BFG-Newsletter 2024/01

Beihilfen / FLAG

Zeitpunkt der Feststellung einer erheblichen Behinderung bei Autismuserkrankung

  • § 8 Abs. 4, 5 und 6 FLAG, § 8 Abs. 6 FLAG
  • BFG vom 06.01.2024, RV/7100970/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Die Behörde des Verwaltungsverfahrens ist verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa VwGH 25.11.2010, 2010/16/0068, m.w.N.). Dies setzt voraus, dass sich die Behörde vor Erlassung ihrer Entscheidung Kenntnis vom gesamten Inhalt des jeweiligen Gutachtens verschafft. § 8 Abs. 6 FLAG 1967 i.d.g.F. steht dem nicht entgegen. Auch wenn keine automatische Übermittlung des vollständigen Gutachtens durch das Sozialministeriumservice an das Finanzamt erfolgt, ist im Fall von Einwendungen gegen die Bescheinigung des Sozialministeriumservice das Gutachten von der Behörde beim jeweiligen Antragsteller beizuschaffen, um die Schlüssigkeit der Einwendungen beurteilen zu können. Eine den Verfahrensgesetzen entsprechende Verwendung personenbezogener Daten, auch wenn es sich um Gesundheitsdaten handelt, ist grundsätzlich auch aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig (vgl. OGH 20.11.2023, 6 Ob 196/23a zu Pflegschaftsverfahren m.w.N.).

Kein Familienbeihilfeanspruch für Angestellte der IAEO / IAEA

  • § 26 Abs. 1 FLAG, § 2 FLAG, § 3 FLAG, Art. X Abschnitt 26 Amtssitz - Internationale Atomenergie-Organisation
  • BFG vom 27.02.2024, RV/7101034/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Drittstaatsangehörige Angestellte der International Atomic Energy Agency (IAEA) / Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag. Auf die Staatsbürgerschaft des Kindes kommt es diesbezüglich nicht an.

Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen wegen Studienabbruch

  • § 2 Abs. 1 lit. h FLAG
  • BFG vom 06.02.2024, RV/3100247/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann im Zusammenhang mit der Gewährung der Familienbeihilfe nicht mehr gesprochen werden, wenn die Ausbildung nach ihrem Abbruch nicht wieder aufgenommen wird. Das bloße Aufrechterhalten eines Berufswunsches ist der tatsächlichen Ausbildung nicht gleichzuhalten (vgl. zB VwGH 24.09.2009, 2009/16/0088).

Einkommensteuer

Krankenhausaufenthalt in der Sonderklasse als außergewöhnliche Belastung

  • § 34 Abs. 1 EStG 1988
  • BFG vom 21.12.2023, RV/7103757/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Die mit einem Krankenhausaufenthalt in der Sonderklasse verbundenen Mehrkosten (hier: Selbstbehalt in einer privaten Krankenzusatzversicherung) stellen nur dann eine außergewöhnliche Belastung dar, wenn für den Aufenthalt in der Sonderklasse triftige medizinische Gründe vorliegen, d.h. wenn mit einem Aufenthalt in der allgemeinen Gebührenklasse ernsthafte gesundheitliche Nachteile verbunden gewesen wären. Hierfür ist der Steuerpflichtige behauptungs- und beweispflichtig.

Verlustverwertung bei Kapitalvermögen

  • § 34 EStG 1988
  • BFG vom 01.02.2024, RV/7100381/2023 (Abänderung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1050/2024 anhängig.

Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, sind nicht zwangsläufig erwachsen (vgl zB VwGH 20. November 2019, Ro 2018/15/0024; VwGH 25. Juli 2018, Ro 2018/13/0002). Der bei der Veräußerung von Kapitalvermögen (Aktien) des Privatvermögens erzielte Verlust als Folge einer freiwillig getätigten wirtschaftlichen Entscheidung der Beschwerdeführerin kommt schon mangels ursprünglicher Zwangsläufigkeit dem Grunde nach nicht zur Berücksichtigung eines Vermögensverlustes als außergewöhnliche Belastung in Betracht.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Knesl in BFGjournal 2024, 95

Kein Arbeitszimmer bei bloß pandemiebedingter Telearbeit

  • § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988
  • BFG vom 31.01.2024, RV/7100140/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Eine bloß vorübergehende Bürosperre führt noch nicht dazu, dass ein Arbeitszimmer notwendig wird, denn vorübergehende Unbenutzbarkeit des Büros ändert nichts an der grundsätzlichen Art der Tätigkeit.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2024, 54

Ein Kündigungsrecht des Fruchtgenussbestellers steht einer Nutzung der dienstbaren Sache durch den Fruchtgenussberechtigten nach eigenen Intentionen entgegen

  • § 2 Abs. 2 EStG 1988
  • BFG vom 15.01.2024, RV/5101382/2020 (Abänderung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Das Vorliegen eines Kündigungsrechts des Fruchtgenussbestellers in Bezug auf die Fruchtgenussvereinbarung steht einer unbeschränkten Nutzung der dienstbaren Sache durch die fruchtgenussberechtigte Person entsprechend eigener Intentionen entgegen, vermag doch der Fruchtgenussbesteller durch Ausübung des Kündigungsrechts bzw. Androhung der Ausübung in die Nutzung der dienstbaren Sache durch die fruchtgenussberechtigte Person einzugreifen. Zudem kann der Fruchtgenussbesteller durch Ausüben des Kündigungsrechts jederzeit die Einkünfte aus der dienstbaren Sache wieder an sich ziehen. Infolgedessen steht ein Kündigungsrecht des Fruchtgenussbestellers einer Übertragung der Einkünfte aus der dienstbaren Sache auf die fruchtgenussberechtigte Person entgegen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Brandstetter in BFGjournal 2024, 48

Prozesskosten als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung

  • § 16 Abs. 1 EStG 1988
  • BFG vom 18.01.2024, RV/5100463/2020 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Betreffen bei Vermietung und Verpachtung Prozess- und Anwaltskosten den Vermögensstamm, liegen keine Werbungskosten vor.

Werbungskosten Vizebürgermeister

  • § 16 Abs. 3 EStG 1988
  • BFG vom 26.02.2024, RV/7100453/2023 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Nach der Rechtsprechung des VwGH können bei Politikern nur Aufwendungen anlässlich konkreter Wahlveranstaltungen bzw. zur Informationsbeschaffung als Werbungskosten anerkannt werden (VwGH 14.12.2000, 95/15/0040). Vom Steuerpflichtigen ist daher in jedem einzelnen Fall konkret nachzuweisen, dass diese Ausgaben getätigt wurden, diese einen eindeutigen Werbezweck gehabt hatten und dass die berufliche Veranlassung überwogen hat.
Das bedeutet im ersten Schritt, dass ein konkreter Nachweis über Zeitpunkt und Höhe den Abfluss des betroffenen Betrages zu erbringen ist. Werden vom Steuerpflichtigen lediglich selbst erstellte Ausgabenlisten vorgelegt, stellen diese keinen Nachweis des Zahlungsabflusses dar. Die erforderliche weitere Überprüfung des eindeutigen Werbezweckes ist damit schon von vornherein ausgeschlossen.

Finanzstrafrecht

Verletzung der Meldeverpflichtung nach § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG, kein Absehen von einer Strafe nach § 25 FinStrG

  • § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG, § 5 WiEReG
  • BFG vom 14.12.2023, RV/2300002/2023 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Für ein Absehen von einer Geldstrafe nach § 25 FinStrG wird gefordert, dass eine Tat nur unbedeutende Folgen hatte und das Verschulden des Täters geringfügig ist. Bei Verletzung einer Meldeverpflichtung nach § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG kann von unbedeutenden Folgen der Tat gesprochen werden, wenn nur eine Meldung abzugeben war, dass sich nichts geändert habe. Wenn der Bf. jedoch bereits einmal einer Meldeverpflichtung nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist und wiederum grob fahrlässig Erinnerungen in der Databox nicht eingesehen werden, ist das Verschulden nicht geringfügig.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Schmutzer in BFGjournal 2024, 33

1. Steuerliche Ansässigkeit eines weltweit tätigen Ingenieurs
2. Abgabenhinterziehung mangels Offenlegung seiner Einkünfte

  • Art. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland, Art. 4 DBA GB (E), Doppelbesteuerungsabkommen Großbritannien und Nordirland, Art. 15 Abs. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland, § 207 Abs. 2 BAO, § 9 FinStrG, § 33 Abs. 1 FinStrG
  • BFG vom 31.01.2024, RV/3100069/2016 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA ist eine Person dort steuerlich ansässig, wo sie aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Nach den "tie-breaker-rules" des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA ist im Falle einer Doppelansässigkeit zunächst jener Staat ausschlaggebend, in welchem die Person über eine ständige Wohnstätte verfügt. Trifft dies auf beide Staaten zu, ist der Staat ausschlaggebend, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Nur wenn auch dieses Kriterium nicht zur Auflösung der Doppelansässigkeit führt, ist zunächst der gewöhnliche Aufenthalt und zuletzt die Staatsangehörigkeit ausschlaggebend.

Rechtssatz 2: Nach Art. 15 Abs. 4 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland (BGBl. III Nr. 182/2002) gilt eine nichtselbständige Arbeit einer in Österreich ansässigen Person nur dann als in Deutschland ausgeübt, wenn sie auch tatsächlich in Deutschland besteuert wurde.

Rechtssatz 3: Der Einwand des Bf., er sei davon ausgegangen, dass er nicht in Österreich, sondern in einem anderen Staat steuerpflichtig sei, zielt nicht auf einen den Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtum im Sinne des § 9 FinStrG ab, sondern auf einen auf der Tatbestandsebene angesiedelten Tatbildirrtum, der im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen ist (OGH 28.10.2015, 13 Os 112/15t).

Meldepflichtverletzung nach § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG, Vorsatz, Dauerdelikt

  • § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG, § 5 WiEReG, § 21 Abs. 2 FinStrG
  • BFG vom 09.01.2024, RV/7300022/2023 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Ein Dauerdelikt der Meldepflichtverletzung nach § 15 Abs. 1 Z 2 WiEReG beginnt mit Ablauf der Nachfrist nach der zweiten Erinnerung und endet mit Nachmeldung. Es ist demnach auch eine Änderung des subjektiven Tatbestandes im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung des Deliktes relevant. Ab Zustellung der Einleitung des Finanzstrafverfahrens an ihn hat es der Beschuldigte nach Ansicht des Senates ernstlich für möglich gehalten, dass ihn eine Meldeverpflichtung getroffen habe, der er bereits in einem Ausmaß nicht nachgekommen sei, dass Strafbarkeit eingetreten sei und er hat sich durch weiteres Nichthandeln über einen Zeitraum von ca. einem Jahr wegen Unterlassung der Beendigung der Pflichtverletzung mit dieser auch abgefunden und somit Vorsatz als subjektive Tatseite zu verantworten.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Schmutzer in BFGjournal 2024, 33

Maßnahmenbeschwerde: Anfallsbericht an die StA wurde erst nach Abschluss einer Prüfung nach § 99 Abs. 2 FinStrG erstattet, das ist kein Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

  • § 156 Abs. 1 FinStrG, § 82 Abs. 1 FinStrG, § 99 Abs. 2 FinStrG
  • BFG vom 18.01.2024, RM/7300010/2023 (Zurückweisung, Revision nicht zugelassen)

Nach § 82 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde vor Erstattung eines Anfallsberichtes an die Staatsanwaltschaft gemäß § 100 Abs. 2 StPO auch eine Prüfung des Vorliegens der subjektiven Tatseite für Abgabenhinterziehungen vorzunehmen, deren Ahndung wegen der Höhe eines strafbestimmenden Wertbetrages in die gerichtliche Zuständigkeit fällt. Es ist nicht zwingend bereits während einer Prüfung nach § 99 Abs. 2 FinStrG, wenn sich abzeichnet, dass eine Abgabennachforderung über € 150.000,00 herauskommen könnte, ein Anfallsbericht zu erstatten. Eine Unterlassung der Erstattung eines Anfallsberichtes stellt keine Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar.

Gebühren und Verkehrsteuern

Vorwegvereinbarung betreffend Ehewohnung ("Opting-Out"-Regelung iSd § 87 EheG) - kein Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG 1957

  • § 33 TP 20 GebG
  •  BFG vom 19.12.2023, RV/5100940/2021 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Wird im Zuge der Eheschließung die sog. "Opting-Out"-Regelung iSd § 87 EheG vereinbart, geht es um die Möglichkeit der vertraglichen Vorwegvereinbarung bestimmter Vermögenszuordnungen und nicht um einen Vergleich. Eine Gebührenpflicht iSd § 33 TP 20 GebG ist in diesem Fall zu verneinen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Stephan in BFGjournal 2024, 68

Übertragung eines Eigentumswohnungsanteils an den ehemaligen Lebensgefährten - keine Begünstigung nach § 7 Abs 1 Z 1 lit c GrEStG 1987

  • § 26a Abs. 1 Z 1 GGG, § 7 Abs. 1 Z 1 lit. c GrEStG 1987
  • BFG vom 29.12.2023, RV/2100412/2021 (Abweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Die Übertragung eines Wohnungseigentumsanteils an den ehemaligen Lebensgefährten erfordert für die grunderwerbsteuerliche Begünstigung nach § 7 Abs 1 Z 1 lit c GrEStG 1987 einen Zusammenhang mit der Auflösung der Lebensgemeinschaft.

Rechtssatz 2: Der Begünstigung des § 7 Abs 1 Z 1 lit c GrEStG 1987 ist in Verbindung mit § 26a Abs 1 Z 1 GGG nicht zu entnehmen, dass Lebensgefährten stets diese Begünstigung in Anspruch nehmen können, sofern sie nur jemals über einen gemeinsamen Wohnsitz verfügt haben. Eine derart extensive Interpretation würde zu einer Bevorzugung von Lebensgemeinschaften in Vergleich mit Ehen und eingetragenen Partnerschaften führen.

Begründung von Miteigentümergemeinschaften im Zuge der Umsetzung eines Teilungsplans

  • § 1 Abs. 1 GrEStG 1987
  • BFG vom 30.12.2023, RV/7106114/2016 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Der Teilungsplan legt die Grenzen der von ihm erfassten Grundstücke neu fest, bildet allerdings keinen Rechtstitel für die Übertragung der einzelnen Trennstücke, bei denen die Zuschlagung zu einem neugebildeten Grundstück auch zu einem Wechsel der Eigentümerstruktur führt. Vielmehr setzt die Neuaufteilung bei einem Wechsel des Eigentümers eines Trennstücks einen gesonderten Titel voraus und die Vorlage der entsprechenden grundbuchsfähigen Urkunde kann durch den Teilungsplan nicht ersetzt werden (vgl. Rassi, Grundbuchsrecht³ 6.4).
Daraus ergibt sich, dass auch nicht der Teilungsplan als solcher einer grunderwerbsteuerlichen Beurteilung zu unterziehen ist, sondern vielmehr hinsichtlich der einzelnen – der Umsetzung des gegenständlichen Teilungsplan dienenden und die einzelnen Trennstücke betreffenden – Übertragungs- und Tauschvorgänge gesondert zu prüfen ist, inwieweit diese der Grunderwerbsteuer unterliegen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Engenhart in BFGjournal 2024, 59

Haftung des Verpächters von Räumlichkeiten für die Glücksspielabgabe

  • § 59 Abs. 4 lit. a GSpG
  • BFG vom 10.01.2024, RV/7101501/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Wenn die Vermieterin (-pächterin) Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen konnte, Vertragszweck der Betrieb eines Card Casinos war, sie selbst ein wirtschaftliches Interesse an der Weiterführung des Betriebes bekundete und Vorsorge für eine allfällige Haftungsinanspruchnahme treffen hätte können, erscheint eine (begrenzte) Haftung für Glücksspielabgaben sachlich gerechtfertigt.

Bekanntgabe der selbstberechneten Glücksspielabgabe zunächst per Post und dann elektronisch - Beginn der Jahresfrist für die Erlassung eines Bescheides nach § 201 Abs. 2 Z. 1 BAO bereits mit der Postaufgabe

  • § 108 BAO, § 59 Abs. 3 GSpG, § 201 Abs. 2 Z 1 BAO
  • BFG vom 08.02.2024, RV/7105809/2015 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Der Beginn der Jahresfrist iSd § 201 Abs. 2 Z. 1 BAO wird auch ausgelöst, wenn dem Finanzamt die Bemessungsgrundlage für die Glücksspielabgabe und die Höhe des selbstberechneten Abgabenbetrages entgegen der in § 59 Abs. 3 GSpG vorgesehenen Formvorschrift nicht elektronisch, sondern durch ein Schreiben bekannt gegeben wird.
Im Fall der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages durch ein schriftliches Anbringen ist die Bestimmung des § 108 Abs. 4 BAO anwendbar und löst daher bereits die Postaufgabe des Anbringens die Jahresfrist aus.

Körperschaftsteuer / Umgründungen

Portfolio-Beteiligungen: Keine Anrechnung von ausländischen Quellensteuern bei steuerfreien Beteiligungserträgen

  • § 13 Abs. 2 KStG 1988, Mutter-Tochter-Richtlinie, RL 2011/96/EU
  • BFG vom 15.02.2024, RV/7102886/2022 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Bei steuerfreien Beteiligungserträgen ist eine Anrechnung von ausländischen Quellensteuern auf die inländische Körperschaftsteuer nicht vorgesehen; der Anrechnungshöchstbetrag beträgt EUR Null. Nach Rechtsprechung des EuGH liegt bei der ungünstigeren Behandlung von Dividenden, die an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Empfängergesellschaft bezahlt werden, gegenüber reinen Inlandsdividenden, ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor. Diesfalls ist es Sache des Quellenstaates (und nicht des Ansässigkeitsstaates), eine Vermeidung bzw Abschwächung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung sicherzustellen (vgl EuGH 8.11.2007, Amurta, C-379/05).

Umsatzsteuer

Leistungen eines Tierbestattungsunternehmens sind einheitliche Leistungen, deren charakteristisches Element nicht die Müllbeseitigung darstellt

  • § 300 Abs. 1 BAO, Art. 134 Abs. 1 B-VG, § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, § 10 Abs. 2 Z 7 UStG 1994, § 10 Abs. 2 Z 13 UStG 1994
  • BFG vom 04.12.2023, RV/3100523/2021 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Rechtssatz 1: Der Verwaltungsgerichtshof ist kein Verwaltungsgericht im Sinne des § 300 Abs. 1 BAO. Bescheidänderungen nach einer Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes sind daher nicht gemäß § 300 Abs. 1 unwirksam, auch wenn der abgeänderte Bescheid Gegenstand eines im Zeitpunkt der Bescheidänderung noch anhängigen Revisionsverfahrens ist.

Rechtssatz 2: Nimmt ein Tierbestattungsunternehmen neben der Kremierung eines verstorbenen Haustieres dessen Transport sowie die Rückführung der Asche vor und erbringt das Unternehmen im Zusammenhang mit der Kremierung auch Leistungen, die für einen pietät- und würdevollen Abschied sorgen sollen (z.B. Zeremonie, Parte), liegt insgesamt nach der Verkehrsauffassung eine einheitliche Leistung vor, deren charakteristisches Element nicht in der "Müllbeseitigung" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 7 UStG 1994 besteht, sondern den Leistungen von herkömmlichen Bestattungsunternehmen ähnelt. Auf diese einheitliche Leistung gelangt der Normalsteuersatz zur Anwendung.

Verfahrensrecht

Rückforderung eines zu Unrecht an den steuerlichen Vertreter ausbezahlten Guthabens gemäß § 241a BAO

  • § 239 BAO, § 1008 ABGB, § 241a BAO, § 241a BAO
  • BFG vom 23.01.2024, RV/5100392/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Rechtssatz 1: Der Anwendungsbereich des § 241a BAO umfasst alle Rückzahlungen, die ohne Rechtsgrund erlangt wurden. Dazu zählen insbesondere auch Fälle, in denen es für eine Rückzahlung eines zu Recht am Abgabenkonto ausgewiesenen Guthabens an den Antragsteller am Rechtsgrund – hier dem Vorliegen einer aufrechten Geldvollmacht gemäß § 1008 ABGB – fehlte.

Rechtssatz 2: Die Bestimmung des § 241a BAO normiert – ebenso wie § 26 FLAG 1967, auf den in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich verwiesen wird – eine objektive Rückzahlungspflicht rechtsgrundlos erlangter Rückzahlungen. Subjektive Momente, wie Verschulden (des Rückzahlungspflichtigen oder der Behörde), Gutgläubigkeit, oder die Verwendung des rückgezahlten Betrages, sind für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßig erlangter Rückzahlungen unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. zur objektiven Rückzahlungspflicht des § 26 FLAG 1967 eingehend Lenneis/Wanke, FLAG2, § 26 Rz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Verständigung gemäß § 281a BAO

  • § 262 Abs. 3 BAO
  • BFG vom 02.02.2024, RV/7100300/2024 (Einstellung; Revision nicht zugelassen)

Wird in einer Beschwerde (ausschließlich) geltend gemacht, dass eine innerstaatliche Bestimmung gegen Unionsrecht verstößt, stellt dies keinen Anwendungsfall des § 262 Abs. 3 BAO dar, in dem die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Verwaltungsgericht vorzulegen wäre.

Zurückziehung einer Beschwerde

  • § 256 Abs. 3 BAO
  • BFG vom 08.01.2024, RV/5100584/2023 (Gegenstandsloserklärung; Revision nicht zugelassen)

Eine Beschwerde kann nur zur Gänze zurückgenommen werden. Eine teilweise Zurücknahme hinsichtlich bestimmter Beschwerdepunkte wäre als Einschränkung des Beschwerdebegehrens, somit als Änderung der Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird (§ 250 Abs. 1 lit. b BAO) anzusehen (Ritz, BAO7, § 256 Tz 8). Werden alle Beschwerdepunkte zurückgenommen, stellt dies eine Zurücknahme der Beschwerde zur Gänze dar.

Haftung für Lohnsteuern, deren Bezahlung vom Masseverwalter angefochten wurde

  • § 31 KO, § 30 IO, § 9 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 08.01.2024, RV/5100500/2020 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag (BFH 11.11.2008, VII R 19/08).

Rechtssatz 2: Die Lohnsteuer wird vom Arbeitnehmer geschuldet (§ 83 Abs. 1 EStG). Für die Einbehaltung und Abfuhr haftet aber der Arbeitgeber dem Bund (§ 82 EStG). Er hat aufgrund dieser Bestimmung für eine fremde Schuld, nämlich jene des lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmers einzustehen. Die Geltendmachung dieser Haftung erfolgt durch Erlassung eines Haftungsbescheides, und erst durch den Haftungsbescheid entsteht die Abgabenschuld des Arbeitgebers (Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze, § 30 IO Tz 87 mit Judikaturnachweisen).

Rechtssatz 3: Die Zahlung der Lohnsteuer ist nach den Bestimmungen der §§ 30, 31 IO unanfechtbar, soweit kein Haftungsbescheid (§ 82 EStG) gegen den Arbeitgeber erlassen wurde (vgl. OGH 27.04.2004, 10 Ob 54/03v; OGH 18.10.2016, 3 Ob 155/16i; vgl. auch VwGH 25.1.2000, 96/14/0080).

Rechtssatz 4: Auch Lohnsteuerzahlungen, die durch Anrechnung von Saldozahlungen auf die älteste Schuld erfolgten, sind der Anfechtung nach den § 30 und 31 IO entzogen (vgl. OGH 6.6.2001, 6 Ob 339/00x).

Rechtssatz 5: Werden anfechtungsfest bezahlte Lohnsteuern zu Unrecht vom Insolvenzverwalter angefochten, und entspricht das Finanzamt diesen Anfechtungen, ist für die dadurch eingetretene Uneinbringlichkeit der Lohnsteuern bei der Primärschuldnerin nicht die verspätete Entrichtung durch den Geschäftsführer kausal, sondern die unberechtigte Anfechtung der Zahlungen durch den Insolvenzverwalter und die zu Unrecht erfolgte Ankerkennung dieser Anfechtung durch das Finanzamt. Für eine Geschäftsführerhaftung fehlt daher der Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen: Zinöcker in BFGjournal 2024, 112

Aufhebung und Zurückverweisung bei massiven Ermittlungslücken

  • § 115 Abs. 1 BAO, § 20 BAO, § 278 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 16.02.2024, RV/5100080/2024 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Bedarf es in beachtlichem Umfang noch ergänzender Ermittlungen unter Wahrung des Parteiengehörs, ist ein Ausnahmefall gegeben, der trotz der von der Rechtsprechung des VwGH vorgegebenen restriktiven Anwendbarkeit der Aufhebung unter Zurückverweisung diese ausnahmsweise erfordert.

Rechtssatz 2: Muss der Sachverhalt in vielen Bereichen neu bzw. erstmals ermittelt und beurteilt werden, kann dies effizienter und rascher durch Außendienstorgane der belangten Behörde durchgeführt werden. Diese Organe können derart in Rede und Gegenrede und Würdigung vorgelegter Beweismittel unmittelbar den maßgeblichen Sachverhalt ermitteln. Dagegen müsste das Bundesfinanzgericht entweder im Wege von Ermittlungsaufträgen oder im schriftlichen Vorhaltverfahren gegenüber den einzelnen Parteien versuchen, den Sachverhalt zu ermitteln und die jeweiligen Ermittlungsergebnisse der jeweils anderen Partei zur Kenntnisnahme bzw zur Stellungnahme übermitteln.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Versäumung der Vorlageantragsfrist durch den steuerlichen Vertreter aufgrund eines 19 Tage bzw. 14 Werktage andauernden tiefgreifenden familiären Ereignisses

  • § 81 WTBG, § 308 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 28.02.2024, RV/2100017/2024 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 2: Der steuerliche Vertreter hätte – wenn die Kanzleiorganisation keine Fristenwahrung sicherstellen kann -- bei einem (hier zweifelsohne vorliegenden) tiefgreifenden familiären Ereignis von nicht absehbarer Dauer innerhalb kürzester Zeit (von jedenfalls weniger als 19 Tagen bzw. 14 Werktagen) die Verpflichtung gehabt, die Berechtigung gemäß § 81 WTBG wahrzunehmen, sich bei Verhinderung durch einen anderen Berufsberechtigten (zumindest hinsichtlich der Fristenwahrung) vertreten zu lassen, um ein "Vergessen" von fristgebundenen Verfahrenshandlungen zu vermeiden.

Fehlen der Angabe eines Wiederaufnahmegrundes als Aufhebungsgrund nach § 299 BAO

  • § 303 Abs. 1 BAO, § 307 Abs. 3 BAO
  •  BFG vom 14.03.2024, RV/5100471/2023 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Die Angabe eines Wiederaufnahmegrundes ist ein essentieller Bestandteil eines Wiederaufnahmebescheides, weshalb das gänzliche Fehlen einer derartigen Angabe allein schon zur Unrichtigkeit des Bescheides führt.

Begräbniskosten als außergewöhnliche Belastung - Bindung an den Wert des Reinnachlasses?

  • § 116 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 11.03.2024, RV/7102066/2022 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 3: Eine Bindung an den Beschluss des (Verlassenschafts-)Gerichtes hinsichtlich des Wertes des Reinnachlasses (=Vermögen abzüglich Verbindlichkeiten) besteht nicht. Vielmehr hat die Abgabenbehörde den Wert des Reinnachlasses aus dem Gesichtswinkel des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung unter eigener Verantwortung zu beurteilen (VwGH 16.12.1993, 88/16/0235).

Landes- und Gemeindeabgaben, Verwaltungsstrafangelegenheiten

Parkometerabgabe:
1. Rechtsfolgen einer verspäteten Entrichtung der Organstrafverfügung
2. Zulässigkeit der Lenkerauskunft gemäß § 2 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz bei verspäteter Entrichtung der Organstrafverfügung

  • § 50 Abs. 6 VStG
  • BFG vom 09.01.2024, RV/7500534/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Verweigert der Beanstandete die Zahlung einer Organstrafverfügung, wird gemäß § 50 Abs. 6 VStG 1991 die Organstrafverfügung gegenstandslos und ist Anzeige an die Behörde mit der Rechtsfolge zu erstatten, dass ein Strafverfahren einzuleiten ist.
Ein Betrag aus der verspäteten Entrichtung der Organstrafverfügung ist daher auf eine im fortgesetzten Verfahren verhängte Geldstrafe anzurechnen, wobei die Anrechnung im Spruch des nachfolgenden Straferkenntnisses aufzunehmen ist (vgl. VwGH 21.10.1992, Zl. 92/02/0200).

Verstärkte Mitwirkungspflicht des Zulassungsbesitzers am Verwaltungsstrafverfahren, wenn sich die bekanntgegebenen Lenker in einem ausländischen Kriegsgebiet befinden

  • § 4 Wiener Parkometergesetz 2006
  • BFG vom 21.12.2023, RV/7500322/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Nach der Rechtsprechung des VwGH verpflichtet die Bezeichnung einer Person als Lenker, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält und deren verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung, aber auch deren Heranziehung zur Mitwirkung an administrativen Ermittlungsverfahren zumindest erheblich erschwert ist, den befragten Zulassungsbesitzer zu einer verstärkten Mitwirkung an dem Verwaltungsstrafverfahren. Die belangte Behörde kann dann, wenn ihr Versuch, mit der als Lenker bezeichneten Person in Kontakt zu treten, scheitert, den Zulassungsbesitzer dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser Person und deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt glaubhaft zu machen. Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, wird die belangte Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Ist der Zulassungsbesitzer dazu grundsätzlich bereit, reichen aber dessen Behauptungen zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der belangten Behörde (noch) nicht aus, so hat ihn die belangte Behörde zu zweckdienlichen Ergänzungen zu verhalten und darüber hinaus selbstständige Ermittlungen anzustellen (vgl. VwGH vom 23.01.2009, 2008/02/0030).

Mangelhafte Beschwerde gegen einen Zurückweisungsbescheid, Verbesserungsauftrag nicht vollständig und rechtzeitig erfüllt

  • § 9 Abs. 1 VwGVG, § 13 Abs. 3 AVG
  • BFG vom 16.01.2024, RV/7500586/2023 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Die von § 9 Abs. 1 Z 1 VwGVG als notwendiger Bestandteil einer Beschwerde geforderte Bezeichnung des angefochtenen Bescheides hat grundsätzlich durch Datum und Geschäftszahl zu erfolgen. Ausnahmen: Es ist unschädlich, wenn in der Beschwerde der angefochtene Bescheid zwar falsch bezeichnet ist, aber der Beschwerde eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides beigelegt wird, oder wenn sich aus dem gesamten Kontext der Beschwerde zweifelsfrei ergibt, welcher Bescheid angefochten wird.

Rechtssatz 2: Die von § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG als notwendiger Bestandteil einer Beschwerde geforderte Angabe von Gründen, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides stützt, ist zu unterscheiden von der Stichhaltigkeit der Gründe. Auch inhaltlich verfehlte Gründe erfüllen das Erfordernis des § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG. Abstrakte Behauptungen, wie zB der Bescheid sei rechtswidrig, sind keine Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit. Vielmehr sind konkrete Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit vorzubringen.
Zusatztext: Fragen an die belangte Behörde sowie an die belangte Behörde gerichtete datenschutzrechtliche Aufforderungen sind keine Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit eines im Verwaltungsstrafverfahren ergangenen Bescheides im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG stützen kann.

Rechtssatz 3: Das von § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG als notwendiger Bestandteil einer Beschwerde geforderte Begehren muss nicht ausdrücklich formuliert sein; das Begehren kann auch aus der Beschwerde insgesamt oder der Natur der Sache erschließbar sein.
Zusatztext: Bei einem angefochtenen Zurückweisungsbescheid kann die Anfechtung nur die Aufhebung des Bescheides bezwecken. Im Beschwerdeverfahren nach der BAO werden die vergleichbaren Inhaltserfordernisse an eine Beschwerde gegen einen Zurückweisungsbescheid gemäß § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO (Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; Erklärung, welche Änderungen beantragt werden) als inhaltsleer betrachtet. Eine Übertragung dieser Auffassung auf das Beschwerdeverfahren nach dem VwGVG bedeutet, dass das Inhaltserfordernis des § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG im Falle der Beschwerde gegen einen Zurückweisungsbescheid inhaltsleer ist, d.h. dass es diesfalls keinen Mangel hinsichtlich § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG geben kann.

Rechtssatz 4: Wenn die beschwerdeführende Partei nach der Erteilung eines Verbesserungsauftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG wegen mehrerer Mängel ihrer Beschwerde nur einen Teil der Mängel behebt, bleibt die Beschwerde mangelhaft und die zwingende Konsequenz der Zurückweisung der Beschwerde tritt ein.

Rechtssatz 5: Die von § 9 Abs. 1 Z 5 VwGVG als notwendiger Bestandteil einer Beschwerde geforderten Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde erforderlich sind, bestehen bei einem schriftlichen Bescheid in der Regel in der Angabe des Tages der Bescheidzustellung. Nicht „erforderlich“ iSd § 9 Abs. 1 Z 5 VwGVG ist die Angabe des Zustellungstages, wenn für das Verwaltungsgericht auch ohne Angabe in der Beschwerde der Beginn der Beschwerdefrist ohne weiteres eindeutig aus dem Verwaltungsakt ersichtlich ist, zB durch einen Rückschein mit ausreichenden Angaben, oder wenn sich bereits aus der Datierung des Bescheides in Verbindung mit dem Einbringungsdatum der Beschwerde ergibt, dass dieser Zeitraum die vierwöchige Beschwerdefrist denkunmöglich übersteigen kann.

Zoll und Außenwirtschaft

Rückwirkende Ausweitung eines Antidumpingzolls; Berechnung von Verzugszinsen

  • Art. 114 UZK
  • BFG vom 11.12.2023, RV/7200002/2018 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Wird ein eingeführter endgültiger Antidumpingzoll nach Durchführungen von Untersuchungen durch die Kommission ausgeweitet, sind keine Verzugszinsen nach Artikel 114 Zollkodex der Union zu berechnen, weil die Zollschuld weder aufgrund von Artikel 70 entsteht noch aufgrund einer nachträglichen Kontrolle iS von Artikel 48 mitgeteilt wird.

Bezug eines Erzeugnisses aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken gemäß § 49 AlkStG; Steuerschuldner

  • § 49 AlkStG
  • BFG vom 31.01.2024, RV/7200017/2017 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Der Tatbestand des § 49 Abs 2 Alkoholsteuergesetz kann infolge der Spezialität des Tatbestandes des § 49 Abs 1 (Bezug zu gewerblichen Zwecken) durch die bloße Gewahrsame an Alkohol und alkoholhaltigen Waren nicht erfüllt werden.

Anmerkungen: Abweichend RV/7200075/2016 vom 7.8.2019

Bezug von Bier aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken gemäß § 26 BierStG 1995; Steuerschuldner

  • § 26 Abs. 2 BierStG 1995
  • BFG vom 09.02.2024, RV/7200020/2017 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Der Tatbestand des § 26 Abs 2 Biersteuergesetz 1995 kann infolge der Spezialität des Tatbestandes des § 26 Abs 1 (Bezug zu gewerblichen Zwecken) durch die bloße Gewahrsame am Bier nicht erfüllt werden.

Bezug von Tabakwaren aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken gemäß § 27 TabStG 1995; Steuerschuldner

  • § 27 Abs. 2 TabStG 1995
  • BFG vom 09.02.2024, RV/7200024/2017 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Der Tatbestand des § 27 Abs 2 Tabaksteuergesetz 1995 kann infolge der Spezialität des Tatbestandes des § 27 Abs 1 (Bezug zu gewerblichen Zwecken) durch die bloße Gewahrsame an den Tabakwaren nicht erfüllt werden.

Anmerkungen: Abweichend RV/7200075/2016 vom 7.8.2019