4 Abs. 2 FinStrG, § 98 Abs. 3 FinStrG, § 8 Abs. 3 FinStrG, § 36 Abs. 1 FinStrG, § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG, § 36 Abs. 1 FinStrG,
  • BFG vom 08.02.2021, RV/5300022/2017 (Abänderung; Revision nicht zugelassen)

1. Das Ausmaß der Mitwirkungspflicht an einer Zollkontrolle durch einen davon Betroffenen wird unter anderem dadurch bestimmt, in welchem Umfang diese von den Behördenorganen eingefordert wird.
Wird diese Pflicht etwa vom Leiter der Amtshandlung in einem bestimmten Zusammenhang verneint („Sie müssen auf die Frage nicht antworten“), kommt sie für den Befragten auch nicht (mehr) zum Tragen. Antwortet der Befragte nun tatsächlich nicht, ist daher auch das Tatbild einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 Abs. 1 lit. e FinStrG nicht erfüllt.

2. Auch unzutreffende rechtliche Einwendungen während einer Zollkontrolle, bei welcher ein rechtswidrig im Zollgebiet verwendetes, unverzolltes drittländisches Fahrzeug zur Wertfeststellung fotografiert werden sollte, durch den betretenen Fahrzeuglenker des Inhaltes, er verweigere seine Zustimmung bzw. ersuche um Löschung der Fotos, weil er ein Recht am "Bild seines Fahrzeuges" habe, stellen keine Erschwerung von Maßnahmen der Zollaufsicht dar: Derartige Vorbingen durch den Betroffenen einer Beweisaufnahme während einer Amtshandlung stehen diesem frei.
Die einschreitenden Zollorgane wiederum sind nicht verpflichtet, allein aus Anlass entsprechender Äußerungen des Betroffenen ihre Beweisaufnahme einzuschränken oder abzubrechen.

Normverbrauchsabgabe

1. Abgabenschuldner bei erstmaliger Zulassung eines Kraftfahrzeuges im Inland
2. Verhängung einer Zwangsstrafe nachdem das Finanzamt den angeforderten Vertrag von amtswegen beschaffen konnte

  • § 4 Z 2 NoVAG 1991, § 111 BAO
  • BFG vom 27.11.2020, RV/3100758/2015 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Wurde von einer Privatperson bei einem italienischen Fahrzeughändler ein gebrauchter Pkw gekauft und nach der Überstellung nach Österreich an einen Dritten im Inland weiterverkauft und hat dieser die Nova für diesen Pkw entrichtet, den Pkw aber wegen angeblicher Mängel an den Verkäufer wieder zurückgestellt, worauf dieser den Pkw im eigenen Namen erstmals zum Verkehr im Inland zugelassen hat, so hat das Finanzamt zu Recht den (Wieder)verkäufer als Abgabenschuldner nach § 4 Z 2 NoVAG angesehen und diesem die Nova vorgeschrieben, auch wenn der Dritte (Käufer) für diesen Pkw bereits Nova entrichtet hat.

Rechtssatz 2: Die Zwangsstrafe ist nicht ein Mittel zur Ahndung eines unrechtmäßigen Verhaltens (eines Ungehorsams), sondern dient einzig und allein dazu, ein Leistungsverhalten unter Zwang herbeizuführen. Sie darf daher nicht nach erbrachter Leistung festgesetzt werden, dies gilt auch wenn die betreffende Leistung (wie zB eine Urkundenvorlage) in der Zwischenzeit durch amtswegige Ermittlungen von der Abgabenbehörde selbst oder durch einen Dritten erbracht wurde (vgl. Stoll, aaO., 1201; Ritz, BAO6, § 111 Tz 3).
Kommt der Abgabepflichtige der Aufforderung des Finanzamtes einen im Ausland abgeschlossenen Kaufvertrag vorzulegen trotz Androhung einer Zwangsstrafe nicht nach, gelingt es dem Finanzamt aber letztendlich den Vertrag über amtswegige Ermittlungen zu beschaffen, so ist es unzulässig nach der amtswegigen Beschaffung des Kaufvertrages eine Zwangsstrafe zu verhängen (vgl. VwGH 26.03.2014, 2013/13/0022).

Umsatzsteuer

1. Leistungsaustausch oder Steuerschuld kraft Rechnung
2. § 11 Abs. 14 UStG 1994 und Gefährdungshaftung bei formal vorhandener, aber eventuell unklarer Beschreibung einer fiktiven Leistung
3. Schätzung der Höhe der Steuerschuld kraft Rechnung

  • § 11 Abs. 14 UStG 1994, § 1 Abs. 1 UStG 1994, § 167 Abs. 2 BAO, § 11 Abs. 14 UStG 1994, § 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1994, § 184 Abs. 1 BAO, § 167 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 04.03.2021, RV/5101246/2015 (Abweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Bestehen begründete Zweifel an einer tatsächlichen Leistungserbringung zwischen Gesellschaften, die von derselben Person wirtschaftlich dominiert werden, muss iRd Beweiswürdigung auch beurteilt werden, ob zwischen den nahestehenden Gesellschaften im Vorfeld der angeblichen Leistung eine Vereinbarung geschlossen wurde, die den Kriterien des VwGH, die dieser für die Anerkennung derartiger Vereinbarungen aufgestellt hat, entspricht.

Rechtssatz 2: Die nach der aktuellen Judikatur des EuGH verringerten Anforderungen an eine vollständige Rechnung für den Vorsteuerabzug wirken sich auch auf die Annahme einer Steuerschuld kraft Rechnung gem. § 11 Abs. 14 UStG 1994 aus. Insbesondere wenn ein Leistungsaustausch zwischen nahestehenden Gesellschaften nur zur Lukrierung des Vorsteuerabzuges vorgetäuscht wird, muss eine formal vollständige Rechnung im Sinn einer Gefährdungshaftung zu einer Steuerschuld kraft Rechnung führen. Bei der Angabe einer fiktiven Leistung in einer Rechnung sind die Voraussetzungen einer korrekten Leistungsbeschreibung schon grundsätzlich relativiert.
Zusatztext: Das zuletzt dazu ergangene Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2009, 2005/15/0150, ist aufgrund der mittlerweile ergangenen EuGH-Judikatur zum Vorsteuerabzug aus einer mangelhaften Rechnung eventuell nicht mehr für alle Fallkonstellationen aktuell (daher Revision zugelassen).

Rechtssatz 3: Wenn ein Nichtunternehmer systematisch Scheinrechnungen mit fortlaufender Nummerierung ausstellt und einige dieser Rechnungen nicht vorgelegt werden, muss davon ausgegangen werden, dass auch diese fehlenden Rechnungen zum Schein ausgestellt wurden, diese formal dem § 11 UStG 1994 entsprechen und in ihnen unberechtigt Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Um den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen, bietet sich für die Schätzung der Höhe der Steuer, die aufgrund der Stellung dieser Rechnungen geschuldet wird, an, den in den vorhandenen Rechnungen im Durchschnitt ausgewiesenen Steuerbetrag anzusetzen.

Vorsteueraufteilung bei vermietetem Gebäude

  • § 12 Abs. 4 UStG 1994, § 12 Abs. 5 UStG 1994
  • BFG vom 25.05.2021, RV/7103172/2016 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Nach der Judikatur des VwGH ist der Flächenschlüssel als sachgerechter Aufteilungsmaßstab anzusehen (VwGH 23.2.2010, 2007/15/0289). Der sich aus dem Verhältnis der eindeutig zugeordneten Nutzungsflächen ergebende Schlüssel ist in einem weiteren Schritt auf die Vorsteuern für die Errichtung jener Räumlichkeiten anzuwenden, welche der gemischten Nutzung (Stiegenhäuser, allgemeine Keller- und Dachbodenflächen udgl.) unterliegen (BFG 11.10.2018, RV/5100346/2018).

Roamingleistungen eines im Drittland ansässigen Mobilfunkbetreibers in Form der Ermöglichung der Nutzung eines inländischen Netzes sind im Inland steuerbar

  • § 1 Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 UStG 1994, § 3a Abs. 16 UStG 1994, § 3a UStG 1994
  • BFG vom 06.05.2021, RV/2101058/2018 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 mit Wirkung vom 1. Januar 2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren „tatsächliche Nutzung oder Auswertung“ im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen.

Anzahlungsbesteuerung bei ausreichender Konkretisierung der Leistung

  • § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994, § 10 Abs. 2 Z 6 UStG 1994
  • BFG vom 30.04.2021, RV/7101385/2019 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Der Pfandeinsatz bei Chipkarten von Skiliftbetreibern stellt eine Nebenleistung zur Hauptleistung der Personenbeförderung dar und unterliegt daher dem ermäßigten Steuersatz. Für den Fall der Rückerstattung des Pfandeinsatzes ist von einer Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 16 UStG auszugehen.

Verfahrensrecht

Hemmung der Beschwerdefrist bei Abweisung eines Fristverlängerungsantrages

  • § 245 Abs. 3 und 4 BAO, § 108 Abs. 3 BAO
  • BFG vom 09.04.2021, RV/3100166/2021 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Der Tag der Einbringung des Antrags auf Fristverlängerung sowie der Tag der Zustellung der abweisenden Entscheidung sind beide von der Hemmung umfasst. Mit dem Tag der Einbringung eines Antrages auf Fristverlängerung hat die Hemmung des Fristenlaufes gemäß § 245 Abs. 4 BAO bereits begonnen. Mit Ablauf des Tages, an dem die Hemmung des Fristenlaufes endet, beginnt schließlich noch jener Teil der Beschwerdefrist weiterzulaufen, der mit Ablauf des Tages, der dem Tag der Einbringung des Fristverlängerungsantrags vorangegangen ist, noch unverbraucht war (vgl. VwGH 05.03.2020, Ro 2019/15/0008).

Folgen der Zurücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags im Familienbeihilfeverfahren

  • § 270 BAO, § 10 Abs. 1 FLAG 1967
  • BFG vom 24.03.2021, RV/7100476/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 2: Wird nicht die Beschwerde, sondern der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Antrag auf Familienbeihilfe zurückgenommen, ist meritorisch über den angefochtenen Bescheid zu entscheiden. Durch den Wegfall des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Antrags erweist sich der angefochtene Bescheid nunmehr als mit Rechtswidrigkeit (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG) behaftet. Er ist gemäß § 279 BAO ersatzlos aufzuheben.

Berichtigter Lohnzettel als Wiederaufnahmsgrund iSd § 303 Abs 1 lit b BAO

  • § 303 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 10.04.2021, RV/6100531/2020 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Nur Tatsachen und Beweismittel, die gegenüber dem Finanzamt, welches den Bescheid über die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens erlässt, neu hervorgekommen sind, stellen Wiederaufnahmsgründe iSd § 303 Abs lit b BAO dar. Ausschließlich gegenüber einem anderen Finanzamt oder einer Zentralstelle neu hervorgekommene Tatsachen können – auch in Form von Standardbegründung (Multiple-Choice, abstrakte Umschreibung bei Massenverfahren) – eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht begründen, weil diese gegenüber dem bescheiderlassenden Finanzamt (noch) nicht neu hervorgekommen sind.

Berücksichtigung von Verfahrensfehlern bei der Ermessensübung iZm der Wiederaufnahme eines Feststellungsverfahrens

  • § 303 Abs. 1 BAO, § 20 BAO
  • BFG vom 12.04.2021, RV/7100736/2020 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Auch wenn für die amtswegige Wiederaufnahme – im Gegensatz zur für die Wiederaufnahme auf Antrag nach früherer Rechtslage nach § 303 Abs. 2 BAO idF vor BGBl I Nr 14/2013 maßgebenden Rechtslage – keine subjektive begrenzende Frist für die Verwertung der neu hervorgekommenen Tatsachen vorgesehen ist, so kann dieser Umstand bei der Ermessensübung nicht unberücksichtigt bleiben.

Rechtssatz 2: Die Rechtswidrigkeit einer Außenprüfung ist an sich sanktionslos. Sie hat jedoch bei der Ermessensübung Berücksichtig zu finden (vgl Ritz, BAO6, § 148 Rz 1 und 5, mwN sowie VwGH 25. März 1993, 92/16/0117, 0118; 19. Oktober 2006, 2002/14/0101). Das gilt auch für rechtswidrig erlangte Beweismittel und für „Verfahrensmängel der Betriebsprüfung“ (vgl Ritz, BAO6, § 303 Tz 85, mwN). Ein behördliches Verschulden ist gegebenenfalls bei der Ermessensübung zu berücksichtigen (vgl Ritz, BAO6, § 303 Tz 86, mit Verweis auf die Judikatur des VwGH).

Zurückweisung eines Vorlageantrags infolge fehlender Beschwerdevorentscheidung

  • § 264 Abs. 4 lit. e BAO, § 92 BAO, § 93 BAO, § 97 BAO, § 262 BAO, § 263 BAO, § 264 BAO, § 260 Abs. 1 lit. a BAO
  • BFG vom 04.05.2021, RV/7104116/2018 (Zurückweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1 (Folgerechtssatz, wie RV/7102328/2015): Unabdingbare Voraussetzung eines Vorlageantrags ist, dass die Abgabenbehörde eine Beschwerdevor­entscheidung erlassen hat. § 260 Abs. 2 BAO, wonach Bescheidbeschwerden auch vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht werden dürfen, ist zufolge § 264 Abs. 4 lit. e BAO ausdrücklich nicht auf Vorlageanträge anzuwenden. Ein verfrühter, weil vor Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gestellter, Vorlageantrag ist zurückzuweisen.

Rechtssatz 2: Ein vorzeitiger (vor Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung) eingebrachter Vorlageantrag ist unzulässig. Wird die (gesonderte) Begründung einer Beschwerdevorentscheidung vor der Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung zugestellt, ist ein zwischen der Zustellung der (gesonderten) Begründung und der Zustellung der eigentlichen Beschwerdevorentscheidung gestellter Vorlageantrag zufolge VwGH 25.11.1999, 99/15/0135 zulässig. Wird zwar die (gesonderte) Begründung einer Beschwerdevorentscheidung zugestellt, aber eine Beschwerdevorentscheidung nicht erlassen, ist ein nach Ergehen der Begründung gestellter Vorlageantrag unzulässig.

Rechtssatz 3: Was Gegenstand eines Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Auslegung des Spruchs eines Bescheides nach dessen Begründung nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Dagegen kommt eine Umdeutung (oder auch Ausweitung) eines klar gefassten Spruches anhand der Begründung des Bescheides nicht in Betracht. Ist somit der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu.

Rückforderung ohne jegliche Sachverhaltsermittlung

  • § 114 BAO, § 115 BAO, § 167 BAO, § 269 Abs. 2 BAO, § 85 BAO, § 92 BAO, § 93 BAO, § 265 BAO, § 269 BAO, Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung
  • BFG vom 12.05.2021, RV/7100887/2021 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 14: Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes vor.

Anspruchszinsen: Keine Anspruchszinsen, sondern Beschwerdezinsen für entrichtete strittige Abgaben bei zugunsten des Beschwerdeführers abändernder BVE

  • § 205 Abs. 5 BAO, § 205 BAO, § 205a BAO
  • BFG vom 10.05.2021, RV/7100911/2021 (Abänderung; Revision nicht zugelassen)

Entrichtet der Beschwerdeführer die strittige Einkommensteuer und ändert die Abgabenbehörde danach die Einkommensteuer mit BVE zugunsten des Beschwerdeführers, so liegt kein Anwendungsfall des § 205 Abs. 5 BAO vor, zumal nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber im Fall der Entrichtung einer strittigen Abgabe für ein- und dieselbe Abgabenzahlung sowohl Gutschriftzinsen als auch (die erst später eingeführten) Beschwerdezinsen gewähren wollte. Insoweit im Beschwerdeverfahren über den bereits geltend gemachten Abgabenanspruch entschieden wird, ist die Anspruchsverzinsung nicht betroffen.

1. Leistungsaustausch oder Steuerschuld kraft Rechnung
2. § 11 Abs. 14 UStG 1994 und Gefährdungshaftung bei formal vorhandener, aber eventuell unklarer Beschreibung einer fiktiven Leistung
3. Schätzung der Höhe der Steuerschuld kraft Rechnung

  • § 11 Abs. 14 UStG 1994, § 21 AVOG, § 27 Abs. 2 BAO, § 253 BAO
  • BFG vom 04.03.2021, RV/5101246/2015 (Abweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 4: Der für die Zuständigkeit eines Finanzamtes maßgebliche Ort der Geschäftsleitung einer eingetragenen unternehmerisch nicht tätigen Gesellschaft ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilen. Dieser war hier nach den Sachverhaltsfeststellungen an der Wohnanschrift des (faktischen) Geschäftsführers der Gesellschaft anzunehmen.
Zusatztext: Es ging um die Zuständigkeit der Vorschreibung einer Steuerschuld kraft Rechnung gem. § 11 Abs. 14 UStG 1994.

Rechtssatz 5: Wenn das Finanzamt in der BVE eindeutig über die Sache "Jahresumsatzsteuer Jahr X" abspricht, spricht sie gemäß § 262 BAO über die Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid für einen Monat dieses Jahres X, die gem. § 253 BAO als auch gegen den Jahresbescheid gerichtet gilt, ab. Es ist unschädlich, wenn im Spruch der BVE dagegen angeführt wird, dass über den als Beschwerde gegen den Jahresbescheid bezeichneten ergänzenden Schriftsatz abgesprochen wird.

Zoll

Vermischen von Mineralöl und – begrenzter – Kreis der Steuerschuldner

  • § 21 Abs. 3 MinStG 1995, § 26 Abs. 1 MinStG 1995, Art. 8 Abs. 1 lit. c RL 2008/118/EG, § 22 Abs. 1 Z 5 MinStG 1995
  • BFG vom 08.02.2021, RV/2200017/2019 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2021/16/0002.

Bei der Herstellung von Mineralöl ohne Bewilligung kommt nach der unmittelbar anzuwendenden Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 2008/118/EG die Person, in deren Gewahrsame sich das ohne Bewilligung hergestellte Mineralöl befindet, ohne dieses hergestellt zu haben oder an der Herstellung beteiligt gewesen zu sein, entgegen § 22 Abs. 1 Z 5 MinStG nicht als Steuerschuldner in Betracht.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 235

Geschäftsführerhaftung bei zu Unrecht erfolgter Inanspruchnahme der Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (Einfuhr und anschließende innergemeinschaftliche Lieferung)

  • Art. 7 UStG 1994, § 80 BAO, § 224 BAO, Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, § 9 BAO
  • BFG vom 03.03.2021, RV/5200039/2015 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Im Rahmen der Geschäftsführerhaftung bei zu Unrecht erfolgter Inanspruchnahme der Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 ist die Rechtsprechung des EuGH, wonach von einem Wirtschaftsteilnehmer gefordert werden kann, dass er in gutem Glauben handelt und alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass sein Handeln nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt, für die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung maßgeblich.

Rechtssatz 2: Der maßgebliche Zeitpunkt für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, ist – vergleichbar mit der Situation bei Selbstbemessungsabgaben – der Zeitpunkt, zu dem die Eingangsabgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Welche Person wird als Hersteller iSd § 22 Abs. 5 MinStG zum Steuerschuldner?

  • § 22 Z 5 MinStG 1995, § 21 Abs. 3 MinStG 1995
  • BFG vom 18.03.2021, RV/7200022/2018 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Bei der gem. § 21 Abs. 3 MinStG steuerschuldbegründenden Herstellung von Mineralöl im Rahmen eines Unternehmens wird das Unternehmen und nicht etwa dessen Geschäftsführer als natürliche Person als Hersteller zum Steuerschuldner gem. § 22 Z 5 MinStG.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2021, 210

Festsetzung einer Verwaltungsabgabe gegenüber dem Zollvertreter

  • Art. 42 Abs. 1 UZK, § 41 ZollR-DG, § 30 ZollR-DV
  • BFG vom 10.06.2021, RV/5200009/2017 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht eine nationale Maßnahme dann über das hinaus, was erforderlich ist, um die Einhaltung der Zollvorschriften zu gewährleisten, wenn sie wegen unrichtiger Angaben in der Zollanmeldung nicht den als Anmelder und Warenempfänger auftretenden Beteiligten im Sinne des Art. 15 UZK, sondern dessen direkten Vertreter mit einer Sanktion belegt, obwohl der Zollvertreter im Zeitpunkt der Einreichung der Zollanmeldung aufgrund der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen keine Kenntnis von der Unrichtigkeit der Angaben in der Zollanmeldung haben konnte und ihm daher die Pflichtverletzung nicht zuzurechnen ist.