BFG-Newsletter 2023/01

Keine Sperrwirkung einer bereits erfolgten Auszahlung nach § 7 FLAG 1967

  • § 10 FLAG 1967, § 2 FLAG 1967, § 7 FLAG 1967
  • BFG vom 08.02.2023, RV/7100090/2021 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)

Liegen hinsichtlich desselben Anspruchszeitraumes (Kalendermonates) zwei Bescheide über die Zuerkennung der Familienbeihilfe an verschiedene Personen vor, so bewirkt § 10 Abs. 4 FLAG 1967 nicht, dass der jüngere Bescheid schon deswegen rechtswidrig wäre, weil über den selben Zeitraum bereits ein früherer Abspruch gegenüber einem anderen Bescheidadressaten in einem Verfahren erfolgt ist, in welchem der Bescheidadressat des jüngeren Bescheides keine Parteistellung hatte. Bei der Erlassung des jüngeren Bescheides ist nicht ausschlaggebend, ob der frühere Bescheid rechtswidrig war oder ob das mit dem früheren Bescheid abgeschlossene Verfahren etwa wegen neu hervorgekommener Tatsachen wieder aufgenommen werden kann.

Von einem Unionsbürger abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger

  • § 3 Abs. 1 FLAG 1967, Art. 7 RL 2004/38/EG, § 9 NAG, Art. 10 RL 2004/38/EG, § 3 FLAG 1967, Art. 7 RL 2004/38/EG, § 3 Abs. 2 FLAG 1967, Art. 1 RL 2004/38/EG
  • BFG vom 26.01.2023, RV/7103648/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 2: Nimmt ein Unionsbürger sein Freizügigkeitsrecht in Anspruch, gilt nach Art. 6 RL 2004/38/EG und nach Art. 7 RL 2004/38/EG sein Aufenthaltsrecht auch für die ihn begleitenden Familienangehörigen i.S.v. Art. 2 Abs. 2 RL 2004/38/EG.

Rechtssatz 3: Ein mit dem Stiefelternteil in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebendes minderjähriges Stiefkind ist als Familienangehöriger des Stiefelternteils anzusehen.

Kein Eigenanspruch gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 bei Haushaltszugehörigkeit bei der Mutter

  • § 6 Abs. 5 Satz 2 FLAG 1967, § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, § 6 Abs. 5 FLAG 1967, § 2 Abs. 2 FLAG 1967, § 2 Abs. 3 FLAG 1967
  • BFG vom 31.01.2023, RV/7104459/2020 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Ein Kind selbst hat nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn entweder beide Elternteile verstorben sind, es also Vollwaise ist (§ 6 Abs. 1 FLAG 1967 und § 6 Abs. 2 FLAG 1967), oder ausnahmsweise, wenn die Eltern gemäß § 2 Abs. 3 FLAG 1967 ihm nicht überwiegend Unterhalt leisten und der Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird (sogenannte "Sozialwaisen", § 6 Abs. 5 FLAG 1967). Bei erheblich behinderten Kindern im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 bzw. § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 ist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 FLAG 1967 Voraussetzung, dass ihnen die Eltern nicht überwiegend den Unterhalt leisten und dass sie einen eigenständigen Haushalt führen.

Überschreiten der Einkommensgrenze

  • § 33 Abs. 3 EStG 1988, § 33 Abs. 1 EStG 1988, § 5 Abs. 1 FLAG 1967, § 10 FLAG 1967, § 2 Abs. 1 und 2 EStG 1988, § 26 FLAG 1967
  • BFG vom 23.01.2023, RV/7100042/2023 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Bei Überschreiten der Einkommensgrenze einschließlich der Einschleifregelung ist bei einer Auszahlung von Null Euro an Familienbeihilfe auch kein Kinderabsetzbetrag auszuzahlen, da diesfalls Familienbeihilfe nicht "gewährt" wird.

Rechtssatz 2: Ungeachtet des Entfalls der ausdrücklichen Anführung von § 2 Abs. 2 EStG 1988 in § 33 Abs. 1 EStG 1988 i. d. g. F. ist unter „zu versteuerndem Einkommen“ i. S. v. § 5 Abs. 1 FLAG 1967 das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 zu verstehen.

Rechtssatz 4: Eine Anrechnung nach § 26 Abs. 2 FLAG 1967 kann nur dann erfolgen, wenn die rückzahlungspflichtige Person ident mit jener Person ist, die einen neuerlichen Familienbeihilfeanspruch hat.

Rückforderung von Ausgleichszahlung, weil Leistungsempfänger in Österreich und in Ungarn (nur) eine Pension (Rente) bezieht?

  • Art. 68 VO 883/2004, § 33 Abs. 3 EStG 1988, Art. 1 VO 883/2004, Art. 4 VO 883/2004, Art. 5 VO 883/2004, Art. 7 VO 883/2004, § 2 FLAG 1967, § 53 FLAG 1967, Art. 67 VO 883/2004
  • BFG vom 12.01.2023, RV/7100077/2023 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Eine Person, die in zwei Mitgliedstaaten Renten bezieht, hat Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften beider dieser Mitgliedstaaten (EuGH 13. 10. 2022, C-199/21, DN).

Lebensmittelpunkt in Österreich oder in Ungarn?

  • § 2 Abs. 8 FLAG 1967, § 26 FLAG 1967, § 33 EStG 1988, Art. 67 VO 883/2004, Art. 60 VO 987/2009, Art. 68 VO 883/2004, Art. 6 VO 987/2009, Art. 11 VO 987/2009
  • BFG vom 12.01.2023, RV/7102738/2022 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Sind sowohl die Beschwerdeführerin als auch die in Österreich geborenen Kinder österreichische Staatsbürger, ging die Beschwerdeführerin in Österreich einer selbständigen oder nichtselbständigen (geringfügigen) Erwerbstätigkeit nach, verfügt die Beschwerdeführerin in Österreich über eine Wohnung, gingen die Kinder teilweise von Österreich und teilweise von Ungarn aus in eine deutschsprachige Schule in Grenznähe in Ungarn, wurden die Kinder in Österreich medizinisch betreut und wohnte die Familie (Mutter, Vater, drei damals minderjährige Kinder) teilweise in Österreich, teilweise in Ungarn, und zwar teilweise gemeinsam, teilweise einzelne Familienmitglieder getrennt, kann der Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten werden, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt als in Österreich gelegen ansieht.

Berechnung der Wartezeit nach einem "schädlichen" Studienwechsel

  • § 10 FLAG 1967, § 17 StudFG, § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 17 Abs. 1 Z 2 StudFG, § 17 Abs. 4 StudFG
  • BFG vom 18.01.2023, RV/7102766/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Das FHStG enthält keine dem UG entsprechende Regelung des Studienjahres. Beginnt in einem Fachhochschul-Studiengang das erste Semester nach Ablauf der Wartezeit wegen "schädlichen" Studienwechsels im August und nicht wie an Universitäten im Oktober, steht Familienbeihilfe bereits ab August und nicht erst ab Oktober zu.

Höhe der österreichischen Familienleistungen

  • Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004, Art. 67 VO 883/2004, Art. 68 VO 883/2004, § 3 FLAG 1967, § 53 FLAG 1967, § 4 FLAG 1967
  • BFG vom 05.09.2022, RV/7102967/2020 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Auch wenn unionsrechtlich der vorrangig zuständige Mitgliedsstaat zur Auszahlung von Familienleistungen verpflichtet ist, ist für den Fall, dass der nachrangige Mitgliedstaat auf Grund seines nationalen Rechts unabhängig von der unionsrechtlichen Zuständigkeit Familienleistungen erbringt, der vorrangig zuständige Mitgliedsstaat zur Kürzung seiner Leistungen um die vom nachrangig zuständigen Mitgliedsstaat erbrachten Leistungen berechtigt, da das Unionsrecht dem Empfänger, der Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten erhält, nur den Gesamtbetrag an Leistungen garantiert, der gleich dem Betrag der günstigsten Leistung ist, die ihm nach dem Recht nur eines dieser Staaten zusteht.

Entscheidung iS EuGH 13.10.2022, Rs C-199/21, Trennung von Antragseinreichung und Auszahlung der Familienbeihilfe

  • Art. 67 VO 883/2004, Art. 68 VO 883/2004, § 4 FLAG 1967, Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009, § 2 Abs. 2 FLAG 1967, § 2a FLAG 1967, § 10 Abs. 1 und 2 FLAG 1967
  • BFG vom 16.12.2022, RV/7103245/2019 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/16/0007.

Rechtssatz 1: Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt es bei der Frage, ob gleichartige Ansprüche nach Art 68 Abs 1 VO 883/2004 zu Unrecht kumulieren könnten, sehr wohl auch darauf an, ob der Antrag im anderen Mitgliedstaat tatsächlich gestellt wurde. Der EuGH definiert einen aussichtsreichen Antrag als einen Antrag der „sämtliche formalen und materiellen Voraussetzungen erfüllt“ und sieht die tatsächliche Antragstellung – anders als der Verwaltungsgerichtshof zu § 4 FLAG 1967 und zur unionsrechtlichen Vorgängerbestimmung Art 76 VO 1408/71 - als zu erfüllende formale Voraussetzung an (Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2 § 4 Rn 12f; aA VwGH 02.02.2010, 2009/15/0209, und Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 53 Rz 195).

Rechtssatz 2: Die Prüfung, ob eine Kumulierung mit gleichartigen Beihilfen, die vom anderen Mitgliedstaat zu leisten sind, droht, hat von Amts wegen zu erfolgen, wobei die Prüfung nach Art 68 VO 883/2004 Vorrang vor einer Prüfung nach § 4 FLAG 1967 hat.

Rechtssatz 3: Aus dem Urteil EuGH 13.10.2022, Rs C-199/21 ergibt sich, dass Art 60 Abs 1 Satz 3 DVO 987/2009 zu der/den mitgliedstaatlichen Norm/en, für Österreich § 2 Abs 2, § 2a FLAG 1967 hinzutritt, diese jedoch nicht verdrängt. Weiters ergibt sich aus dem Urteil, dass sämtliche Personen, die in Art 60 Abs 1 DVO 987/2009 und in den mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften angeführt werden, gleichrangig sind, sodass für den zuständigen Träger nach Unionsrecht für die Antragserledigung keine Verpflichtung besteht, eine bestimmte Person, zB die die Familienlasten überwiegend tragende Person, vorziehen zu müssen. Der „andere Elternteil“ iSd Art 60 Abs 1 Satz 3 DVO 987/2009 kann im Antragsverfahren allein aufgrund seiner Eigenschaft als anderer Elternteil als anspruchsberechtigte Person anerkannt werden.

Rechtssatz 5: Ob mit einem Antrag ein Beihilfenanspruch gemäß § 2 FLAG 1967 oder gemäß § 2 FLAG 1967 iVm §§ 4, 53 FLAG 1967, VO 883/2004 geltend gemacht wird, hängt nicht vom verwendeten Formular ab (Inlandssachverhalt Beih1, Unionsfall Beih38), sondern wird nach § 4 Abs 1 BAO durch den im konkreten Einzelfall tatsächlich verwirklichten Sachverhalt und vom Parteiwillen des Antragstellers bestimmt. Die irrtümliche Verwendung eines unzutreffenden amtlichen Formulars ist analog dem Vergreifen im Ausdruck zu sehen und beeinflusst weder den Parteiwillen noch die Rechtssache (vgl VwGH 27.04.2016, 2013/13/0003, VwGH 30.03.2011, 2005/13/0171, jeweils mwN).

Von Gerichtssachverständigen bestätigte Studienbehinderung

  • § 26 FLAG 1967, § 33 Abs. 3 EStG 1988, § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967
  • BFG vom 31.05.2022, RV/7101759/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Wird ein Studium tatsächlich begonnen, kann dieses aber zufolge einer psychischen Erkrankung während des ersten Studienjahres nicht effizient und zielstrebig betrieben werden, steht bis zum Abbruch des Studiums mit Ende des ersten Studienjahres Familienbeihilfe zu.

Zusatztext: Hier: Von Gerichtssachverständigen bestätigte Studienbehinderung.

In Österreich arbeitender Drittstaatsangehöriger mit rechtmäßigem Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat

  • Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004, Art. 67 VO 883/2004, Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a VO 883/2004, § 3 FLAG 1967, Art. 1 VO 1231/2010, § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, § 33 Abs. 3 EStG 1988, § 5 Abs.  3 FLAG 1967
  • BFG vom 08.04.2022, RV/7100547/2020 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Der Anwendungsbereich der VO 883/2004 wird auf Grund der VO 1231/2010 für jene Drittstaatsangehörigen (und deren Familienangehörige und Hinterbliebenen) erstreckt, die sich (im Entscheidungszeitraum) rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten. Hat ein Drittstaatsangehöriger seinen rechtmäßigen Wohnort in der Tschechischen Republik und arbeitet er in Österreich, ist gemäß Art. 1 VO 1231/2010 der Anwendungsbereich der VO 883/2004 eröffnet.

Keine Berufsausbildung während eines "Stehsemesters"

  • § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, § 67 UG
  • BFG vom 22.11.2022, RV/7103126/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 2: Ein „Stehsemester“, in welchem eine für ein Semester geltende Pause vom normalen Studienbetrieb vereinbart wird, ist mit einer Beurlaubung nach § 67 UG 2002 zu vergleichen. Während der Beurlaubung nach dieser Bestimmung bleibt die Zulassung zum Studium aufrecht. Die Teilnahme an Lehrveranstaltungen, die Ablegung von Prüfungen sowie die Einreichung und Beurteilung wissenschaftlicher sowie künstlerischer Arbeiten ist jedoch unzulässig. Während einer Beurlaubung liegt hinsichtlich des Studiums, für das die Beurlaubung erfolgt ist, keine Berufsausbildung i. S. d. FLAG 1967 vor.

Einkommensteuer

Bewirtschaftung einer 1,2 ha bzw. 2,5 ha großen Obstanlage Einkunftsquelle?

  • § 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung, § 2 Abs. 5 UStG 1994, § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung, § 6 Liebhabereiverordnung
  • BFG vom 06.02.2023, RV/7100635/2018 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Ein Obstgarten von 1,2 ha bzw. 2,5 ha ist für sich allein weder ein Wirtschaftsgut, das sich nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignet (§ 1 Abs. 2 Z 1 LVO) noch ist dessen Bewirtschaftung typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen (§ 1 Abs. 2 Z 2 LVO), jedenfalls wenn kein räumlicher Nahebezug zu einem Wohnsitz des Bewirtschafters steht.

Rechtssatz 2: Die Bewirtschaftung einer Kleinlandwirtschaft kann eine Betätigung mit Annahme von Liebhaberei sein, muss es aber nicht sein. Die Betriebsgröße ist allein für die Abgrenzung zwischen einer § 1 Abs. 1 LVO-Betätigung von einer § 1 Abs. 2 LVO-Betätigung nicht ausschlaggebend.

Entgeltliche Einräumung einer Option; Mietvertrag zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer

  • § 29 Z 3 EStG 1988, § 22 Z 1 lit. b EStG 1988
  • BFG vom 19.01.2023, RV/7104332/2019 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Die entgeltliche Einräumung eines Rechtes führt nur dann zu Einkünften aus Leistungen i.S.d. § 29 Z. 3 EStG 1988, wenn es sich um ein höchstpersönliches Recht handelt, welches zivilrechtlich nicht übertragen werden kann und daher kein Wirtschaftsgut darstellt. Ein Optionsrecht (hier: auf Erwerb eines Rohdachbodens samt dem Recht, das Gebäude aufzustocken) ist durch Abtretung übertragbar, sofern das mit der Option verbundene Gestaltungsrecht und das durch deren Ausübung entstehende Recht gemeinsam übertragen werden. Es handelt sich daher um ein Wirtschaftsgut und damit nicht um eine „Leistung" i.S.d. § 29 Z. 3 EStG 1988.

Rechtssatz 2: Verträge zwischen einer GmbH ihrem (hier: 75%igen) Gesellschafter-Geschäftsführer sind nach den Kriterien der sog. „Angehörigenjudikatur" zu beurteilen und daher nur dann steuerlich anzuerkennen, wenn sie zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären. Dies trifft auf einen befristeten Mietvertrag, bei dem das Entgelt für die gesamte Vertragslaufzeit erst nach deren Ablauf fällig wird, nicht zu.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 80

Krankheitskosten der Ehegattin

  • § 34 Abs. 6 EStG 1988, § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988, § 34 Abs. 4 EStG 1988
  • BFG vom 17.03.2023, RV/7100265/2023 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Werden Krankheitskosten für den erkrankten (Ehe)Partner gezahlt, stellen sie beim zahlenden (Ehe)Partner nach der Verwaltungspraxis (LStR 2020 Rz 870) vereinfachend insoweit eine außergewöhnliche Belastung dar, als diese Aufwendungen das Einkommen des erkrankten (Ehe)Partners derart belasten würden, dass das steuerliche Existenzminimum gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 (im Jahr 2020: 11.000 € jährlich) unterschritten würde. Unter Einkommen versteht die Verwaltungspraxis das zu versteuernde Einkommen nach § 33 Abs. 1 EStG 1988.

Rechtssatz 2: Die eigenen Krankheitskosten sind gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 mit Selbstbehalt zu berücksichtigen, wenn keiner der Fälle des § 34 Abs. 6 EStG 1988 vorliegt. Es sind aber auch die Krankheitskosten der behinderten Ehegattin gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 mit Selbstbehalt zu berücksichtigen, wenn ihr Einkommen im Jahr 2020 den Grenzbetrag von 6.000 € (Rechtslage 2020) gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 TS 3 überstiegen hat.

Keine Anrechnung einer abkommenswidrig erhobenen japanischen Quellensteuer, mit welcher der inländische Abgabepflichtige auch gar nicht belastet ist

  • Art. XIX Abs. 2 DBA J (E), § 295a BAO
  • BFG vom 24.02.2023, RV/3100350/2020 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Die Anrechnung einer japanischen Quellensteuer setzt voraus, dass der inländische Abgabepflichtige tatsächlich mit dieser belastet wurde und die Besteuerung in Japan nach dem Doppelbesteuerungsabkommen auch zulässig ist.

Rechtssatz 2: Die nachträgliche Entrichtung einer anzurechnenden ausländischen Abgabe stellt ein Ereignis mit abgabenrechtlicher Wirkung für die Vergangenheit dar.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 105

Finanzstrafrecht

Rechtzeitigkeit einer an das Bundesfinanzgericht adressierten, allerdings bei der Abgabenbehörde eingebrachten Beschwerde (§§ 150 ff FinStrG)

  • § 54a Abs. 1 Z 1 BAO, § 150 Abs. 3 FinStrG
  • BFG vom 13.01.2023, RV/3300002/2022 (Zurückweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Der Gesetzgeber wollte das Amt für Betrugsbekämpfung offensichtlich vollumfänglich in den Anwendungsbereich des § 54a Abs. 1 BAO aufnehmen. Dass diese Bestimmung in Finanzstrafsachen – und somit einem erheblichen Teil der Verfahren dieses Amtes – nicht zur Anwendung kommen soll, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, da dies dem erklärten Ziel des Gesetzes zuwiderliefe.

Rechtssatz 2: Wird im Finanzstrafverfahren eine Eingabe an das Bundesfinanzgericht adressiert, aber beim Finanzamt Österreich eingebracht, so erfolgt deren Weiterleitung an das Bundesfinanzgericht auf Gefahr des Einschreiters, sofern die Einbringung nicht in einer gemeinsamen Einbringungsstelle der Finanzverwaltung und des Bundesfinanzgerichtes erfolgte.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 114

Körperschaftsteuer

Keine verdeckte Ausschüttung bei durch den der Gesellschafterin nahestehenden Geschäftsführer veranlassten Scheinrechnungen

  • § 8 Abs. 2 KStG 1988
  • BFG vom 26.01.2023, RV/5100295/2022 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Verschafft sich ein einem Anteilseigner nahestehender Dritter widerrechtlich Vermögensgüter, liegt eine verdeckte Ausschüttung an den Anteilsinhaber nur dann vor, wenn festgestellt werden kann, dass der Anteilseigner von den widerrechtlich eigenmächtigen Geldentnahmen wusste und die nahestehende Person dennoch gewähren ließ.

Einbringung eines formlosen Gruppenantrages über Finanz-Online

  • § 9 Abs. 8 KStG 1988, § 86a BAO, § 1 Abs. 2 FOnV 2006, § 5 FOnV 2006
  • BFG vom 03.02.2023, RV/7102169/2022 (Zurückweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Wird ein Gruppenantrag auf einem für ihn nicht zugelassenen Weg der Abgabenbehörde zugeleitet, so gilt er als nicht eingebracht und kann daher weder Entscheidungspflicht auslösen, noch berechtigt er die Abgabenbehörde, eine Entscheidung zu treffen; mangels tauglichen Anbringens kommt nicht einmal eine Zurückweisung in Betracht (VwGH 27.9.2012, 2012/16/0082 zur Einbringung eines Rechtsmittels mittels E-Mail). Ein auf unzulässigem Weg eingebrachtes und daher unbeachtliches Anbringen wird auch nicht dadurch zu einem beachtlichen Anbringen und geheilt, weil es die Abgabenbehörde (zunächst) in Bearbeitung genommen hat (VwGH 3. 9. 2019, Ra 2019/15/0081 zu Anbringen mittels E-Mail). Ein Mängelbehebungsverfahren nach § 85 BAO hat daher zu unterbleiben. Wird ein Bescheid erlassen welchem kein (beachtliches) Anbringen zugrunde liegt, entbehrt diese Erledigung der Rechtsgrundlage und kommt ihr daher kein Bescheidcharakter zu.

Rechtssatz 2: Die Funktion „Beantragung eines Gruppenfeststellungsbescheides“ oder „Gruppenantrag“ steht als Funktion im Finanz-Online-Verfahren nicht zur Verfügung. Demgemäß ist es in Finanz-Online auch technisch nicht möglich die laut § 9 Abs. 8 KStG 1988 zwingend zu verwendenden, amtlichen Formulare online auszufüllen und zu übermitteln. Die amtlichen Vordrucke stehen nur in Papierform zur Verfügung und können daher ausschließlich im Original und, wegen der erforderlichen nachweislichen Unterschriftsleistung, urschriftlich eingebracht werden.

Die Funktion in Finanz-Online "Sonstige Anbringen und Anfragen" kann in Bezug auf Gruppenanträge nicht als zur Verfügung stehende Funktion gewertet werden, da § 9 Abs. 8 KStG 1988 ausdrücklich die Verwendung der amtlichen Formulare anordnet und diese in Finanz-Online nicht ausgefüllt und elektronisch übertragen werden können.

Umsatzsteuer

Anwendbarkeit von § 12 Abs 10a UStG für zeitlich gemischtgenutzte Liegenschaften, welche vor dem 1.4.2012 angeschafft oder errichtet wurden

  • § 28 Abs. 38 Z 2 UStG 1994, § 12 Abs. 10a UStG 1994
  • BFG vom 04.01.2023, RV/6100591/2019 (Abweisung; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht.

Steht von Beginn an fest, dass eine Liegenschaft zeitlich teilweise privat genutzt wird und kann aufgrund der ausschließlich unternehmerischen Nutzung im Anschaffungsjahr der gesamte Vorsteuerbetrag aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten geltend gemacht werden, dient die Liegenschaft dennoch von Beginn an nicht ausschließlich unternehmerischen Zwecken. Damit sind beide Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 12 Abs 10a iVm § 28 Abs 38 Z 2 UStG 1994 idFd 1. Stabilitätsgesetztes erfüllt. Der Berichtigungszeitraum beträgt daher 19 Kalenderjahre (nur gültig für Liegenschaften, die vor dem 1.4.2012 angeschafft oder hergestellt wurden).

Kein Vorsteuerabzug mangels Entgeltlichkeit der erbrachten Leistung

  • § 12 Abs. 1 UStG 1994
  • BFG vom 06.12.2022, RV/7103660/2009 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: VfGH-Beschwerde zur Zahl E 226/2023 anhängig.

Der Vorsteuerabzug gem § 12 Abs 1 UStG 1994 setzt ua die Entgeltlichkeit der Leistungserbringung voraus. Steht von Beginn an fest, dass das in Rechnung gestellte Entgelt nicht entrichtet werden wird, mangelt es an der Entgeltlichkeit der Leistung.

Keine Steuerschuld kraft Rechnungslegung bei B2C-Kleinbetragsrechnung mangels Risiko des Steuerausfalls

  • Art. 203 RL 2006/112/EG, § 11 Abs. 6 UStG 1994, § 10 Abs. 3 Z 8 UStG 1994, § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994, § 11 Abs. 14 UStG 1994, § 11 Abs. 12 UStG 1994
  • BFG vom 27.01.2023, RV/7100930/2021 (Stattgabe; Revision zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Rechtssatz 1: Nach traditionell österreichischer Auffassung schuldet der Unternehmer die Steuerschuld kraft Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 auch bei Kleinbetragsrechnungen (vgl. hierzu die Auffassung der Finanzverwaltung in UStR Rz 1733; vgl. auch Kollmann in Melhardt/Tumpel (Hrsg) UStG3 (2021) § 11 Rn 191; zum UStG 1972 auch VwGH 18.02.1976, 0067/75).

Rechtssatz 2: Liegt keine Gefährdung des Steueraufkommens vor, besteht kein Anwendungsfall des Art. 203 der MwSt-Richtlinie (vgl. EuGH 08.12.2022, Rs C-378/21, P GmbH).

Rechtssatz 3: § 11 Abs. 12 UStG 1994 ist im Lichte der Rechtsprechung des EuGH dahingehend eingeschränkt richtlinienkonform interpretierbar, dass er nur im Falle der Gefährdung des Steueraufkommens anwendbar sein soll (vgl. idS VwGH 13.09.2017, Ro 2017/13/0015, Rn 33 zur einschränkenden richtlinienkonformen Interpretation des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994).

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 57

Rückstellung eines Zinshauses an die Verkäufer nach Vermietungsbeginn wegen Unwirksamkeit des Kaufvertrages

  • § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, § 16 Abs. 1 EStG 1988, § 2 Abs. 1 EStG 1988
  • BFG vom 20.12.2022, RV/7102523/2020 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Nebenleistungen zur Anschaffung eines Zinshauses (Vermittlungsleistung des Maklers, Vertragserrichtung durch Rechtsanwalt etc.) stehen iZm den zukünftigen steuerpflichtigen Vermietungsumsätzen. Sie berechtigen zum Vorsteuerabzug, auch wenn es in der Folge wegen Unwirksamkeit des Liegenschaftskaufvertrages nicht zur "Lieferung" des Zinshauses kommt.

Rechtssatz 2: Bei Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten tritt eine Änderung der Bemessungsgrundlage iSd § 16 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 ein, wenn bereits entrichtetes Entgelt (teilweise) zurückgezahlt wird. Die Berichtigung des Vorsteuerabzuges ist erst in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der Unternehmer die Rückzahlung tatsächlich erhält.

Rechtssatz 3: Die Vermietungseinkünfte sind der Vermietungsgemeinschaft zuzurechnen, auch wenn sie mangels Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages kein zivilrechtliches Eigentum an der Liegenschaft erlangte. Die Vermietungsgemeinschaft war im Besitz des Zinshauses, sie war zur Vermietung berechtigt und sie hat das Unternehmerrisiko getragen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 49

Umsatzsteuer: Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts im Zusammenhang mit einem durch eine GmbH errichteten Einfamilienhaus, das an den Stifter der als Alleingesellschafterin fungierenden Privatstiftung vermietet wurde (fortgesetztes Verfahren)

  • § 8 Abs. 2 KStG 1988, § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994
  • BFG vom 12.10.2022, RV/2101231/2020 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0100.

Rechtssatz 1: Ein Mietobjekt ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse den „Wohngebäuden, die schon ihrer Erscheinung nach (etwa besonders repräsentative Wohngebäude) bloß für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt sind“ zuzurechnen, wenn es dafür in der Stadt keinen funktionierenden Mietenmarkt gibt, das vereinbarte Nutzungsentgelt deutlich unter der Renditemiete liegt, der Mietzins im Beschwerdefall deutlich niedriger ist als ein mit der Vermietung von Eigentumswohnungen erzielbarer Mietzins, die (Netto-)Errichtungskosten ein Mehrfaches der durchschnittlichen Errichtungskosten betragen, der Baugrundstückspreis ein Mehrfaches des durchschnittlichen Baugrundstückspreises beträgt und die Lage zwar aus dem Privatnutzungsgesichtspunkt als sehr gut bis gut, aus (Fremd-)Vermietungsgesichtspunkten jedoch als mäßig zu bezeichnen ist.

Rechtssatz 2: Ein Vergleich mit den Beurteilungskriterien eines rationalen Kapitalanlegers war nicht anzustellen, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Vergleichsperson ein wirtschaftlich agierender, (nur) am Mietertrag interessierter Investor ist. Eine Wertsteigerung war – ebenso wie das Renditerisiko - nicht zu berücksichtigen, weil der Verwaltungsgerichtshof dem Bundesfinanzgericht im aufhebenden Erkenntnis bindend vorgegeben hat, dass „mit der Renditeerwartung eines „marktüblich agierenden Immobilieninvestors“ jene Rendite gemeint ist, „die üblicherweise aus dem eingesetzten Kapital durch Vermietung erzielt wird“.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2022, 307

Abrechnungsbescheid, Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuergutschriften aus Rechnungsberichtigungen von Scheinrechnungen gemäß § 11 Abs. 14 UStG, Verrechnung mit Konkursforderungen?

  • § 216 BAO, § 11 Abs. 12 UStG 1994, § 16 Abs. 1 UStG 1994, § 11 Abs. 14 UStG 1994, § 19 IO, § 20 Abs. 1 IO
  • BFG vom 13.03.2023, RV/7103208/2021 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Der Zeitpunkt der Verwirklichung der Abgabenrechtsfolgen richtet sich nicht nach der seinerzeitigen Rechnungsausstellung, sondern nach der Rechnungsberichtigung, da bei der hier vorliegenden Steuerschuld kraft Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 14 UStG im Gegensatz zu § 11 Abs. 12 UStG eine (sinngemäße) Rechnungsberichtigung nach § 16 Abs. 1 UStG zwar nicht vorgesehen ist, allerdings verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer dem Urteil des EuGH vom 19.09.2000, C-454/98, Schmeink & Cofreth AG & Co KG und Manfred Strobel, zufolge, dass im Falle der rechtzeitigen und vollständigen Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden kann.

Rechtssatz 2: Aus diesem Grund kann auch die zu § 11 Abs. 12 UStG ergangene Judikatur des VwGH in Analogie herangezogen werden, wonach sich durch den Verweis in § 11 Abs. 12 letzter Satz UStG auf § 16 Abs. 1 UStG ergibt, dass für den Aussteller der Rechnung die Steuerschuld aufgrund der Rechnung zu dem Zeitpunkt (in jenem Voranmeldungszeitraum) wegfällt, in dem die Rechnung berichtigt wird (VwGH 8.9.2022, Ro 2020/15/0025). Für den Aussteller der Rechnung wirkt die Rechnungsberichtigung somit ex nunc, d.h. die Steuerschuld des Rechnungsausstellers entfällt durch die spätere Rechnungsberichtigung nicht etwa rückwirkend auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (VwGH 15.12.2022, Ro 2019/13/0034). Im Falle der erst im Konkurs bewirkten Rechnungsberichtigung kommt daher eine Verrechnung mit Konkursforderungen nicht in Betracht.

Verfahrensrecht

Anbringen, das nicht unter Art 130 Abs 1 B-VG subsumierbar ist

  • Art. 130 Abs. 1 B-VG, § 283 Abs. 1 bis 3 BAO, § 112a BAO
  • BFG vom 12.01.2023, AO/5100002/2023 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Im als „Maßnahmenbeschwerde“ bezeichneten Anbringen wurde die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt nicht behauptet. Beantragt wurde die Amtsenthebung eines Betriebsprüfers des Finanzamtes Österreich und die Übertragung der laufenden Betriebsprüfung an einen anderen Betriebsprüfer. Der Inhalt des Anbringens ist eindeutig und bedarf keiner weiteren Erforschung durch das Gericht.
Somit handelt es sich beim gegenständlichen Anbringen und keine Maßnahmenbeschwerde Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG bzw. des § 283 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung sondern um ein sonstiges Anbringen, welches in dem in Art. 130 Abs. 1 B-VG festgelegten Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte keine Deckung findet und dessen inhaltliche Erledigung nicht in die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes fällt.

Rechtssatz 2: In Hinblick auf den Normzweck des § 112a BAO ist die Festsetzung einer Mutwillensstrafe geboten, wenn der Einschreiter wider besseren Wissens das Bundesfinanzgericht bereits mehrmals mit aussichtslosen Anbringen behelligt hat und er die weitere Behelligung des Bundesfinanzgerichtes bereits angekündigt hat.

Werbungskosten: Abgabenbehörde hat den Inhalt fremdsprachiger Belege zu ermitteln (Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde)

  • § 266 Abs. 1 BAO, § 265 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 10.01.2023, RV/7103536/2022 (Zurückverweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 4: Die Vorlage der Bescheidbeschwerde gemäß § 265 Abs. 2 BAO hat jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung, des Vorlageantrages und von Beitrittserklärungen zu umfassen. Die Abgabenbehörde hat gemäß § 266 Abs. 1 BAO gleichzeitig mit der Vorlage der Bescheidbeschwerde die Akten (samt Aktenverzeichnis) vorzulegen. Mit der Übermittlung von Screenshots anstelle vollständiger Ablichtungen (elektronischer oder physischer) Eingaben (wie hier hinsichtlich des elektronisch eingebrachten Anbringens vom 06.10.2021 und des Vorlageantrages) verletzt die Abgabenbehörde ihre gesetzliche Obliegenheit zur vollständigen Aktenvorlage und erschwert damit unnötig die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Zurückweisung einer Beschwerde gegen einen Nichtbescheid, der nach einer Löschung einer GmbH gem. § 40 FBG ergangen ist

  • § 80 Abs. 3 BAO, § 40 FBG
  • BFG vom 05.01.2023, RV/7102872/2022 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Anders als bei jenen Fällen, bei denen eine Löschung einer Gesellschaft gem. § 40 FBG erst nach Ergehen der bekämpften Bescheide und nach Einbringung der Beschwerde durch eine dazu legitimierte Person erfolgt und das Beschwerdeverfahren daher nach der im Beschluss zitierten Judikatur einzustellen wäre, ist, wenn schon das bekämpfte Schreiben des Finanzamtes nach der Löschung gem. § 40 FBG nicht wirksam ergangen ist, aufgrund der Bekämpfung von Nichtbescheiden mit einer Zurückweisung vorzugehen.

Unwirksamkeit eines Zerlegungsbescheides beim Grundsteuermessbetrag, wenn dieser nur an eine beteiligte Körperschaft (§ 78 Abs. 2 lit. b BAO) gerichtet ist

  • § 78 Abs. 2 lit. b BAO, § 196 Abs. 4 BAO, § 246 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 16.01.2023, RV/5100857/2021 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision eingebracht (Amtsrevision).

Der Zerlegungsbescheid hat an den Abgabepflichtigen und an die genannten Körperschaften zu ergehen, woraus sich ua deren Beschwerdebefugnis ergibt (vgl § 246 Abs 1 BAO). Für Zerlegungsbescheide gibt es keine Zustellfiktion, daher sind sie allen Parteien zuzustellen (Ritz, BAO7, § 196 Tz. 7). Auch eine Beschwerdevorentscheidung betreffend die Zerlegung bezüglich Einheitswerten und Messbeträgen hat - unabhängig von der Frage, welche Gemeinden Berufung erhoben haben - gemäß § 196 Abs. 4 BAO einheitlich an den Steuerschuldner und alle beteiligten Gemeinden zu ergehen (vgl. VwGH 24.1.2007, 2005/13/0024).

Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei einem Unternehmenskauf

  • § 24 Abs. 1 lit. d BAO
  • BFG vom 30.12.2022, RV/3100465/2012 (Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Bei standardisierten vertraglichen Regelungen geht bei einem Unternehmenskauf das wirtschaftliche Eigentum erst mit dem Verfügungsgeschäft (Closing) und nicht schon mit dem Verpflichtungsgeschäft (Signing) über.

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 323c Abs. 13 BAO

  • § 323c Abs. 13 BAO, § 212a Abs. 9 BAO
  • BFG vom 10.02.2023, RV/5100877/2021 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung der Stundung einerseits und der Aussetzung der Einhebung andererseits sind völlig unterschiedlich. Stundungen sind ihrem Zweck nach vorrangig als Maßnahmen zur kurzfristigen Überbrückung von wirtschaftlich angespannten Situationen gedacht, die Aussetzung der Einhebung dient dagegen dem Ziel der faktischen Effizienz von Beschwerden und ist von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers (insbesondere seiner Liquidität) unabhängig. Es bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber die in § 323c Abs. 13 BAO normierte „Zinsenbegünstigung“ auf die Stundungszinsen beschränkt hat und keine gleichlautende Bestimmung für die Aussetzungszinsen normiert hat.

Aufhebung von Festsetzungsbescheiden nach § 201 BAO aufgrund fehlender Nennung des Tatbestands

  • § 279 Abs. 1 BAO, § 201 BAO
  • BFG vom 30.01.2023, RV/5100876/2020 (Aufhebung; Revision nicht zugelassen)

Bei einer Festsetzung nach § 201 BAO muss aus dem Spruch oder zumindest aus der Begründung hervorgehen, auf welchen Tatbestand der Bescheid gestützt wird (VwGH vom 27.04.2017, Ra 2016/15/0047). Kann weder dem Spruch noch der Begründung der Tatbestand entnommen werden, so ist der Bescheid aufzuheben. Die erstmalige Benennung des Tatbestandes durch das Bundesfinanzgericht überschreitet die Änderungsbefugnis nach § 279 BAO und ist folglich unzulässig.

Rechtswirksamkeit der Zustellung eines Einkommensteuerbescheides im Postwege per intern. Einschreiben in Italien ohne Beifügung einer italienischen Bescheidübersetzung

  • Art. 51 Abs. 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, § 11 Abs. 1 ZustG
  • BFG vom 01.02.2023, RV/7104043/2018 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Beachte: Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0018.

Für die Zustellung von Einkommensteuerbescheiden im Postwege per internationalen Einschreiben ins Ausland ist nach Art 11 EuVwZÜ sowie Art 17 Amtshilfeübereinkommen in Steuersachen und § 13 EU-Amtshilfegesetz die Beifügung einer Übersetzung in die Sprache des Steuerpflichtigen nicht erforderlich, wenn die für die Bescheiderlassung maßgebenden Abgabennormen nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und damit nicht unter den Anwendungsbereich der EU-Grundrechtecharta gemäß Art 51 GRC fallen.

1. Besteuerungsrecht an italienischen Pensionseinkünften?
2. Anrechnung italienischer Steuer?
3. Feststellungsbescheid gemäß § 48 Abs. 2 BAO - Bindungswirkung?

  • § 48 Abs. 2 BAO, § 295 Abs. 5 BAO, § 192 BAO, § 295 Abs. 2a BAO
  • BFG vom 09.01.2023, RV/1100041/2022 (Abänderung; Revision nicht zugelassen)

Der Feststellungsbescheid gemäß § 48 Abs. 2 BAO hat die Funktion eines Grundlagenbescheides (Bindungswirkung gemäß § 192 BAO). Die Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden iSd § 48 Abs. 2 BAO ist nicht nur in auf § 295 Abs. 2a BAO gestützten Maßnahmen, sondern auch bei Erlassung einer auf § 279 BAO gestützten Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes zu beachten.

Ermessensübung bei einem Gesamtschuldverhältnis (§ 18 Abs. 1 Z 2 KBGG)

  • § 6 Abs. 1 BAO, § 20 BAO, § 207 Abs. 2 BAO, § 209 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 15.02.2023, RV/5100408/2021 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Ermessen des Abgabengläubigers bedeutet bei einem Gesamtschuldverhältnis das Recht der Ausnützung jener Gläubigerschritte, die dazu führen, den Abgabenanspruch zeitgerecht, sicher, auf einfachstem Weg unter Umgehung von Erschwernissen und unter Vermeidung von Gefährdungen hereinzubringen (vgl. Stoll, BAO, 95). Die Heranziehung eines Gesamtschuldners zur Leistung ist zwar eine Maßnahme der Geltendmachung des Abgabeanspruches, die der Festsetzungsverjährung des § 207 BAO unterliegt, die aber unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses an der Einbringung der Abgabe zu treffen ist, und sich damit in erster Linie an den Einbringungsmöglichkeiten bei den einzelnen Gesamtschuldnern zu orientieren hat.

Rechtssatz 2: Für die Ermessensentscheidung, ob nur einer, welcher oder beide Gesamtschuldner anteilig oder jeweils zur Gänze in Anspruch genommen werden, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Geltendmachung des Gesamtschuldverhältnisses entscheidend. Es ist daher auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesamtschuldner im Zeitpunkt der Erlassung des Rückforderungsbescheides abzustellen.

Rechtssatz 3: Der Verwaltungsgerichtshof vertritt nicht nur zur Einhebungsverjährung die Ansicht, dass Unterbrechungshandlungen anspruchsbezogen wirken, sie somit die Verjährung gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt (VwGH 18.10.1995, 91/13/0037; Ritz, BAO7, § 238 Tz 18), sondern auch zur Festsetzungsverjährung (ständige Rechtsprechung seit VwGH 9.11.2000, 2000/16/0336; Ritz, BAO7, § 209, Tz 32). Die gegenüber dem Beschwerdeführer gesetzten Unterbrechungshandlungen wirken damit auch gegenüber der Kindesmutter.

Rechtssatz 4: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bleibt bei Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei einem anderen Gesamtschuldner für die Inanspruchnahme des verbleibenden Gesamtschuldners zwar grundsätzlich kein Spielraum für die Ermessensübung. Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf Fälle, in denen das Verbleiben nur mehr eines Gesamtschuldners durch außerhalb der Einflusssphäre der Abgabenbehörde gelegene Umstände eintrat, nicht aber auf Fälle, in denen dieses Verbleiben durch das Verhalten der Abgabenbehörden bewirkt wurde (Ritz, BAO7, § 6 Tz 11 mit Judikaturnachweisen).

Fehler in der Bezeichnung des Bescheidadressaten; Verlängerung der Verjährungsfrist infolge Hinterziehung

  • § 93 Abs. 2 BAO, § 207 Abs. 2 BAO
  • BFG vom 17.02.2023, RV/7105578/2017 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hindert ein Fehler in der Bezeichnung des Bescheidadressaten (z.B. das Anführen eines unrichtigen Vornamens) das Entstehen eines wirksamen Bescheides dann nicht, wenn es sich um eine gemäß § 293 BAO berichtigungsfähige (wenn auch allenfalls noch nicht bescheidmäßig berichtigte) Unrichtigkeit handelt und für die betroffene Verfahrenspartei erkennbar ist, dass sich die Erledigung an sie richten soll. Dies gilt auch für Unrichtigkeiten im Vornamen des (zustellbevollmächtigten) steuerlichen Vertreters.

Rechtssatz 2: Bei der Beurteilung, ob infolge Hinterziehung die lange (10-jährige) Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO zur Anwendung gelangt, besteht keine Bindung an eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung, mit welcher der Abgabenschuldner vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung freigesprochen wurde bzw. mit welcher das Strafverfahren eingestellt wurde. Eine Bindung an freisprechende Entscheidungen ist auch dem Urteil des EGMR vom 23.10.2014, 27.785/2010, Melo Tedeu, nicht zu entnehmen.

Werbungskosten: Arbeitsmittel einer Volksschullehrerin

  • § 265 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 20.02.2023, RV/7100633/2022 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Es obliegt der Abgabenbehörde, im Fall eines von der Abgabenerklärung abweichenden Begehrens im verwaltungsbehördlichen Beschwerdeverfahren (z. B. in der Beschwerde oder im Vorlageantrag) vor der Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht den genauen Inhalt dieses Begehrens festzustellen (vgl. § 265 Abs. 1 BAO: „… nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen…“) und dies im Vorlagebericht rechnerisch nachvollziehbar darzustellen.

Einbringung eines Vorlageantrages (§ 264 BAO) durch eine Buchhalterin und Personalverrechnerin

  • § 4 BiBuG 2014, § 260 BAO, § 3 BiBuG 2014, § 264 BAO
  • BFG vom 28.02.2023, RV/5100991/2021 (Zurückweisung; Revision nicht zugelassen)

Gemäß §§ 3 und 4 BiBuG 1994 besteht für eine Buchhalterin und Personalverrechnerin grundsätzlich keine berufsrechtliche Befugnis zum Einschreiten vor dem Bundesfinanzgericht. Nicht zulässig ist ein Vorlageantrag insbesondere dann, wenn er von einem hiezu nicht Legitimierten eingebracht wird (vgl. VwGH 16.12.2010, 2009/16/0091). Ist eine Buchhalterin und Personalverrechnerin weder bevollmächtigt noch berechtigt zur Einbringung eines Vorlageantrages, ist dieser als unzulässig zurückzuweisen.

Abgabenverfahren: Keine Bescheidberichtigung gemäß § 293 BAO, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen

  • § 293 BAO
  • BFG vom 21.02.2023, RV/2100010/2023 (Aufhebung; Revision nicht zugelassen)

Ist weder der Begründung des Berichtigungsbescheides noch der Stellungnahme der Abgabenbehörde dazu zu entnehmen, dass sie mit dem Berichtigungsbescheid ihr im "berichtigten" Bescheid unterlaufene Schreib- oder Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigt hat, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Berichtigung gemäß § 293 BAO nicht vor, weshalb der Berichtigungsbescheid aufzuheben ist.

Rechtzeitigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages (fortgesetztes Verfahren)

  • § 273 Abs. 2 BAO, § 308 BAO
  • BFG vom 01.03.2023, RV/7103379/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Im Beschwerdefall ist es zu einer Änderung der Geschäftsverteilung und infolge dessen personell veränderten Senatszusammensetzung gegenüber den Vorerkenntnissen gekommen. Die geänderte Senatszusammensetzung ist daher nicht auf unsachliche Gründe zurückzuführen. Weder die BAO noch das BFGG sehen eine Versteinerung der Senatszusammensetzung vor. Eine solche ist auch der Geschäftsordnung des Bundesfinanzgerichts nicht zu entnehmen. Da das Abgabenrechtsmittelverfahren nicht vom Grundsatz der Unmittelbarkeit beherrscht ist, begründet die Änderung in der personellen Senatszusammensetzung für sich keinen Verfahrensmangel (vgl Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO2.05, § 273 BAO Rz 6 sowie insb VwGH 14. Mai 1991, 90/14/0281).

Rechtssatz 2: Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass von einer Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels bereits auszugehen ist, sobald die Partei bzw deren Vertreter die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (vgl VwGH 9. Juni 2022, Ra 2022/10/0013, mwN). Selbiger Maßstab gilt auch für das Erkennen des Nichteinlangens eines Beschwerdeschriftsatzes.

1. Gültigkeit eines bedingten Antrags auf mündliche Verhandlung;
2. Prüfung der Zulässigkeit einer Dreijahresverteilung in Folgejahren

  • § 274 Abs. 1 BAO
  • BFG vom 20.01.2023, RV/3100552/2021 (Abweisung; Revision zugelassen)

Rechtssatz 1: Wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur für den Fall einer negativen Entscheidung beantragt, liegt kein gültiger Antrag im Sinne des § 274 Abs. 1 BAO vor und besteht folglich keine Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung (VwGH 29.8.2013, 2011/16/0245).

Vorlage ohne ersichtlichen Vorlageantrag

  • § 272 Abs. 4 BAO, § 281a BAO
  • BFG vom 09.03.2023, RV/7100496/2023 (Einstellung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Eine Information nach § 281a BAO kann in analoger Anwendung von § 272 Abs. 4 BAO auch durch den Berichterstatter des Senats erfolgen.

Rechtssatz 2: Da eine Verständigung gemäß § 281a BAO keine Entscheidung in der Sache ist, kann sie in Bezug auf einen Sachbescheid vor Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahren ergehen, während vor Erledigung eines Rechtsmittels gegen einen Wiederaufnahmebescheid nicht über eine Beschwerde gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheid materiell entschieden werden darf.

Landes- und Gemeindeabgaben, Verwaltungsstrafangelegenheiten

Zurechnung von Schwarzarbeitern; Deckungsrechnungen von Scheinfirmen (KommSt/DA)

  • § 207 Abs. 5 BAO
  • BFG vom 03.02.2023, RV/7400046/2019 (teilweise Stattgabe; Revision zugelassen)

Die lange Verjährungsfrist für vorsätzlich verkürzte Abgaben, die nicht in den Anwendungsbereich des FinStrG fallen (§ 207 Abs. 5 BAO), gilt seit Inkrafttreten der verjährungsrechtlichen Bestimmungen der BAO für Landes- und Gemeindeabgaben aufgrund des AbgVRefG, BGBl Nr. 20/2009, mit 1.1.2010 unabhängig davon, ob für diese Abgaben ein der Hinterziehung vergleichbarer Straftatbestand besteht (anders zur Rechtslage vor dem AbgVRefG: VwGH 17.4.2008, 2008/15/0084).

Haftung Kommunalsteuer, Berechnung der Gläubigergleichbehandlung nunmehr zeitraumbezogen

  • § 6a KommStG 1993
  • BFG vom 15.12.2022, RV/7400130/2021 (teilweise Stattgabe; Revision nicht zugelassen)

Aufgrund der Änderung der VwGH-Judikatur zur Berechnung der Gläubigergleichbehandlung betreffend Kommunalsteuer im Erkenntnis vom 28.6.2022, Ra 2020/13/0067, kommt eine Ermittlung der liquiden Mittel lediglich im Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr in Betracht, sondern ist nach der bisherigen Judikatur des VwGH zum Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (zB VwGH 14.11.2018, Ra 2015/08/0036) auf die Zeiträume der jeweiligen Fälligkeiten der haftungsgegenständlichen Abgaben bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzustellen.

Ausführliche Besprechung mit Praxishinweisen in BFGjournal 2023, 4

Parkometerabgabe: Verwendung einer Kopie des Behindertenausweises; kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot; Antrag auf Einholung eines FBI-Gutachtens

  • Art. 2 DBA USA (E), Doppelbesteuerungsabkommen Vereinigte Staaten von Amerika (Einkommensteuer - Steuerumgehung), Art. 2 Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, § 45 Abs. 2 AVG
  • BFG vom 14.02.2023, RV/7500502/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Der Antrag auf Einholung eines FBI-Gutachtens für das vorliegende Verfahren erweist sich aufgrund fehlender Rechtshilfe-/Amtshilfe-Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika als unmöglich; Art. 25 i.V.m. Art. 2 DBA-USA, BGBl III 6/1998 und Art. 2 Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, BGBl III 193/2014, decken Parkometerabgaben nicht ab.

Rechtssatz 2: Die vom Vertreter des Bf. aufgestellte Beweislastregel „Hier hat im Rechtsstaat die Glaubwürdigkeit zu gelten, die ich als Beamter und Schulbuchautor mitbringe!“ steht grundlegend im Widerspruch zur freien Beweiswürdigung iSd § 45 Abs 2 AVG und entbehrt jeglicher (gesetzlicher) Grundlage. Bei Abwägung der Angaben des anzeigelegenden Organes und dem Vorbringen des Bf. als Beschuldigter, der in der Wahl seiner Verteidigung völlig frei ist, wird die Übertretung in freier Beweiswürdigung als erwiesen angesehen.

Versuchte Parkometerabgabeentrichtung mittels im Internet von Unbekanntem erworbenen manipuliertem Parkschein

  • § 19 Abs. 2 VStG, § 5 Abs. 1 VStG, § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006, § 19 Abs. 1 VStG
  • BFG vom 23.01.2023, RV/7500571/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Werden Parkscheine nicht über die dafür vorgesehenen Vertriebswege bezogen, sondern zu einem gegenüber dem auf den Parkscheinen angegebenen Werten günstigeren Preis von einer unbekannten Privatperson auf Grund eines Angebots auf einer Internet-Website, ist offensichtlich, dass hier ein bedenklicher Ankauf getätigt wurde und die evidente Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Parkscheine entweder gefälscht oder verfälscht worden sind.

Parkometer: Keine Senatsentscheidungen; kein Parkschein im Zeitpunkt der Beanstandung gelegt bzw. aktiviert

  • § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006
  • BFG vom 17.01.2023, RV/7500497/2022 (Abweisung; Revision nicht zugelassen)

Rechtssatz 1: Grundsätzlich entscheiden die Verwaltungsgerichte durch Einzelrichter; Senatszuständigkeiten bilden die Ausnahme. Solche Senatszuständigkeiten können durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen werden. Der Bundes- und Landesgesetzgebung wird zudem die Kompetenz eingeräumt, eine Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern an der Rechtsprechung vorzusehen (vgl. Art. 135 Abs. 1 B-VG; ErläutRV 1618 BlgNR XXIV. GP 18; § 2 VwGVG; VwGH 21.09.2018, Ro 2017/02/0019, Rn 27).

Zoll

Einreihung von gemeinsam gestellten Seilen und Seilzugkörpern in den Zolltarif

  • Art. 56 Abs. 1 UZK, VO 952/2013, Art. 11 Abs. 2 VO 2016/1036
  • BFG vom 06.03.2023, RV/7200076/2021 (Abänderung; Revision zugelassen)

Seile, die geeignet sind, gemeinsam mit den gleichzeitig gestellten (und noch nicht mit Seilen ausgestatteten) Seilzugkörpern einen vollständigen Seilzug zu bilden, sind wie das zusammengesetzte Gerät in die Position 8425 der KN einzureihen. Lediglich (allenfalls ebenfalls gleichzeitig gestellte) überzählige Seile sind als Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit nach ihrer eigenen Beschaffenheit (also als Seile der Position 7312 der KN) zu tarifieren.